Porträt von Fredric Schulz, Bundesvorsitzender der Guttempler, neben seinem Zitat am 16.11.25 in der Westfalenpost: Dahinter steht offenbar eine grenzenlose Ahnungslosigkeit davon, was Alkohol gesellschaftlich und individuell anrichtet. Es kann doch nicht sein, dass Politiker*innen nicht wissen, dass Alkoholkonsum jedes Jahr 40.000 Menschen das Leben kostet.

Die Ernennung des SPD-Politikers Dirk Wiese zum »Genussbotschafter« der Spirituosenindustrie sehen die Guttempler*innen als besorgniserregendes Zeichen dafür, dass sich Teile der Politik der realen Tragweite des Alkoholkonsums nicht bewusst sind. Fredric Schulz, Bundesvorsitzender der Guttempler*innen, kritisiert, dass Politiker*innen der Alkoholindustrie mit solchen Ehrenämtern ein gesellschaftliches Gütesiegel verleihen, während sie die massiven Schäden, die Alkohol Jahr für Jahr anrichtet, ausblenden.

Allein in Deutschland sterben jährlich rund 40.000 Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum. Laut Bundesgesundheitsministerium belaufen sich die volkswirtschaftlichen Kosten auf etwa 57 Milliarden Euro. Dem stehen lediglich drei Milliarden Euro Einnahmen aus Alkoholsteuern gegenüber. Die Guttempler*innen bezeichnen dieses Missverhältnis als politischen Blindfleck.

Ihnen stößt besonders auf, dass die Spirituosenbranche bei der Vergabe solcher Titel den Begriff »verantwortungsvoller Umgang« verwendet, ohne zu definieren, was das in der Praxis bedeutet. Aus ihrer Sicht ist dies reiner Etikettenschwindel, der die tatsächlichen sozialen und gesundheitlichen Risiken verharmlost und die Verantwortung vollständig den Konsument*innen überträgt.

Während Wiese seine Rolle mit Schlagworten wie Prävention, Jugendschutz und Kultur verteidigt, sehen die Guttempler*innen darin ein weiteres Beispiel dafür, wie sich politische Entscheidungsträger*innen für die Imagepflege einer Industrie instrumentalisieren lassen, deren Produkte erheblichen gesellschaftlichen Schaden verursachen. Die Guttempler*innen fordern deshalb mehr Aufklärung, strengere Regelungen und ein deutlich kritischeres Bewusstsein im Umgang mit Alkohol – gerade in der Politik.

Dirty little secrets: Vom Kampf zwischen Wissenschaft und Alkohollobby

Weinflasche mit fiktivem Warnhinweis: Alkohol kann Brustkrebs verursachen.
Screenshot aus Folge 3: Prost, Berlin!

Im Glas befindet sich eine gefährliche Droge. Und Deutschland ist ein Hochkonsumland. Das Rechercheformat »Dirty Little Secrets« des Bayerischen Rundfunks (BR) erzählt vom erbitterten Kampf um die Deutungshoheit zwischen Wissenschaft und Alkohollobby. Es geht um Seilschaften, Machtspiele und viel Geld. Drei neue Folgen von »Dirty Little Secrets« sind seit gestern in der ARD-Mediathek abrufbar.

Alkohol – ein Tabuthema der deutschen Politik

Leerer Plenarsaal des Bundestags, von oben durch die gläserne Reichtstagkuppel gesehen

Weinköniginnnen küren, zu Botschafter*innen des Bieres ernannt werden, Oktoberfest-Eröffnungen, dort sind Politiker*innen gern in der ersten Reihe dabei – und kein Parteitag findet ohne Sponsoring durch Alkoholproduzent*innen statt. Wenn es jedoch um unbeliebte Entscheidungen zum gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung vor Alkoholschäden geht, bleibt der Plenarsaal eher leer.

Am 3. März 2021 findet um 14.30 Uhr jedoch eine öffentliche Anhörung zu zwei Anträgen der Opposition statt, die sich mit dem unbequemen Thema Alkohol befassen:

Quelle: Westfalenpost