BECA-Berichterstatterin Véronique Trillet-Lenoir

Am 9. Dezember hat der Sonderausschuss des Europäischen Parlaments zur Krebsbekämpfung (BECA) seine endgültigen Vorschläge zur Stärkung der Rolle der Europäischen Union (EU) im Kampf gegen den Krebs angenommen. Zwei dieser Vorschläge befassen sich speziell mit der Rolle des Alkohols bei der Entstehung von Krebs.

Der Bericht beleuchtet verschiedene Aspekte alkoholpolitischer Maßnahmen, die von der Einführung von Gesundheitswarnungen auf alkoholischen Getränken über die Erkenntnis, dass es kein sicheres Maß an Alkoholkonsum gibt, bis hin zum Verbot von Alkoholsponsoring im Sport reichen.

Im vergangenen Jahr hat der BECA-Ausschuss eine Reihe konkreter gesundheitspolitischer Empfehlungen ausgearbeitet, um die Widerstandsfähigkeit der EU im Kampf gegen Krebs zu stärken. Diese Empfehlungen wurden in einem Eigeninitiativbericht (INI-Bericht) mit dem Titel »Stärkung Europas im Kampf gegen den Krebs« vorgelegt. Der Bericht wurde insgesamt mit 29 Ja-Stimmen, einer Gegenstimme und vier Enthaltungen angenommen.

Unser wichtigster Hebel ist eine ehrgeizige, multidisziplinäre, unabhängige, koordinierte und angemessen finanzierte europäische Forschung, die sich in hohem Maße auf den Austausch von Daten und künstliche Intelligenz stützt«, erklärte BECA-Berichterstatterin Véronique Trillet-Lenoir (Renew Europe, FR).
»Prävention, Pflege und Forschung werden durch ein Europäisches Wissenszentrum gewährleistet, das ein virtuelles ›Europäisches Krebsinstitut‹ darstellt.«

Alkoholpolitische Maßnahmen im Bericht

Die Empfehlungen zum Thema Alkohol sind ein positiver Schritt in die richtige Richtung für eine bessere Krebsprävention durch Alkoholpolitik. Der Bericht beleuchtet verschiedene Aspekte alkoholpolitischer Maßnahmen, die von der Einführung von Gesundheitswarnungen auf alkoholischen Getränken über die Erkenntnis, dass es kein sicheres Maß an Alkoholkonsum gibt, bis hin zum Verbot des Alkoholsponsorings im Sport reichen.

  • BECA begrüßt das Ziel der Europäischen Kommission, den Pro-Kopf-Alkoholkonsum bis 2025 um mindestens 10 % zu senken.
  • BECA erinnert daran, dass Alkoholkonsum ein Risikofaktor für viele verschiedene Krebsarten ist.
  • BECA verweist auf die von der WHO zitierte Studie, in der anerkannt wird, dass es kein sicheres Maß an Alkoholkonsum gibt, wenn es um die Krebsprävention geht.
  • BECA unterstützt die Kennzeichnung von alkoholischen Getränken mit Gesundheitswarnungen (auf dem Etikett oder digital).
  • BECA unterstützt die obligatorische Kennzeichnung von alkoholischen Getränken mit einer Liste der Inhaltsstoffe und Nährwertangaben (auf dem Etikett oder digital).
  • BECA fordert das Verbot von Alkoholwerbung bei Sportveranstaltungen, wenn diese hauptsächlich von Minderjährigen besucht werden.
  • BECA fordert ein Verbot des Alkoholsponsorings im Sport.
  • BECA hält es für wichtig, Minderjährige vor kommerzieller Kommunikation über Alkoholkonsum zu schützen, auch im digitalen Umfeld.
  • BECA hält es für wichtig, Minderjährige vor Produktplatzierung und Sponsoring von Alkoholmarken zu schützen, auch im digitalen Umfeld.

Was ist ein Initiativbericht, und warum ist er wichtig?

Ein Initiativbericht (INI-Bericht) ist ein Bericht des Europäischen Parlaments. Ein parlamentarischer Ausschuss schlägt einen Bericht zu einem Thema vor, das seiner Meinung nach neue EU-Rechtsvorschriften und Aufmerksamkeit erfordert. Wenn der parlamentarische Ausschuss eine Einigung im Ausschuss erzielt hat, wird der Bericht dem Plenum vorgelegt, wo alle Mitglieder des Europäischen Parlaments über ihn abstimmen und ihn annehmen.

Der Bericht hat einen beratenden Charakter; er hat also kein rechtliches Gewicht. Trotzdem werden INI-Berichte als wichtiger Vorläufer für die Einleitung von EU-Gesetzgebungsverfahren angesehen.

Der vom BECA-Ausschuss vorgelegte Bericht »Stärkung Europas im Kampf gegen den Krebs« hat eine solide Grundlage für die künftige Gesundheitspolitik geschaffen. Darüber hinaus stellt der Bericht fest, dass die Alkoholpolitik ein Schlüsselelement der Krebsprävention in der Europäischen Union ist. Daher dürfen die im Bericht vorgestellten alkoholpolitischen Lösungen in künftigen Legislativdokumenten nicht außer Acht gelassen werden.

BECA-Mitglied Antoni Comín I Oliveres unterstreicht die Bedeutung des jüngsten Berichts:

Die Kommission wird diesen Bericht nicht ignorieren können«.

Einmischung der Alkoholindustrie in die Gesundheitspolitik aufdecken

Die Alkoholindustrie ist seit langem ein Hindernis für die Umsetzung von evidenzbasierten alkoholpolitischen Lösungen im Europäischen Parlament. Einige Mitgliedstaaten, insbesondere die Wein produzierenden Länder, stellen die Profite der Alkoholindustrie oft über die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung. Dieser Interessenkonflikt hat eine evidenzbasierte Politikgestaltung oft zum Scheitern gebracht.

Die Lobby der Alkoholindustrie hat sich auch in die Entwicklung des neuen BECA-Berichts eingemischt.

Während der politischen Verhandlungen ist es der Alkoholindustrie und ihren Lobbyisten im Parlament gelungen, alkoholpolitische Maßnahmen in einer Weise zu verwässern, die Daten und Wissenschaft untergräbt. Außerdem hat die Alkoholindustrie versucht, den Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebs zu verharmlosen.

Die Produkte und Praktiken der Alkoholindustrie sind ein großes Problem für die öffentliche Gesundheit.

  • 2020 waren weltweit mehr als 740.000 Krebsfälle auf Alkoholkonsum zurückzuführen.
  • In Europa ist Brustkrebs die am häufigsten diagnostizierte Krebsart, und Alkohol ist einer der größten Risikofaktoren dafür.

Neue Studie veranschaulicht weltweite Krebsbelastung durch Alkohol

Kellner präsentiert Flasche mit Aufschrift "Alkohol macht Krebs. Keine sichere Menge"

Eine neue Studie zeigt, dass Alkohol im Jahr 2020 weltweit über 740.000 Krebsfälle oder 4 % aller Krebsfälle verursacht hat.

Die Forscher*innen rufen dazu auf, das Bewusstsein für das Krebsrisiko von Alkohol in der Öffentlichkeit und bei politischen Entscheidungsträger*innen zu erhöhen. Sie empfehlen alkoholpolitische Lösungen, einschließlich Preispolitik, Marketingverbote und Gesundheitswarnhinweise, um die Erschwinglichkeit von Alkohol zu verringern und die Krebsbelastung durch Alkohol zu reduzieren.

Merkblatt – 5 Fakten über Alkohol und Krebs

Kopf des WHO-Merkblatts (in englischer Sprache)

Dieses Infoblatt enthält fünf wichtige Fakten für politische Entscheidungsträger, Angehörige der Gesundheitsberufe und die allgemeine Öffentlichkeit über die Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und einer Reihe von Krebsarten.

Ein erhöhter Alkoholkonsum führt zu vermehrten negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, aber auch zu höheren Umsätzen für die Alkoholindustrie, wodurch die Interessen der öffentlichen Gesundheit in einen direkten Konflikt mit den Interessen der Unternehmen geraten.

Unmittelbar nach der Ankündigung des Europäischen Plans zur Krebsbekämpfung begann die Alkoholindustrie, gegen die darin enthaltenen alkoholpolitischen Maßnahmen zu lobbyieren. So mobilisierte die Alkohollobby beispielsweise sofort gegen die Empfehlung, in der EU Krebswarnhinweise auf Alkoholprodukten einzuführen.

Daher empfehlen die Weltgesundheitsorganisation und ihre Globale Alkoholstrategie, dass die Alkoholindustrie nicht in die Gestaltung der öffentlichen Gesundheitspolitik, wie die BECA-Verhandlungen, einbezogen wird.

EU: Alkoholindustrie lobbyiert gegen Alkohol-Gesund­heits­warnungen

Silhouette eines Mannes vor Bürofenster

Die Europäische Union (EU) überlegt, welche Gesundheitswarnhinweise auf Alkoholprodukten angebracht werden sollen, und folgt damit der Anweisung des EU-Krebsbekämpfungsplans. Die Alkoholindustrie hat einen aggressiven Kampf gegen die Kennzeichnung begonnen, indem sie wissenschaftliche Erkenntnisse vernebelt und ihre eigenen Initiativen zur sozialen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) gegen diese nachweislich wirksame Maßnahme der öffentlichen Gesundheit einsetzt.

Vier Anhaltspunkte zur Erklärung des grundlegenden Interessenkonflikts der Alkoholindustrie

Bierkrüge mit Aufrschriften: maßvoll, verantwortlich, gesund

Kürzlich schickte mir ein Mitglied von Movendi International einen WhatsApp-Text, in dem es heißt »Wir können in keiner Weise mit dem Teufel zusammenarbeiten, um Dämonen aus unseren Häusern zu vertreiben.« Es war für mich ein weiteres Beispiel dafür, dass Menschen aus verschiedenen Kulturen, Religionen und mit unterschiedlichen Ursprüngen ein tiefes Verständnis und eine Sensibilität für Situationen mit widersprüchlichen Zielen und Interessen haben.

In der Welt der öffentlichen und globalen Gesundheit und Entwicklung verbirgt sich der Interessenkonflikt der Alkoholindustrie jedoch noch immer in aller Deutlichkeit.

Doch die Alkoholindustrie hat den BECA-Bericht bereits angegriffen. Insbesondere die Weinindustrie hat über ihre Lobbygruppen »Wine in Moderation« und »Comité Européen des Entreprises Vins« sofort gegen den Bericht gewettert. Die Weinindustrie attackiert die bahnbrechende »Global Burden of Disease«-Studie, die den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge zeigt, dass jede Menge Alkoholkonsum das Krebsrisiko erhöht, sowie das Konzept, dass es »kein sicheres Maß an Alkoholkonsum« gibt.

Die Wissenschaft anzugreifen und Zweifel an nachgewiesenen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu säen, ist eine wichtige Strategie der Alkoholindustrie. Eine weitere gut dokumentierte Strategie ist es, die Schuld für Alkoholschäden von ihren Produkten auf die Verbraucher:innen zu schieben.

Wie geht es weiter?

Der Bericht »Europa im Kampf gegen den Krebs stärken« wird nun dem Plenum des Europäischen Parlaments zur endgültigen Abstimmung im Februar 2022 vorgelegt.

Was ist der Sonderausschuss zur Krebsbekämpfung?

Im Juni 2020 richtete das Europäische Parlament den Sonderausschuss zur Krebsbekämpfung (BECA) ein, um den Kampf gegen den Krebs in Europa zu verstärken.

Der Ausschuss setzt sich aus 33 Abgeordneten zusammen und wird von dem Vorsitzenden Bartosz Arłukowicz (EVP, Polen) und der Berichterstatterin Véronique Trillet-Lenoir (Renew Europe, Frankreich) geleitet.

Im vergangenen Jahr hat der Ausschuss Maßnahmen und Strategien untersucht, die die EU zur Bekämpfung von Krebs unterstützen und ergreifen kann. Dabei hat der Ausschuss Konsultationen in Form von öffentlichen Anhörungen mit zahlreichen hochrangigen Sachverständigen organisiert und einen Meinungsaustausch mit nationalen Parlamenten und internationalen Organisationen wie der WHO geführt.

Das Mandat des BECA-Ausschusses wird am 23. Dezember 2021 enden.

Quelle: MOVENDI International

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