Maik Dünnbier, Matthias Meyer, Kristína Šperková und Pubudu Sumanasekara vor einem Movendi-Rollup.
IOGT-Schweiz-Mitglied Matthias Meyer (2. v. l.) traf in Genf Movendi-Präsidentin Kristína Šperková, Vizepräsident Pubudu Sumanasekara (r.) und Strategiedirektor Maik Dünnbier.

Zwei Jahre nach der Verabschiedung des Globalen Alkohol-Aktionsplans der Weltgesundheitsorganisation (WHO) war die 77. Weltgesundheitsversammlung in Genf für Movendi International eine wichtige Gelegenheit, Bilanz zu ziehen und die Fortschritte in der Alkoholpolitik in der ganzen Welt aufzuzeigen. Movendi führte am 31. Mai 2024 im Rahmen der Versammlung eine hochrangige Nebenveranstaltung im Hotel »Intercontinental« durch, unterstützt durch die Gesundheitsministerien verschiedener Länder. Matthias Meyer von IOGT Schweiz war vor Ort.

Obwohl die Verantwortlichen von Movendi International von einer verlorenen Dekade in der internationalen Alkoholpolitik sprechen, war ich sehr positiv überrascht von den Fortschritten, die ich nach 20 Jahren ohne internationale Fachkontakte erleben durfte.

Alkoholpolitik wird global vorangetrieben

Als ich vor 20 Jahren im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit die Schweizer Delegation an der »Bridging-the-Gap«-Konferenz in Warschau leitete, war Alkoholpolitik ein Thema, das »alte, weiße« Männer bewirtschafteten. Das Podium an der Tagung in Genf war dagegen mehrheitlich von Frauen besetzt und wurde von einer Frau moderiert. Alkoholpolitik wird heute in Asien und Afrika sehr stark vorangebracht und entsprechende Maßnahmen kommen auch von dort. Europäische Länder sind dagegen bemüht, den erreichten Status bezüglich der Gesetzgebung und der öffentlichen Gesundheit gegen die Einflüsse der Alkoholindustrie zu verteidigen.

Jeder Alkoholkonsum ist ein Gesundheitsrisiko

Die Fehlinformationen bezüglich einer gesundheitsförderlichen Wirkung von »geringfügigen« Mengen Alkohol (die sogenannte J-Kurve) gehören definitiv der Vergangenheit an. In der Klassifikation von risikoreichem Alkoholkonsum wird nicht mehr zwischen chronischem, situativ-übermäßigem oder situations-inadäquatem Konsum unterschieden. Zumindest in der internationalen Fachwelt ist die Botschaft klar: Jeglicher Alkoholkonsum stellt für die Konsumierenden, aber auch für das Umfeld ein Risiko dar. Nun gilt es, diese Erkenntnis auch in der Kommunikation der offiziellen Stellen der einzelnen Länder zu verankern.

»Sick-Quitter«-Effekt: Warum die alkoholbedingten Todesfälle in den letzten 30 Jahren unterschätzt wurden

Grafische Darstellung von zwei Weingläsern und einem Schnapsglas, das über eine Kanüle mit einer Tropfflasche verbunden ist. In den Weingläsern schwimmen Herzen, im Schnapsglas eine Krebsschleife.

Mehr als 70 % der bis März 2022 veröffentlichten systematischen Übersichten und Metaanalysen zum alkoholbedingten Gesamtmortalitätsrisiko schlossen ehemalige Alkoholkonsument*innen nicht aus der Referenzgruppe aus und könnten daher durch den »Sick-Quitter-Effekt« verzerrt sein.

Welt­­gesundheits­­organisation: Jeder Alkoholkonsum ist ungesund

Einzelner Tropfen hängt aus einer Flaschenöffnung.

Die mit dem Alkoholkonsum verbundenen Risiken und Schäden wurden im Laufe der Jahre systematisch evaluiert und sind gut dokumentiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in der Zeitschrift »The Lancet Public Health« eine Erklärung veröffentlicht: Es gibt keine sichere Menge Alkohol, die die Gesundheit nicht beeinträchtigt.

Der gesetzliche Rahmen ist wichtig, entscheidend ist jedoch das soziale Umfeld

Beeindruckend war für mich die zweite Paneldiskussion, als der isländische Vertreter von »planet youth« von seinen Erfahrungen bezüglich der Erfolge in der Prävention des Substanzmissbrauchs bei Jugendlichen erzählte. In den 90er Jahren hatte Island trotz eines fortschrittlichen gesetzlichen Rahmens einen Anteil von über 30 % von Jugendlichen, die missbräuchlich psychoaktive Substanzen konsumierten. Heute sind es deutlich unter 10 %. Erreicht hat Island dies durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von allen relevanten Stellen und der Schaffung von entsprechenden Angeboten für Jugendliche. Ich denke, dies könnten wegweisende Erfahrungen und Erkenntnisse auch für die Schweiz sein.

Bildung bleibt entscheidend für freie, selbstbestimmte Menschen

Die sozialen Medien prägen immer stärker die Verhaltensweisen und Werte von jungen Menschen. Die Alkohol- und Tabakindustrie gibt sehr viel Geld für Marketingmaßnahmen in den sozialen Medien aus, die sich ausschließlich an Kinder und Jugendliche richten. Deshalb sehen wir älteren Menschen immer weniger Werbung für Alkohol- und Tabakprodukte. Diese Entwicklung muss dokumentiert und mit internationalen Netzwerken erforscht werden. Hier können Ausbildungsstätten im Rahmen von Projektarbeiten einen spannenden und wichtigen Beitrag leisten. Da Movendi bereits eine App hat, mit der man das Anzeigen solcher Werbung dokumentieren kann, ließen sich entsprechende Projekte leicht verwirklichen. Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, mit meinen Studierenden im nächsten Semester dieses Thema einmal anzugehen.