Zweiteiliges Foto: links Blick in den Konferenzsaal aufs Podium aus Teilnehmerperspektive, rechts Eurocare-Positionspapier zur Tagung auf Konferenztisch.

Auf Einladung des Europaabgeordneten Nicolás González Casaresa organisierte die Europäische Allianz für Alkoholpolitik Eurocare mit Unterstützung von The Lancet Ende Juni eine Konferenz im Europäischen Parlament mit dem Titel: »Fördert die EU eine industrielle Epidemie?«. Themen waren die kommerziellen Determinanten von Gesundheit, Alkoholetikettierung und Gesundheitswarnungen sowie die damit verbundenen Interessenkonflikte.

Gesundheit beginnt nicht in Kliniken oder Krankenhäusern, genauso wenig wie Gerechtigkeit vor Gericht oder Frieden auf dem Schlachtfeld beginnt. Gesundheit beginnt vielmehr mit den Bedingungen, unter denen wir geboren werden und aufwachsen, in Schulen, Straßen, am Arbeitsplatz, in Wohnungen, auf Märkten, in Wasserquellen, in Küchen und in der Luft, die wir atmen.«
Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation

Seit Jahrzehnten häufen sich die Beweise dafür, dass die Produkte und Praktiken bestimmter Wirtschaftsakteure, insbesondere transnationaler Unternehmen, für den Anstieg vermeidbarer Krankheiten, die Schädigung des Planeten sowie für soziale und gesundheitliche Ungleichheiten verantwortlich sind. Sie wirken sich auf ein breites Spektrum von Risikofaktoren aus, darunter Rauchen, Luftverschmutzung, Alkoholkonsum, Übergewicht und Bewegungsmangel, sowie auf gesundheitliche Folgen wie psychische Gesundheit und nichtübertragbare Krankheiten. Die Herstellung, Preisgestaltung und gezielte Vermarktung von Produkten wie Muttermilchersatzprodukten, ungesunden Lebensmitteln und Getränken, Tabak und Alkohol sowie Glücksspielen führen nachweislich zu psychischen Problemen und Abhängigkeiten sowie zu nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und Krebs, Bluthochdruck und Übergewicht.

Auf dieser hochrangigen Konferenz wurde zunächst erläutert, was unter kommerziellen Determinanten der Gesundheit zu verstehen ist. Anschließend wurden einige wirksame Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit erörtert, die insbesondere in Bezug auf die Verpackung und Kennzeichnung von Alkohol ergriffen werden könnten, um den kommerziellen Determinanten der Gesundheit entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang wurden auch viele Fragen im Zusammenhang mit Lobbying und unzulässiger Einflussnahme des Unternehmenssektors auf EU- und nationaler Ebene diskutiert, insbesondere in Bezug auf Angebot und Nachfrage von ungesunden Produkten.

Dr. Nason Maani
Dr. Nason Maani

Welche Auswirkungen haben die kommerziellen Determinanten der Gesundheit auf die Politik und das öffentliche Verständnis? Dr. Nason Maani, Dozent für Ungleichheiten und globale Gesundheitspolitik an der Abteilung für globale Gesundheitspolitik der Universität Edinburgh, betrachtete Unternehmenspraktiken und unsere Gesundheit anhand von Mustern und Parallelen.

Unsere Gesundheit wird in hohem Maße von der Welt um uns herum beeinflusst – von den Bedingungen, unter denen wir aufwachsen, arbeiten und leben. Zu diesen Bedingungen gehören die wirtschaftlichen Determinanten von Gesundheit, die Aktivitäten des privaten Sektors, die unser physisches und soziales Umfeld beeinflussen, das Wissen und die Lösungen, die uns zur Verfügung stehen, und sogar die Art und Weise, wie wir über wichtige gesundheitliche und soziale Fragen sprechen und sie verstehen.«
Dr. Nason Maani
Prof. Anna Gilmore
Prof. Anna Gilmore

Prof. Anna Gilmore, Professorin für öffentliche Gesundheit, Leiterin der Forschungsgruppe für Tabakkontrolle an der Universität Bath. präsentierte die Lancet-Reihe über die wirtschaftlichen Determinanten von Gesundheit (CDoH) und half, das Systemproblem und die Notwendigkeit von Veränderungen zu verstehen.

Ich hoffe, dass diese Serie dazu beiträgt, dass die medizinische Gemeinschaft den massiven Einfluss kommerzieller Akteure auf die Gesundheit erkennt. Gegenwärtig sind es die Produkte und Praktiken großer Unternehmen, die viele ihrer Patient*innen umbringen, und ein Großteil davon ist durchaus vermeidbar.
Die Angehörigen der Gesundheitsberufe müssen sich dem Ruf nach Veränderung anschließen und die Regierungen zum Handeln drängen, nicht zuletzt deshalb, weil die Gesundheitssysteme nicht in der Lage sind, die Krankheitslast und die damit verbundenen Kosten zu tragen, die derzeit von einigen Unternehmen verursacht werden.«
Prof. Anna Gilmore

Auf dem Weg zu neuen politischen und wirtschaftlichen Modellen

Containerschiff im Meer aus Vogelperspektive

The Lancet hat eine neue Reihe veröffentlicht, die sich mit den kommerziellen Determinanten der Gesundheit befasst. Die Serie enthält Empfehlungen und Rahmenwerke für ein besseres Verständnis der kommerziellen Welt und möglicher Wege zu gesundheitlichen Schäden oder Vorteilen. Sie unterstreicht auch die Notwendigkeit von Regulierungsmaßnahmen und Investitionen in Maßnahmen zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden.

Welchen Einfluss haben Industrielobbys auf politische Entscheidungsträger auf EU- und nationaler Ebene? Diese Frage beantworteten Koen Roovers, Generalsekretariat des Europäischen Bürgerbeauftragten, Tina Van Havere, Beraterin des belgischen Gesundheitsministers Frank Vandenbroucke, und Dr. Carina Ferreira-Borges, WHO-Regionalbüro für Europa, Programmmanagerin für Alkohol, illegale Drogen und Gesundheit im Strafvollzug, anhand ihrer eigenen Erfahrungen.

Wir haben ein pathologisches System geschaffen, in dem kommerzielle Akteure zunehmend in der Lage sind, Schäden zu verursachen und deren Kosten zu externalisieren«
Dr. Carina Ferreira, Weltgesundheitsorganisation
Die Transparenz der Lobbyarbeit und ethische Regeln auf EU-Ebene sind von entscheidender Bedeutung.«
Koen Roovers, Generalsekretariat des Europäischen Bürgerbeauftragten

Irische Warnhinweise für ganz Europa gefordert

Rob Cunningham von der Kanadischen Krebsgesellschaft berichtete, wie sie die Einmischung der Tabakindustrie überwunden haben und skizzierte die Geschichte der dortigen grafischen Warnhinweise auf Tabakprodukten. Prof. Karine Galopel Morvan, Professorin für Sozialmarketing an der EHESP School of Public Health und Honorarprofessorin an der Universität Stirling, erläuterte, was grafische Warnhinweise wirksam macht.

Kanadas erfolgreiche Strategie zur Verringerung des Tabakkonsums ist ein Beweis dafür, dass Regierungen ein ähnliches Konzept anwenden könnten, um den Alkoholkonsum einzudämmen: Warnhinweise, Gesetzgebung, Einschränkung von Werbung und Sponsoring, Kampagnen für die öffentliche Gesundheit sowie höhere Steuern auf das Produkt selbst.

Aber alles beginnt mit einer veränderten Wahrnehmung. Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als unsere Restaurants, Bars und Flugzeuge noch voller Rauch waren? In nur einer Generation ist es Regierungen und Gesundheitsbehörden gelungen, unser Verhältnis zu einem der beliebtesten Konsumgüter aller Zeiten zu verändern. In Kanada beispielsweise sank der Anteil der Raucher*innen von über 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung im Jahr 1965 auf etwa 13 Prozent im Jahr 2022.

Titelseite von 'Alcohol Labelling & Health Warnings'

Eurocare nutzte die Veranstaltung, um sein Positionspapier zur Alkoholkennzeichnung zu veröffentlichen. Darin wird die Europäische Kommission aufgefordert, den bis Ende 2022 angekündigten Vorschlag für eine obligatorische Alkoholkennzeichnung in der EU zu veröffentlichen (mit Nährwert- und Inhaltsstoffangaben auf dem Etikett wie bei allen anderen Lebensmitteln und Getränken, die an Verbraucher*innen verkauft werden). Darüber hinaus fordert Eurocare Gesundheitswarnungen für Alkohol, unterstützt durch die Einrichtung einer EU-Bibliothek für solche Warnungen.

Ein offener Brief, unterzeichnet von 68 führenden Organisationen der Zivilgesellschaft, wurde an die Präsidentin der Europäischen Kommission gesandt. Darin wird die Europäische Kommission aufgefordert, den Vorschlag zur Alkoholkennzeichnung so schnell wie möglich zu veröffentlichen, sich nicht länger von Wirtschaftsakteuren beeinflussen zu lassen und für das Recht der EU-Bürger*innen auf grundlegende Gesundheitsinformationen über Alkohol einzutreten«, so Florence Berteletti, Generalsekretärin von Eurocare.

Zivilgesellschaft fordert unverzügliche Veröffentlichung des Vorschlags der Europäischen Kommission zur verpflichtenden Kennzeichnung von Alkohol

Logos der 68 unterzeichnenden Verbände. Text in gelbem Button: Taugt nur auf Etiketten. Weiterer Text: Zivilgesellschaftliches Bündnis fordert eine Kennzeichnungslösung, die das Recht der europäischen Bürger*innen auf Information respektiert: AUF Etiketten. Text in blauem Kreis: Lesen Sie den Brief an die EU-Kommissar*innen.

Ein breites Bündnis führender Vertreter*innen der europäischen Zivilgesellschaft hat sich in einem Brief an hochrangige EU-Beamte und Kommissionsmitglieder gewandt und die EU aufgefordert, das Recht der Bürger*innen auf Informationen über Alkohol und Gesundheit zeitnah zu respektieren.

Diese Forderung wurde in einem offenen Brief an hochrangige EU-Politiker*innen formuliert, der von 68 führenden Vertreter*innen der Zivilgesellschaft aus ganz Europa unterzeichnet und von der European Alcohol Health Policy Alliance (Eurocare) koordiniert wurde.

Irland führt als erstes Land verpflichtende Gesundheitswarnungen auf alkoholischen Produkten ein

Paar betrachtet Etikett auf Weinflasche vor Supermarktregal. Eingeblendet zwei Fotos von Kristína Šperková und Sheila Gilheany.

Irland konnte endlich das Recht seiner Bürger*innen auf klare und präzise Warnungen vor den schädlichen Auswirkungen von Alkohol auf allen alkoholischen Produkten durchsetzen. Seit der ersten Bekanntgabe dieses Gesetzesvorschlags in der EU übt die Alkoholindustrie massiven Druck aus, um diese Entscheidung zu Fall zu bringen.

Getränke wie Milch, Erfrischungsgetränke sowie alkoholfreie und alkoholarme Getränke mit einem Alkoholgehalt von weniger als 0,5 beziehungsweise 1,2 Volumenprozent müssen den Verbraucher*innen bereits Kalorien- und Inhaltsstoffangaben liefern. Getränke über diesem Alkoholgehalt sind jedoch von den normalen Kennzeichnungsvorschriften ausgenommen. Aufgrund der fehlenden Kennzeichnung von Alkoholprodukten wissen nur wenige Verbraucher*innen, dass ein großes Bier in der Regel etwa ein Zehntel der täglichen Kalorienzufuhr enthält. Außerdem können sie die Zutatenliste nicht überprüfen, um unerwünschte Zusatzstoffe zu vermeiden.

Derzeit sind 97 % der Wein- und über 75 % der Spirituosenerzeugnisse nicht mit Angaben zu den Inhaltsstoffen versehen. Die Hersteller*innen möchten lieber keine Informationen weitergeben, die die Verbraucher*innen vom Kauf ihrer Produkte abhalten könnten, und letztere können sich daher nicht darauf verlassen, dass sie diese Angaben bekommen.

Die Europäische Kommission hat 2017 keine objektiven Gründe für die derzeitige Ausnahmeregelung gefunden. In ihrem Plan zur Krebsbekämpfung bis 2021 räumt sie der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Auswirkungen von Alkohol auf die Krebsrate hohe Priorität ein, wobei die Kennzeichnung eine der wichtigsten Maßnahmen ist.

Quelle: EuroCare

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