Panoramablick auf die Skyline von Auckland, Neuseeland, mit dem Sky Tower und dem Hafen. Über das Bild ist das Titelblatt eines Berichts mit dem Titel 'Reconsidering our low-risk alcohol advice: The dark influence of the alcohol industry' (Überdenken unserer Ratschläge für risikoarmen Alkoholkonsum: Der dunkle Einfluss der Alkoholindustrie) gelegt.

Ein wachsender Konsens unter Expert*innen bestätigt, dass es keinen für die Gesundheit unbedenklichen Alkoholkonsum gibt. Groß angelegte Studien zeigen nun, dass Alkoholkonsum das Risiko für viele chronische Krankheiten in einem klaren Dosis-Wirkungs-Verhältnis erhöht, selbst bei geringem Konsum. Viele Länder haben auf diese Erkenntnisse reagiert und ihre nationalen Empfehlungen für risikoarmen Alkoholkonsum gesenkt. Aotearoa Neuseeland überprüft derzeit seine eigenen Richtlinien – ein positiver und längst überfälliger Schritt.

Dieser Prozess steht jedoch vor einer großen Herausforderung: der Einmischung der Alkoholindustrie. Untersuchungen zeigen, dass die Industrie regelmäßig Lobbyarbeit bei politischen Entscheidungsträger*innen betreibt, irreführende Forschungsergebnisse finanziert oder verbreitet und die durch Alkohol verursachten Schäden als Problem der individuellen Verantwortung und nicht als Folge kommerzieller Praktiken darstellt. Diese Taktiken ähneln stark denen der Tabakindustrie.

Um die Öffentlichkeit zu schützen und eine evidenzbasierte Alkoholpolitik (einschließlich der Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum) zu gewährleisten, sind strengere Schutzmaßnahmen erforderlich. Dazu gehören:

  • die Befürwortung eines Rahmenübereinkommens zur Alkoholkontrolle, um die Einflussnahme der Industrie zu begrenzen,
  • die Verschärfung der Vorschriften für politische Lobbyarbeit, Spenden sowie den Wechsel zwischen Regierung und Industrie, um sicherzustellen, dass die Alkoholpolitik dem öffentlichen Interesse dient,
  • die Verhinderung der Verbreitung irreführender Informationen durch die Alkoholindustrie an Kinder und die Öffentlichkeit sowie
  • die Anerkennung und Umsetzung der zunehmenden Erkenntnisse über die schädlichen Auswirkungen von Alkohol auf Konsument*innen und Gesellschaft.

Neue Beweise für die schädlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums

Viele von uns sind mit der Überzeugung aufgewachsen, dass eine kleine Menge Alkohol gut für die Gesundheit sein kann. Allerdings zeigen immer mehr Forschungsergebnisse aus den letzten zehn Jahren, dass diese Annahme nicht nur falsch ist, sondern dass Alkoholkonsum weitaus schädlicher ist als bisher angenommen.

Forscher*innen erkennen nun, dass Studien, die gesundheitliche Vorteile von Alkohol behaupten, mehrere wesentliche methodische Mängel aufweisen. Wenn diese Probleme berücksichtigt werden, finden Studien durchweg keine Vorteile für die Gesundheit. Die Beweise zeigen außerdem eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Alkoholkonsum und der Entwicklung vieler chronischer Gesundheitsprobleme: Je mehr Alkohol eine Person konsumiert, desto höher ist ihr Risiko. Dieses erhöhte Risiko für Krankheiten und vorzeitigen Tod besteht selbst bei geringem Alkoholkonsum. Infolgedessen wächst unter Forscher*innen, Kliniker*innen und Organisationen im Bereich der öffentlichen Gesundheit der Konsens, dass es keinen sicheren Alkoholkonsum gibt. Diese neuen Erkenntnisse sind besonders relevant für die Māori, die pazifischen Inselbewohner*innen und andere Gemeinschaften, die unverhältnismäßig stark unter den Schäden durch Alkohol leiden.

Überarbeitung der Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum

Die Bereitstellung klarer, genauer Informationen über alkoholbedingte Schäden unterstützt die Öffentlichkeit dabei, fundierte Entscheidungen zum Alkoholkonsum zu treffen. Die Bereitstellung klarer, evidenzbasierter Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum ist eine Möglichkeit für die Regierung, ihre Verantwortung wahrzunehmen und gleichzeitig die Selbstbestimmung der Māori in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden gemäß dem Vertrag von Waitangi anzuerkennen. Die Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum geben der Öffentlichkeit eine Orientierung, wie viel Alkohol sie trinken können, bevor das Risiko von Schäden steigt. Da die Erkenntnisse über alkoholbedingte Schäden in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen haben, haben mehrere Länder ihre Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum aktualisiert. Aktuelle Empfehlungen lauten: nicht mehr als 14 Getränke im Vereinigten Königreich, nicht mehr als 10 in Australien und nicht mehr als zwei in Kanada.

Die 2011 eingeführten Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum von Aotearoa Neuseeland empfehlen eine wöchentliche Höchstmenge von nicht mehr als 15 Getränken für Männer und 10 Getränken für Frauen sowie eine Höchstmenge von nicht mehr als fünf Getränken für Männer und vier Getränken für Frauen pro Gelegenheit. Angesichts des Alters unserer Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum und der sich häufenden Erkenntnisse über die Schädlichkeit von Alkohol hat Health New Zealand Te Whatu Ora im Jahr 2024 eine Überprüfung unserer Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum eingeleitet. Diese Überprüfung ist zwar ein positiver Schritt, doch ist sich die Öffentlichkeit möglicherweise einer großen Gefahr für ihre Integrität nicht bewusst: der Einmischung der Alkoholindustrie.

Hinweise auf Einflussnahme der Alkoholindustrie

Alkoholkonsum wird oft als »blinder Fleck« in der Gesundheitspolitik bezeichnet, unter anderem weil die Alkoholindustrie ähnliche Taktiken wie einst die Tabakindustrie anwendet, um die Öffentlichkeit zu verwirren und Maßnahmen gegen die alkoholbedingten Schäden zu verzögern. Diese Vorgehensweisen sind im Zusammenhang mit den kommerziellen Determinanten der Gesundheit gut bekannt, wo mächtige Industrien Politik, Forschung und öffentliches Verständnis so beeinflussen, dass ihre kommerziellen Interessen auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung geschützt werden. Diese Taktiken kommen in der Regel in drei spezifischen Bereichen zum Einsatz.

  1. Erstens versucht die Alkoholindustrie, Einfluss auf die globale und nationale Politikgestaltung im Bereich der Schadensminderung zu nehmen. Sie spricht sich gegen koordinierte globale Ansätze zur Reduzierung alkoholbedingter Schäden aus und fördert stattdessen lokale, industriefreundliche Lösungen. Außerdem arbeitet sie daran, die Regulierung der Alkoholwerbung zu schwächen, Lobbyarbeit bei Regierungsbeamt*innen zu betreiben, um diese dazu zu bewegen, in ihrem Interesse zu handeln, alkoholbedingte Schäden als Problem der persönlichen Verantwortung darzustellen, »unabhängige« PR-Organisationen zu gründen, die die Narrative der Industrie verbreiten, um politische Diskussionen zu beeinflussen, und hat sogar Entwürfe für staatliche Alkoholpolitik vorgelegt.
  2. Zweitens versucht die Alkoholindustrie, die Beweise für die alkoholbedingten Schäden zu beeinflussen oder zu verschleiern. Zu den Strategien gehören die Vereinnahmung staatlich finanzierter Forschungsinitiativen, die Finanzierung eigener Forschungsprojekte, die Unterstützung von Forscher*innen, die die Beweise für die alkoholbedingten Schäden herunterspielen und die angeblichen Vorteile des Alkoholkonsums hervorheben, die Schaffung von »Kontroversen« in der wissenschaftlichen Literatur, um den wissenschaftlichen Konsens zu untergraben, und die Förderung von »Lösungen«, die die alkoholbedingten Schäden nicht verringern.
  3. Drittens versucht die Alkoholindustrie, die öffentliche Wahrnehmung der durch Alkohol verursachten Schäden zu beeinflussen. Sie finanziert oder gründet Wohltätigkeitsorganisationen und gemeinnützige Einrichtungen, die Beweise für alkoholbedingte Schäden, einschließlich Zusammenhänge mit Krebs und Risiken während der Schwangerschaft, verschweigen oder falsch darstellen. Außerdem bietet sie »Alkoholaufklärungsprogramme« an Schulen an, die den Alkoholkonsum normalisieren, Beweise verschweigen oder falsch darstellen und die Schuld auf einzelne Alkoholkonsument*innen abwälzen.

Die Alkoholindustrie hat ein klares wirtschaftliches Interesse daran, den Alkoholkonsum aufrechtzuerhalten oder zu steigern, und sie arbeitet aktiv daran, Bemühungen zur Verringerung alkoholbedingter Schäden zu untergraben. Die Alkoholpolitik in Aotearoa Neuseeland ist bereits ernsthaft durch den Einfluss der Industrie gefährdet, und die jüngsten Enthüllungen über eine »Drehtür« und enge Beziehungen zwischen der Industrie und Entscheidungsträger*innen in der Regierung verstärken diese Besorgnis nur noch.

Verringerung des Einflusses der Alkoholindustrie auf die öffentliche Gesundheitspolitik

Wir können den Einfluss der Alkoholindustrie minimieren – und evidenzbasierte Alkoholpolitik und Gesundheitsempfehlungen besser unterstützen, indem wir:

  • uns für ein Rahmenübereinkommen zur Alkoholkontrolle einsetzen, das sich an das Rahmenübereinkommen der WHO zur Tabakkontrolle anlehnt, welches die Umsetzung politischer Maßnahmen erfolgreich unterstützt, den Tabakkonsum und die damit verbundenen Schäden reduziert und den Einfluss der Tabakindustrie weltweit begrenzt hat.
  • strengere Kontrollen und eine transparente Überwachung der politischen Lobbyarbeit und Spenden aus der Privatwirtschaft einführen, einschließlich »Abkühlungsphasen«, um den Wechsel zwischen Regierungsämtern und Branchen mit Eigeninteressen zu erschweren. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass die Alkoholpolitik dem öffentlichen Interesse dient und nicht kommerziellen Gewinnen.
  • Fehlinformationen durch die Industrie verhindern, indem wir die Beteiligung der Alkoholindustrie an schulischen Bildungsprogrammen verbieten und die Regulierung der Alkoholwerbung und öffentlichkeitswirksamer »Aufklärungsinitiativen« verschärfen.
  • die Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum von Aotearoa Neuseeland aktualisieren, um den wachsenden Erkenntnissen Rechnung zu tragen, dass jeder Alkoholkonsum Gesundheitsrisiken für Einzelpersonen und Gemeinschaften mit sich bringt.
Titelseite 'Reconsidering our low-risk alcohol advice: The dark influence of the alcohol industry'.

Was dieses Briefing hinzufügt

  • Forschungsergebnisse zeigen nun, dass es keinen sicheren Alkoholkonsum gibt und dass bereits bei geringem Konsum Gesundheitsschäden auftreten.
  • Aotearoa Neuseeland überprüft derzeit seine Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum, nachdem mehrere andere Länder kürzlich ähnliche Schritte unternommen und ihre Empfehlungen aktualisiert haben.
  • Der Einfluss der Alkoholindustrie auf Regierungsführung, Forschung und Politik stellt ein Risiko für die Integrität und die Ergebnisse der Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum dar, wenn er nicht kontrolliert wird.
  • Dieser Einfluss kann durch strengere Vorschriften für den Zugang zur Politik und Lobbyarbeit, durch die Verhinderung der Beteiligung der Industrie an der Aufklärung und Information der Öffentlichkeit über die alkoholbedingten Schäden sowie durch die Anerkennung der zunehmenden Erkenntnisse, dass alkoholbedingte Schäden sowohl Einzelpersonen als auch Gemeinschaften betreffen, verringert werden.

Auswirkungen auf Politik und Praxis

  • Aotearoa Neuseeland sollte seine Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum aktualisieren, um den aktuellen internationalen Erkenntnissen Rechnung zu tragen und sich an den weltweit besten Praktiken auszurichten.
  • Die Alkoholindustrie sollte davon ausgeschlossen werden, Einfluss auf politische Entscheidungsträger*innen und die Gesundheitspolitik zu nehmen, und daran gehindert werden, Kinder und die Öffentlichkeit über alkoholbedingte Schäden aufzuklären oder zu informieren.

Neuseeland: Regierungsbeamte arbeiten für Alkoholindustrie

Ein Mann in einem dunklen Anzug hält seine Hände mit gespreizten Fingern vor sich. Von seinen Fingern laufen dünne, weiße Fäden nach unten, die an unsichtbaren Marionetten oder Puppen ziehen. Der Hintergrund ist schwarz, was den Fokus auf die Hände und die Fäden lenkt. Das Bild symbolisiert Kontrolle oder Manipulation.

Anonym zugespielte Informationen, die an die Health Coalition Aotearoa weitergeleitet wurden, deuten darauf hin, dass hochrangige Beamte des Gesundheitsministeriums, die für die Strategie im Bereich der öffentlichen Gesundheit zuständig sind, eng mit Lobbyist*innen der Alkoholindustrie zusammenarbeiten, um Pläne zur Bekämpfung alkoholbedingter Schäden zu entwickeln.

Haltet die Alkoholindustrie von der Planung der Gesundheitspolitik fern!

Ein gesichtsloser Mann im Anzug hebt hinter seinem Schreibtisch sitzend abwehrend die Hände, während ein Unbekannter einen gefüllten Umschlag über den Tisch ins Bild reicht.

Das Institute of Alcohol Studies (IAS) fordert die britische Regierung auf, die Alkoholindustrie von der Ausarbeitung von Plänen zur Verringerung alkoholbedingter Schäden auszuschließen, da sie sich in der Vergangenheit in derartige Initiativen »eingemischt« habe. Der Aufruf der Gesundheitsexpert*innen kommt kurz nachdem die Zahl der direkt auf Alkoholkonsum zurückzuführenden Todesfälle im Vereinigten Königreich einen neuen Rekordwert von mehr als 10.000 pro Jahr erreicht hat.

Getränkehersteller und von der Industrie finanzierte Gruppen wie die Portman Group und Drinkaware sollten auf Distanz gehalten werden, da ihr Wunsch, den Absatz zu maximieren, einen ernsthaften Interessenkonflikt darstelle, so der Think Tank des Institute of Alcohol Studies.