Weinflasche mit fiktivem Warnhinweis: Alkohol kann Brustkrebs verursachen.
Screenshot aus Folge 3: Prost, Berlin!

Im Glas befindet sich eine gefährliche Droge. Und Deutschland ist ein Hochkonsumland. Das Rechercheformat »Dirty Little Secrets« des Bayerischen Rundfunks (BR) erzählt vom erbitterten Kampf um die Deutungshoheit zwischen Wissenschaft und Alkohollobby. Es geht um Seilschaften, Machtspiele und viel Geld. Drei neue Folgen von »Dirty Little Secrets« sind seit gestern in der ARD-Mediathek abrufbar.

Deutschland hat ein Alkoholproblem. Der Alkoholkonsum geht zwar seit Jahren zurück, bleibt aber auf hohem Niveau. Alkohol ist ein Gesundheitsrisiko. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge Alkohol. Investigativ-Reporter*innen des Bayerischen Rundfunks haben EU-Dokumente durchforstet. Was hat Alkohol mit Krebs zu tun? Warum gibt es auf Weinflaschen keine Warnhinweise wie auf Zigarettenschachteln? Und warum dürfen Alkoholhersteller*innen Sportveranstaltungen sponsern?

Industrie fürchtet Regulierung

Die Recherche zeigt: Die Industrie ist bereit, wenn sie Gefahr für ihr Geschäft wittert. Und sie hat Verbündete in der EU. Das Rechercheteam trifft Politiker*innen und Lobbyist*innen und zeigt, wie sie durch geschickte Einflussnahme strengere Regeln erfolgreich verhindern. In ihren Geschäftsberichten verraten die Alkoholkonzerne, wovor sie sich am meisten fürchten: Regulierung. So schreibt ein Unternehmen:

Sollte die gesellschaftliche Akzeptanz von alkoholischen Getränken deutlich sinken, könnte der Absatz (…) erheblich zurückgehen.«

Studie mit brisanten Empfehlungen verschwindet

Die Ampelregierung hat als erste Regierung seit langem ein alkoholpolitisches Vorhaben in den Koalitionsvertrag geschrieben: strengere Regeln für Alkoholwerbung. Doch passiert ist bisher nichts. Die Recherche zeigt exklusiv, wie eine Studie mit einer brisanten Empfehlung im Gesundheitsministerium verschwand.

Sind Werberegulierungen womöglich wirkungslos?

Notebook mit Diagrammen zur Geschäftsentwicklung.

Obwohl Alkoholwerbeverbote als »best buy« der Alkoholkontrollpolitik gelten, gibt es keine umfassenden systematischen Übersichten über ihre Wirksamkeit bei der Verringerung des Alkoholkonsums. Ziel dieser Arbeit war es, die Evidenz zu den Auswirkungen eines vollständigen oder teilweisen Werbeverbots für Alkohol auf den Alkoholkonsum systematisch zu untersuchen.

Ein begrenzter Forschungsansatz führt zu falschen Schlussfolgerungen

Mutter und Tochter stehen vor einer weißen Werbetafel. Darin das Zitat von DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel: Man darf Jugendliche zwar nicht zeigen, aber seien wir mal ehrlich: Werbung für Alkohol ist schon sehr jugendlich gestaltet.

Es ist enttäuschend, dass die Addiction-Publikation »Restricting alcohol marketing to reduce alcohol consumption: A systematic review of the empirical evidence for one of the best buys« (Einschränkung des Alkoholmarketings zur Verringerung des Alkoholkonsums: Ein systematischer Überblick über die empirische Evidenz für eine der besten Maßnahmen) zu der irreführenden Schlussfolgerung kommt, dass die Evidenz ein Verbot von Alkoholmarketing als »best buy« nicht rechtfertigt (obwohl sie Belege für die Auswirkungen der Exposition gegenüber Alkoholmarketing erwähnt, wie zum Beispiel den Beginn des Alkoholkonsums und einen höheren Alkoholkonsum).

Gebildete Frauen trinken regelmäßig Alkohol

Deutschland ist ein Alkoholland: Alkoholkonsum unter Aufsicht ab 14, Alkoholwerbung an jeder Ecke und Politiker*innen, die sich als Bierbotschafter*innen feiern lassen. Alkohol gehört dazu, oder wie Moderatorin Sarah Kuttner in der Doku-Serie sagt:

Selbst Politiker*innen machen Fotos mit Bier in der Hand. Nur als Beispiel: Wenn die eine Nadel im Arm hätten oder eine Kippe oder einen Joint. Das würde überhaupt nicht klar gehen. Man muss schon sagen, dass Alkohol zusammen mit Zucker die natürlichste Droge der Welt ist.«

Sarah Kuttner, Food-Journalistin Eva Biringer, Autorin Nathalie Stüben, Schriftstellerin Jovana Reisinger und Winzerin Shanna Reis setzen sich an einen Tisch und sprechen über ihre Erfahrungen mit Alkohol. Frauen trinken heute häufiger riskant Alkohol als Männer. Und: Gerade gebildete Frauen trinken regelmäßig Alkohol und riskieren damit ihre Gesundheit.

Die zweite Staffel der investigativen Doku-Reihe des Bayerischen Rundfunks arbeitet mit starken Bildern, exklusiven Interviews und aufwändigem Motion Design. Julia Schweinberger ist Moderatorin und Teil des Rechercheteams. »Dirty Little Secrets« präsentiert Recherche anders: seriell, authentisch, unterhaltsam.

Infos zur Serie:

3 × 30 Minuten
Folge 1: In Vino Veritas
Folge 2: Die Alkoholflüsterer
Folge 3: Prost, Berlin!

Autor*innen: Julia Schweinberger, Friederike Wipfler, Lennart Bedford-Strohm, Sammy Khamis, Alexander Nabert
Redaktion: Pia Dangelmayer, Verena Nierle
Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks

Alle drei Folgen, ab Mittwoch, 8. Januar 2025, in der ARD-Mediathek.

Quelle: Pressemitteilung des Bayerisxchen Rundfunks