Jahrbuch Sucht 2022 - Buchtitel vor Menschenmenge

Deutschland bleibt im internationalen Vergleich weiterhin ein Hochkonsumland für Alkohol – obwohl hierzulande der Verbrauch an alkoholischen Getränken gegenüber dem Vorjahr und auch längerfristig sank: Von 14,4 Litern Reinalkohol im Jahr 1970 auf 10,2 Liter im Jahr 2019 pro Bundesbürger:in ab 15 Jahren.

Dies stellt das heute erschienene DHS-Jahrbuch Sucht 2022 fest. Neben der Aufbereitung, Analyse und Interpretation der umfassenden Datensammlung durch die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) befasst sich die aktuelle Ausgabe auch mit Sucht und Suchtmittelkonsum unter Corona-Bedingungen.

In Deutschland wird zu viel Alkohol getrunken

In einer Statistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nahm Deutschland im Jahr 2019 beim Alkoholkonsum unter 44 Nationen die 13. Position ein. Damit liegt der Verbrauch hierzulande deutlich über dem Durchschnitt der OECD-Länder pro Bürger:in ab 15 Jahren.

62.000 alkoholbedingte Todesfälle

In Deutschland starben 19.000 Frauen und 43.000 Männer an einer alkoholbezogenen Todesursache. Das entspricht 4 % aller Todesfälle unter Frauen und 9,9 % aller Todesfälle unter Männern (Zahlen für 2016).

Alkohol ist ein Zellgift. Zahlreiche körperliche Erkrankungen, zum Beispiel der Leber und auch Krebserkrankungen, sind auf den Konsum von Alkohol zurückzuführen«, so Prof. Dr. Norbert Scherbaum, Vorstandsvorsitzender der DHS.

Alkoholkonsum: am gesündesten ohne!

Forschungsergebnisse belegen: Es gibt keine gesundheitsförderliche Wirkung bestimmter alkoholischer Getränke oder geringer bis moderater Trinkmengen. Daher gilt in puncto Alkohol der Grundsatz: Am besten gar keinen Alkohol!«, so Petra Krause, Vorsitzende der Guttempler in Deutschland.

Tabak

Im Jahr 2020 rauchten in Deutschland 24 % der Frauen und 34 % der Männer ab 18 Jahren. Allein 2018 starben hierzulande 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens.

In der Tabakprävention und Tabakkontrollpolitik bleibt also noch viel zu tun. Die bisher umgesetzten Maßnahmen haben insbesondere bei jungen Menschen zu einem Rückgang des Rauchens geführt. Das ist erfreulich – aber bei weitem nicht genug«, sagt Christina Rummel, Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) anlässlich des Erscheinens des DHS Jahrbuchs Sucht 2022.

Den Tabakkonsum nachhaltig zu verringern, ist ein wichtiges Ziel der Gesundheitspolitik. Um das zu erreichen, wurde im letzten Jahr die »Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040« von einem breiten Bündnis von Gesundheits- und zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht.

Trends beim Zigarettenkonsum

Der Konsum von Fertigzigaretten sank 2021 auf 71,8&nbspMilliarden Stück (minus 2,8 % gegenüber dem Vorjahr). Damit liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei 863 Zigaretten (2020: 888 Zigaretten). Das ist der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung. Rückläufig war auch der Feinschnitt-Konsum mit 24.854 Tonnen (minus 5,6 %). Diese Menge entspricht etwa 37,3 Milliarden selbstgedrehten Zigaretten.

40 % mehr (Wasser-)Pfeifentabak-Verbrauch

Dahingegen steigerte sich der Verbrauch von Zigarren/Zigarillos um plus 1,4 % auf 2,8 Milliarden Stück im Jahr 2021. Beim (Wasser-)Pfeifentabak setzt sich der Trend der Vorjahre weiter fort: Der Konsum nahm um plus 40 % auf 8.387 Tonnen deutlich zu. Zu begründen ist dies mit der anhaltenden Beliebtheit des speziellen Wasserpfeifentabaks, der vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Shishas geraucht wird.

Hohe gesamtwirtschaftliche Kosten

Im Jahr 2021 erhöhten sich die Konsumausgaben für Tabakprodukte auf 29,4 Miiliarden Euro (plus 2,0 %). Die Einnahmen aus der Tabaksteuer stiegen leicht: um plus 0,5 % auf 14,7 Miiliarden Euro.

Die gesamtwirtschaftlichen Kosten, die auf das Rauchen zurückgehen, belaufen sich aktuellen Schätzungen zufolge in Deutschland auf 97,24 Miiliarden Euro jährlich. Die direkten Kosten (zum Beispiel für die Behandlung tabakbedingter Krankheiten) betrugen 30,32 Miiliarden Euro; die indirekten Kosten (zum Beispiel Produktivitätsausfälle) beliefen sich auf 66,92 Miiliarrden Euro (in 2018).

Glücksspiel

Die Umsätze (Spieleinsätze) auf dem legalen deutschen Glücksspiel-Markt gingen in 2020 auf 38,3 Miiliarden Euro zurück (minus 11,3 % im Vergleich zum Vorjahr). Als größtes Marktsegment verzeichneten die rund 220.000 aufgestellten gewerblichen Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben einen Rückgang des Umsatzes und Bruttospielertrags um 25,5 % auf 17,9 Miiliarden Euro beziehungsweise 4,1 Miiliarden Euro.

Bruttospielerträge gesunken

Die Bruttospielerträge des regulierten deutschen Glücksspiel-Marktes erreichten im Jahr 2020 ein Volumen von 10,112 Miiliarden Euro (minus 8,7 %). Auf dem nicht-regulierten (unerlaubten) Markt wurde ein geschätzter Ertrag von 1,568 Miiliarden Euro erzielt (minus 29 %). Die glücksspielbezogenen Einnahmen des Staates aus erlaubten Angeboten lagen 2020 bei 5,341 Miiliarden Euro (minus 1,3 %).

Sucht und Corona

Die Coronapandemie hat die psychische Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland stark beeinträchtigt. Wir wissen aus anderen Krisensituationen, dass Menschen vermehrt Suchtmittel und süchtiges Verhalten nutzen – mit dem Wunsch, Belastungen in schwierigen Zeiten auszugleichen. Daraus lässt sich allerdings nicht schlussfolgern, die Einwohnerinnen und Einwohner von Deutschland wären durch die Coronakrise süchtiger geworden. Dazu ist die Datenlage aktuell noch zu dünn«, sagt Christine Kreider, Referentin für Prävention bei der DHS.

Weniger Alkohol außer Haus

Während der Coronapandemie waren Gaststätten zeitweilig geschlossen. Zahlreiche Volksfeste und gesellige Veranstaltungen fielen aus. Und damit auch Gelegenheiten, um außer Haus Alkohol zu trinken. Die Zahl der Alkoholunfälle ging im Jahr 2020 besonders stark zurück (minus 6,8 % gegenüber dem Vorjahr). Dies lässt sich auf das veränderte Mobilitätsverhalten während der COVID-19-Pandemie zurückführen.

Vulnerable Menschen besonders betroffen

Grundsätzlich ist aus der Perspektive der Suchthilfe zu beobachten: Die Coronapandemie ist vor allem für jene Menschen eine große Belastung, die bereits zuvor psycho-sozialen oder gesundheitlichen Problemen ausgesetzt waren. So führte die Krise beispielsweise bei Menschen, deren Alkoholkonsum schon vor der Pandemie problembehaftet war, zu einer Ausweitung des Konsums in Coronazeiten. Prävention, Frühintervention, Beratung, Behandlung und Sucht-Selbsthilfe braucht es daher nun umso mehr, um Suchtgefährdete und Abhängigkeitserkrankte zu unterstützen.

Entwicklung von Suchterkrankungen

Aktuell ist es jedoch kaum möglich, Aussagen über einen möglichen Anstieg von Abhängigkeitserkrankungen zu treffen.

Für solche Erkenntnisse ist die Pandemie vergleichsweise jung‹«, erläutert die DHS-Referentin für Prävention, Christine Kreider. »Abhängigkeitserkrankungen entstehen zumeist schleichend über einen längeren Zeitraum. In den Statistiken bilden sie sich daher erst zeitverzögert ab. Fest steht allerdings schon jetzt: Wir müssen uns mehr denn je um besonders verletzliche Bevölkerungsgruppen kümmern, wie beispielsweise Kinder aus suchtbelasteten familien.«

Das Jahrbuch ist sowohl als gedrucktes Buch wie auch als PDF-Datei erhältlich bei Pabst Science Publishers.

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS)