Die im Paritätischen Wohlfahrtsverband zusammengeschlossenen Suchthilfeverbände haben heute im Rahmen eines Parlamentarischen Frühstücks ihre Forderungen an die Sucht- und Drogenpolitik der kommenden Legislaturperiode vorgestellt.
Seit den 1970er Jahren setzt Deutschland in der Drogenpolitik auf das Prinzip Abschreckung und Repression. Auch die bis heute gültige Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik aus dem Jahr 2012 setzt konsequent auf Schadens- und Angebotsreduzierung sowie Strafverfolgung als wesentliche Säule neben Prävention, Beratung und Behandlung. Mit dem Cannabisgesetz wurde eine erste Abkehr von der Repressions- und Verbotspolitik vollzogen. Dieser Weg muss konsequent fortgesetzt werden, auch um Menschen mit Substanzkonsumproblemen Hilfe statt Strafe zu bieten.
Neben der Verbotspolitik für illegale Drogen »leistet« sich Deutschland einen völlig unzureichend regulierten Markt für legale Suchtmittel. Zur Reduzierung der nationalen Drogen- und Suchtprobleme bedarf es einer neuen, gesundheits- und wirkungsorientierten nationalen Drogen- und Suchtstrategie für Prävention, Beratung und Behandlung jenseits von Repression und Verboten unter Einbeziehung von Fachexpert*innen aus Suchthilfe, Suchtmedizin, Prävention und Selbsthilfe sowie unter Beteiligung von Betroffenen, die Substanzen konsumieren. Darüber hinaus fordern die unterzeichnenden Verbände:
Suchtberatung gesetzlich absichern und finanziell stärken
Nach einer aktuellen Erhebung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) können drei Viertel der öffentlich geförderten Suchtberatungsstellen im Jahr 2024 nicht mehr kostendeckend arbeiten, was bereits zu Schließungen und Angebotsreduzierungen geführt hat. Weitere Schließungen sind zu erwarten. Das ist eine dramatische Situation, nicht nur für Menschen mit Suchtproblemen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Durch ihre Aufgaben entlasten sie die öffentlichen Kassen. Für jeden investierten Euro spart die Suchtberatung rund 17 Euro an Folgekosten ein. Da Suchtberatung eine freiwillige Leistung ist, hängt ihre Finanzierung stark von der Haushaltslage der Kommunen ab. Die sich zuspitzende Finanzierungskrise ist darauf zurückzuführen, dass die öffentliche Förderung seit Jahren stagniert, während die Kosten steigen und die Beratungsaufgaben und ‑nachfrage unter anderem durch das in Kraft getretene Cannabiskonsumgesetz zunehmen. Um das Angebot der Suchtberatung dauerhaft zu sichern, muss es gesetzlich verankert und finanziell ausreichend abgesichert werden.
Verhältnisprävention ausbauen: Suchthilfe und Prävention sichern und weiterentwickeln
Deutschland hat bisher zu wenig getan, um gefährdete Gruppen zu schützen und Schaden abzuwenden. Allein die direkten und indirekten Kosten des allgegenwärtigen Alkoholkonsums belaufen sich auf 57 Milliarden Euro. Die Folgekosten des Tabakkonsums belaufen sich auf 97 Milliarden Euro. Jährlich sterben 180.000 Menschen an den Folgen von Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsum.
Das neue Cannabisgesetz verstärkt die Notwendigkeit gezielter Prävention und aufsuchender Arbeit, da die Gefahr besteht, dass das Risikobewusstsein abnimmt und Auflagen wegfallen. Um zukunftsfähig zu bleiben, muss Deutschland seine Präventionsmaßnahmen verstärken und durch Preisregulierung und Einschränkung der Verfügbarkeit gezielt ausbauen.
Dazu gehört auch ein umfassendes Werbe- und Sponsoringverbot für Alkohol. Durch eine Erhöhung der Verbrauchsteuern auf Suchtmittel (bei Alkohol nach Alkoholgehalt, nicht nach Getränkeart) beziehungsweise zweckgebundene Abgaben sind die dadurch generierten staatlichen Mehreinnahmen ohne Abzug der Suchthilfe, der Suchtselbsthilfe und der Suchtprävention über einen »Sucht- und Präventionsfonds« zur Verfügung zu stellen.
Drogennot- und Todesfälle senken, Konsument*innen entkriminalisieren und behandeln
Drogenkonsumräume und Drug-Checking helfen, Drogennotfälle und Todesfälle zu verhindern. Der Bund hat hierfür erste gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, in vielen Bundesländern wird der Ausbau jedoch weiterhin blockiert. Um eine flächendeckende Umsetzung zu gewährleisten, sollte ein nationaler Koordinierungsrat Sucht- und Drogenpolitik eingerichtet werden, in dem Bund, Länder und Kommunen Umsetzungsfragen klären. Darüber hinaus müssen Hürden beim Zugang zu Hilfen abgebaut werden, dies betrifft auch den bisher zu hochschwelligen Zugang zur Substitutionsbehandlung. Derzeit wird in Deutschland nur die Hälfte der opioidabhängigen Menschen erreicht – deutlich weniger als in anderen europäischen Ländern (80 – 85 %). Um diese Versorgungslücke zu schließen, benötigt Deutschland 53.000 zusätzliche Behandlungsplätze.
Die Unterzeichnenden: