Am 9. 1. 2020 hatte der Film »Alkohol – Der globale Rausch« in acht Berliner Kinos Premiere und wurde immerhin noch bis in der 4. Woche in zwei Kinos gezeigt. Das ist sehr ungewöhnlich, denn Dokumentarfilme über Gefahren des Alkohols waren bislang fast ausschließlich dem Fernsehen vorbehalten. Alkoholprobleme werden mehr in Spielfilmen gezeigt, zuletzt im vorigen Jahr in dem – meines Erachtens unterschätzten – Film »Der goldene Handschuh«, der das Alkoholmilieu in einer Hamburger Kneipe drastisch, aber absolut realistisch wiedergibt.
Der Dokumentarfilm von Andreas Pichler (der Regisseur gehört einer Winzerfamilie an) geht der Frage nach, warum so viele Menschen weltweit alkoholkrank sind. Er lässt Suchtexperten, Wissenschaftler und Betroffene zu Wort kommen und beleuchtet die Machenschaften der drei großen Alkoholkonzerne Anheuser-Busch (unter anderem Beck’s/Budweiser), Heineken (Paulaner) und Diago (unter anderem Guinness).
In deutlichen Aufnahmen zeigt er am Beispiel Nigerias, wie Heineken den Alkoholmarkt in Afrika zum Wachsen bringt. Junge Frauen werden angeheuert, um für Heineken zu werben und sind oft aggressiven und sexuellen Angriffen ausgesetzt. Gin wird in kleinen plastikverschweißten Päckchen vertrieben, die zahlreich zur ›Verstärkung‹ des Bieres genutzt werden. Es gibt keinerlei Gesetze zum Schutz gegen Alkohol, sodass immer mehr Menschen dem Alkohol verfallen.
Die Alkoholindustrie leugnet nicht, dass Alkohol schädlich ist, sagt aber, dass jeder selbst mit den Folgen klarkommen muss. Als perfide Alibifunktionen dienen Forschungsaufträge, die sich angeblich mit den negativen Auswirkungen von Alkohol befassen, deren Ergebnisse aber oft noch als Werbung für ihr Produkt missbraucht werden.
Der Filmemacher selbst war im Laufe seiner Recherchen erstaunt und bestürzt über die verheerenden Ausmaße des übermäßigen Alkoholkonsums. Weder in den Bildern noch in den Kommentaren wird er drastisch, moralisch oder belehrend. Ich hätte mir in manchen Darstellungen des Missbrauchs mehr Realität und Radikalität gewünscht. Und doch ist das einzige Ziel dieses Films, die nüchterne Realität von Alkohol darzustellen. Einmal wird ein ehemaliger Barmann in London interviewt, der seinen Beruf nicht mehr ausüben wollte und konnte, weil er sich als legaler Drogendealer schuldig fühlte.
Als positives Beispiel konsequenter, staatlich wirksamer Alkoholprävention wird Island gezeigt, wo der Alkoholkonsum stark eingeschränkt werden konnte.
Im Film werden kaum Hilfaangebote aufgezeigt, was durchaus als Mangel angesehen werden kann. Die Dokumentation endet jedoch mit einer klaren Aussage, dass Alkohol eine gefährliche legale Droge ist:
»Jedes Jahr sterben 3 Millionen Menschen weltweit an den Folgen des Alkohols – alle 10 Sekunden ein Mensch! Das sind mehr als durch Verbrechen, Verkehrsunfälle und illegale Drogen zusammen!«
Der Film wird sicher zeitnah im Fernsehen ausgestrahlt werden (Arte, RBB). Er ist unbedingt empfehlenswert und wird zumindest einigen Zuschauern positive Denkanstöße geben können.
Aber auch für Mitglieder von Selbsthilfeverbänden wie den Guttemplern enthält er durchaus neue Erkenntnisse.
Klaus Mehnert
Guttempler-Gemeinschaft »Aufstieg«, Berlin