Am Freitag, den 23. Februar 2024, wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung »zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften« (Cannabisgesetz – CanG) vom Bundestag verabschiedet. Die Ziele des Gesetzes sind bekannt: Rückgang des Schwarzmarktes, weniger Kriminalität, Entstigmatisierung der Konsument*innen, weniger verunreinigtes Cannabis, mehr Gesundheitsschutz, Entlastung der Polizei, effektive Sozialarbeit. Doch welche Folgen und »Nicht-Folgen« sind tatsächlich zu erwarten?
- Das Blaue Kreuz Deutschland ist überzeugt: Der Schwarzmarkt wird nicht zurückgedrängt! Den Staaten, die Cannabis legalisiert haben, ist es nicht gelungen, den Schwarzmarkt wirksam zu bekämpfen. Stattdessen entstehen drei Märkte: Der bisherige illegale bleibt, der legale in Form von Cannabis-Clubs und der Graumarkt kommen hinzu. Wettbewerb entsteht. Die Preise sinken. Der Kampf um die Konsument*innen wird härter. Durch den Heimanbau entsteht ein zusätzlicher Graumarkt, der nicht kontrolliert werden kann. Zudem wird Cannabis aus legalem Anbau mit giftigen Beimengungen auf dem Schwarzmarkt zu attraktiveren Preisen verkauft. Deutschland wird zur Drehscheibe des illegalen europäischen Cannabishandels. Der europäische Binnenmarkt macht es möglich.
- Die internationale Cannabisindustrie bereitet sich seit Monaten auf den 1. April 2024 in Deutschland vor. Die Cannabis-Clubs werden aus dem Boden sprießen wie die Krokusse auf den berühmten Krokuswiesen im erzgebirgischen Drebach.
- Der legale Cannabismarkt wird sich rasch kommerzialisieren. Neue Produkte werden auf den Markt kommen und neue Konsumentengruppen ansprechen, darunter THC-haltige Bonbons und Süßigkeiten. Eine milliardenschwere Cannabisindustrie wird an politischer und wirtschaftlicher Macht gewinnen. Mehrere große US-amerikanische und kanadische Unternehmen sind bereits auf den aufstrebenden europäischen Cannabismärkten aktiv.
- Das Blaue Kreuz Deutschland ist überzeugt: Der Cannabiskonsum wird in Deutschland deutlich zunehmen! Ein Jahrzehnt Legalisierung in verschiedenen Staaten der USA und fünf Jahre Legalisierung in Kanada zeigen, dass der Cannabiskonsum zugenommen hat, insbesondere der intensivere Konsum.
- Der Gesundheitsschutz nimmt nicht zu, sondern ab. Der Bericht 2022 des International Narcotics Control Board (INCB) fasst zusammen: »In allen Gerichtsbarkeiten, in denen Cannabis legalisiert wurde, zeigen die Daten, dass cannabisbedingte Gesundheitsprobleme zugenommen haben &hellip: In den Vereinigten Staaten und Kanada ist die Zahl der Kleinkinder und Jugendlichen, die zu Hause Cannabis ausgesetzt waren, vergiftet wurden und sich an die Giftnotrufzentrale wenden und eine Notfallversorgung in Anspruch nehmen mussten, erheblich gestiegen. Die Zahl der Frauen, die während der Schwangerschaft und Stillzeit Cannabis konsumieren, hat ebenfalls zugenommen. Immer mehr Kinder wachsen in Familien auf, in denen Erwachsene Cannabis konsumieren.« Auch die Zahl der cannabisbedingten Verkehrsunfälle, Todesfälle, Besuche in Notaufnahmen und Krankenhausaufenthalte hat deutlich zugenommen. Die kanadischen Behörden berichten, dass Cannabis inzwischen die häufigste Ursache für substanzbedingte Krankenhauseinweisungen bei Jugendlichen ist – häufiger als Alkohol.
- Das Krankheitsrisiko steigt! Wissenschaftliche Studien zeigen immer mehr Langzeitfolgen des Cannabiskonsums und der Legalisierung. In den letzten Jahren wurden bei immer mehr Menschen das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom (CHS) und eine Epidemie schwerer Lungenerkrankungen beobachtet. Beides wird mit dem Dampfen von THC in Verbindung gebracht.
- Dagegen mutet der unkonkrete Zweizeiler (!) auf der vierseitigen Pressemitteilung der Bundesregierung, das Präventionsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) werde ausgebaut, wie ein Aprilscherz an. Warum ist das konkrete Präventionsangebot nicht schon entwickelt? Warum startet die Kampagne nicht jetzt, um proaktiv statt reaktiv zu handeln?
- Anstatt die Suchtberatungsstellen finanziell deutlich besser auszustatten, verpflichtet das verabschiedete Cannabisgesetz (§ 23) die Vorstände der »Anbauvereine«, jeweils ein Mitglied als Präventionsbeauftragten zu benennen. Dies hält das Blaue Kreuz Deutschland für realitätsfern. Es ist vergleichbar mit einem Gastwirt, der Alkoholprävention betreiben soll und gleichzeitig davon lebt, dass der Verkauf von Alkohol sein Einkommen sichert.
- Der Jugendschutz wird nicht eingehalten! Die 25 Gramm Cannabis pro Tag, die 21-Jährige maximal für den Eigenkonsum erhalten dürfen, werden nicht kontrollierbar sein. Die Beamt*innen werden nicht entlastet. Laut dem Vorsitzenden der Bundespolizeigewerkschaft/Zoll, Thomas Mischke, könne man schon jetzt sagen, dass die Bekämpfung des Rauschgifthandels etwas von einem Kampf gegen Windmühlenflügel habe. Aus Sicht des Blauen Kreuzes muss es schon an den Kapazitäten scheitern, die Einhaltung der vielen Vorschriften des Cannabisgesetzes zu kontrollieren. So können die unzähligen Cannabis-Clubs nicht kontrolliert und die Grenzwerte nur stichprobenartig überprüft werden.
- Soziale Arbeit wird nicht verbessert! Suchtberatungsstellen kämpfen ums finanzielle Überleben. Die seit langem geforderte bessere finanzielle Ausstattung ist bisher ausgeblieben. Die zukünftig in die Beratungsstellen strömenden Cannabiskonsument*innen oder deren Angehörige können nicht adäquat betreut werden, da das Fachpersonal fehlt. Die Struktur der Beratungsstellen sollte auch für die Prävention vor Ort für Konsumierende und Angehörige genutzt werden können.
Die Entkriminalisierung von Cannabiskonsument*innen ist zweifellos richtig. Sie brauchen sozialpädagogische und therapeutische Begleitung. Aber das Kind mit dem Bade auszuschütten, ist der falsche Weg. Notwendig ist vielmehr ein gemeinsames Vorgehen auf europäischer Ebene und kein deutscher Alleingang.
Quelle: Blaues Kreuz in Deutschland, Pressemitteilung