Kleiner Junge ruft mit Megaphon.

Sucht und der Konsum von legalen und illegalen Drogen belasten unsere Wirtschaft jährlich mit 150 bis 200 Milliarden Euro. Ganz zu schweigen von den individuellen Belastungen für die Betroffenen und ihre Familien.

Deshalb hat der Paritätische Wohlfahrtsverband einen Aufruf gestartet, um den politischen Verhandler*innen des nächsten Koalitionsvertrages deutlich zu machen, dass dies Themen sind, die viele Menschen in unserer Gesellschaft belasten und denen politisch Rechnung getragen werden muss.

Rund 350 Expert*innen aus Wissenschaft, Wohlfahrtsverbänden, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe haben mit uns den Aufruf unterzeichnet, um ein Signal für die Notwendigkeit einer gut aufgestellten und zukunftsfähigen Suchthilfe und Drogenpolitik in Deutschland zu setzen.

Aufruf an die Verhandler*innen von CDU/CSU und SPD

Die Lage ist ernst, die Probleme wachsen von Tag zu Tag. Wir brauchen JETZT die richtigen Antworten, auch in der Sucht- und Drogenpolitik!

Jede*r Zehnte in Deutschland hat ein Suchtproblem; Rauchen zum Beispiel ist das größte vermeidbare Gesundheitsproblem der Deutschen! Sucht und der Konsum von legalen und illegalen Drogen belasten unsere Wirtschaft jährlich mit 150 bis 200 Milliarden Euro. Zudem haben immer mehr Menschen ein Problem mit pathologischem Glücksspiel. Wir stehen vor neuen, massiven Herausforderungen: Kokain ist präsenter denn je. Der Konsum von Crack bringt unendliches Leid und Elend in unsere Innenstädte.

Nach Auffassung der Europäischen Drogenagentur, des UN-Suchtstoffkontrollrates und vieler anderer Expert*innen droht jetzt eine Welle synthetischer Opioide wie Fentanyl und Nitazene, auch in Deutschland. Die Probleme für das Gesundheitssystem und die innere Sicherheit sind enorm. Und das in einer Zeit, in der immer weniger Geld für die Präventionsarbeit an Schulen, für die Angebote von Beratungsstellen und für die überlebenswichtigen niedrigschwelligen Hilfsangebote zur Verfügung steht. Drei Viertel der öffentlich geförderten Suchtberatungsstellen arbeiten aufgrund von Mittelkürzungen im laufenden Haushaltsjahr nicht mehr kostendeckend. Das hat massive Auswirkungen für die Bürger*innen, denn Angebote müssen reduziert und Beratungsstellen geschlossen werden.

Und was sehen wir? Koalitionsverhandlungen, in denen Drogen- und Suchtpolitik – wenn überhaupt – nur eine marginale Nebenrolle am Rande spielt. Und wenn, dann wird nur ein Thema angesprochen: Die Rücknahme der Entkriminalisierung von Cannabis. Diese Schwerpunktsetzung geht an der Lebenswirklichkeit völlig vorbei.

Wir fordern die Verhandler*innen von CDU/CSU und SPD auf, die bestehende Sucht- und Drogenlage und die sich anbahnende Krise endlich anzuerkennen und JETZT folgende Maßnahmen auf den Weg zu bringen:

  • Die Bundesregierung muss kurzfristig alle notwendigen Schritte einleiten, um Deutschland auf die immer wahrscheinlicher werdende Opioidkrise vorzubereiten: Wir brauchen unter anderem ein bundesweites Monitoring- und Warnsystem, flächendeckende niedrigschwellige Substitutionsangebote und eine umfassende Verfügbarkeit von Naloxon.
  • Wir brauchen endlich eine neue nationale Sucht- und Drogenstrategie, die die Lebensrealität vieler Menschen mit Suchtproblemen anerkennt und den neuen Herausforderungen in Prävention und Regulierung angemessen begegnet.
  • Statt über die Abschaffung sucht- und drogenpolitischer Strukturen zu diskutieren, muss das Amt des Sucht- und Drogenbeauftragten dringend aufgewertet und durch einen zivilgesellschaftlich besetzten Drogen- und Suchtrat beraten werden.
  • Die in ihrer Existenz bedrohten öffentlich finanzierten Suchtberatungsstellen und niedrigschwelligen Behandlungsangebote sind vorrangig zu sichern und als Rechtsanspruch gesetzlich zu verankern.
  • Wir brauchen eine Bund-Länder-Koordinierungsstelle, die sicherstellt, dass bundesgesetzliche Regelungen in allen Bundesländern umgesetzt werden, wie zum Beispiel der bundesweite Ausbau von Drogenkonsumräumen und Drug-Checking, um Leben zu retten.
  • Die Gesetzgebung zum Umgang mit Cannabis zu Rauschzwecken muss unter Berücksichtigung des Gesundheits-, Verbraucher- und Jugendschutzes weiterentwickelt werden.
  • In der 21. Legislaturperiode müssen die beschlossenen Maßnahmen des interfraktionellen Antrags »Prävention stärken – Kinder mit psychisch oder suchtkranken Eltern unterstützen« umgesetzt werden.
  • Die Einführung eines grundsätzlichen Werbeverbots für Alkohol- und Tabakprodukte sowie Sportwetten muss verbindlich in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden.
  • Die derzeitigen Strukturen des Zugangs zu legalen Drogen und die Formen ihrer Bereitstellung müssen auf den Prüfstand gestellt werden.

Wir fordern CDU/CSU und SPD auf, endlich die bestehenden Strukturprobleme auch in der Sucht- und Drogenpolitik zu lösen und das Suchthilfesystem endlich verlässlich und planungssicher zu finanzieren.

Fredric Schulz, Guttempler in Deutschland e. V., Bundesvorstand
sowie über 300 weitere Mitzeichner*innen

Bundestag setzt sich für Kinder aus suchtbelasteten Familien ein

Screenshot der Live-Übertragung aus dem Plenarsaal des Bundestags am 4. Juli 2024 um 20.23 Uhr.

Der Bundestag hat am 4. Juli 2024 einen Antrag mit dem Titel »Prävention stärken – Kinder mit psychisch oder suchtkranken Eltern unterstützen« beschlossen, der von den Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gemeinsam eingebracht wurde. Der Antrag wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen.

Dirty little secrets: Vom Kampf zwischen Wissenschaft und Alkohollobby

Weinflasche mit fiktivem Warnhinweis: Alkohol kann Brustkrebs verursachen.
Screenshot aus Folge 3: Prost, Berlin!

Im Glas befindet sich eine gefährliche Droge. Und Deutschland ist ein Hochkonsumland. Das Rechercheformat »Dirty Little Secrets« des Bayerischen Rundfunks (BR) erzählt vom erbitterten Kampf um die Deutungshoheit zwischen Wissenschaft und Alkohollobby. Es geht um Seilschaften, Machtspiele und viel Geld. Drei neue Folgen von »Dirty Little Secrets« sind seit gestern in der ARD-Mediathek abrufbar.

Quelle: Fachinfo des Paritätischen Gesamtverbands