Mutter und Tochter stehen vor einer weißen Werbetafel. Darin das Zitat von DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel: Man darf Jugendliche zwar nicht zeigen, aber seien wir mal ehrlich: Werbung für Alkohol ist schon sehr jugendlich gestaltet.

Es ist enttäuschend, dass die Addiction-Publikation »Restricting alcohol marketing to reduce alcohol consumption: A systematic review of the empirical evidence for one of the best buys« (Einschränkung des Alkoholmarketings zur Verringerung des Alkoholkonsums: Ein systematischer Überblick über die empirische Evidenz für eine der besten Maßnahmen) zu der irreführenden Schlussfolgerung kommt, dass die Evidenz ein Verbot von Alkoholmarketing als »best buy« nicht rechtfertigt (obwohl sie Belege für die Auswirkungen der Exposition gegenüber Alkoholmarketing erwähnt, wie zum Beispiel den Beginn des Alkoholkonsums und einen höheren Alkoholkonsum).

Das Analysekonzept des Artikels von Manthey et al. steht im Einklang mit nützlichen Forschungsergebnissen zu Verfügbarkeits- und Preisinterventionen, aber der Bereich des Marketings ist durch eine Reihe von Unterschieden gekennzeichnet, die es unangemessen erscheinen lassen, sich auf einen ähnlichen Ansatz zu beziehen (siehe Alcohol marketing research: the need for a new agenda, Alcohol advertising and public health: systems perspectives versus narrow perspectives oder Alcohol: no ordinary commodity).

Sind Werberegulierungen womöglich wirkungslos?

Notebook mit Diagrammen zur Geschäftsentwicklung.

Obwohl Alkoholwerbeverbote als »best buy« der Alkoholkontrollpolitik gelten, gibt es keine umfassenden systematischen Übersichten über ihre Wirksamkeit bei der Verringerung des Alkoholkonsums. Ziel dieser Arbeit war es, die Evidenz zu den Auswirkungen eines vollständigen oder teilweisen Werbeverbots für Alkohol auf den Alkoholkonsum systematisch zu untersuchen.

Zu den Unterschieden zwischen der Bewertung der anderen »Best Buys« und des Marketings gehört die Schwierigkeit, eine tatsächliche Veränderung infolge politischer Maßnahmen zu gewährleisten. Ist die Politik erst einmal in Kraft, ist es viel wahrscheinlicher (wenn auch nicht unvermeidlich), dass sich höhere Steuern auf die Erschwinglichkeit auswirken und dass sich die Öffnungszeiten und das Mindestalter für den Erwerb auf die Verfügbarkeit auswirken. Es ist hinlänglich bekannt, dass Marketing über viele verschiedene Kanäle und Modi wirksam ist und dass es für die kommerziellen Interessen sehr rentabel ist, alternative Ansätze zu finden, um die gleichen Ziele zu erreichen, wenn ein Weg eingeschränkt wird. Die zunehmende Nutzung des digitalen Marketings, das für niemanden außer den Empfänger*innen sichtbar ist, hat dieses Problem noch weiter verschärft. Daher ist die unkritische Einbeziehung von Teilverboten in die Analyse der Wirksamkeit, wie sie der Artikel von Manthey et al. vornimmt, sinnlos.

Das Fehlen vollständiger Vermarktungsverbote schränkt auch die Möglichkeiten ihrer Bewertung ein. Dies steht in krassem Gegensatz zur Besteuerung, für die es zahlreiche Beispiele für Änderungen gibt, und zu Eingriffen in die Verfügbarkeit, für die es weit mehr Beispiele als für die Vermarktung, aber weniger als für die Besteuerung gibt.

Marketing erfüllt eine Reihe sehr wichtiger Funktionen für kommerzielle Interessen, und jede dieser Funktionen muss bei der Bewertung des Nutzens politischer Maßnahmen berücksichtigt werden. Marketing rekrutiert neue Konsument*innen, einschließlich neuer Kohorten junger Alkoholkonsument*innen in Gesellschaften mit hoher Prävalenz des Alkoholkonsums und einer Reihe von Sektoren in Gesellschaften mit niedriger Prävalenz. Marketing trägt auch zur Aufrechterhaltung des Konsums bei stärkeren Konsument*innen bei, was für die Gewinne der Industrie von großer Bedeutung ist. Die Funktion des Marketings besteht auch darin, Alkoholprodukte als Teil des täglichen Lebens zu normalisieren und starke positive Assoziationen mit Alkoholmarken und ‑produkten zu schaffen. Dies ist nicht nur für die direkte Beeinflussung des Konsums von Bedeutung, sondern auch dafür, welche politischen Maßnahmen als angemessen angesehen werden.

Angesichts des Funktionsspektrums ist es sinnvoll, die unterschiedlichen Wirkungen von Alkoholverboten mit Hilfe eines umfassenderen Evaluationsansatzes auf der Systemebene zu untersuchen. Haben Vermarktungsverbote in muslimisch geprägten Ländern den Anstieg des Alkoholkonsums verlangsamt? Hat das langjährige Verbot der Alkoholvermarktung in Norwegen dazu beigetragen, dass relativ hohe Steuern erhoben werden und die Öffentlichkeit staatliche Einzelhandelspolitik unterstützt, die sich auf die Einschränkung der Verfügbarkeit konzentriert? Das sind schwierige Forschungsfragen, und wir brauchen mehr Beispiele und mehr methodische Verfeinerung, um glaubwürdige Antworten geben zu können.

Sicher ist, dass die Alkoholhersteller*innen hart daran gearbeitet haben, unwirksame freiwillige Verhaltenskodizes (Selbstregulierung) zu entwickeln und zu fördern und Beschränkungen des Alkoholmarketings auf andere Weise abzuwenden, was darauf hindeutet, dass sie sich mehr auf die Vermeidung von Vermarktungsverboten konzentrieren als auf ihre Bedenken hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Preisgestaltung.

Eine umfassendere Frage betrifft die geeigneten Parameter für die Bewertung der Wirksamkeit und die Festlegung von Kriterien für »best buys«. Die Schlussfolgerung des Artikels von Manthey et al. beruht auf der unbestrittenen Annahme, dass die quantitative Analyse relativ kurzfristiger Veränderungen des Verbrauchs der Gesamtbevölkerung unter Verwendung eines schmalen Spektrums methodischer Ansätze der einzig angemessene Ansatz ist. Dies steht im Widerspruch zur Notwendigkeit einer transparenten Überprüfung der Angemessenheit des verwendeten Forschungsansatzes und der methodischen Strenge. Nuanciertere Ansätze mit einem viel tieferen Verständnis der Marketingrealität und ‑prozesse sind erforderlich.

Über die Autorin

Sally Casswell
Prof. Sally Casswell

Sally Casswell ist eine neuseeländische Wissenschaftlerin und seit 2019 ordentliche Professorin an der Massey University. Sie ist Mitglied des WHO-Expertenbeirats für Drogenabhängigkeit und Alkoholprobleme und Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Global Alcohol Policy Alliance (GAPA).

Quelle: EUCAM

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