Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erwägt, das sogenannte »betreute Alkoholtrinken« für Jugendliche unter 16 Jahren in Gaststätten abzuschaffen. Das deutsche Jugendschutzgesetz gehört zu den liberalsten Alkoholgesetzen der Welt. Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren dürfen unter Aufsicht von Eltern oder Erziehungsberechtigten Bier, Wein und weinhaltige Getränke konsumieren. Dahinter steht das von der Alkoholindustrie favorisierte Konzept, dass es besser sei, einen »verantwortungsvollen Umgang« mit Alkohol zu vermitteln, als ihn zu verbieten.
Die Anwesenheit von Erwachsenen ändert nichts an der Schädlichkeit von Alkohol für Kinder.
Lauterbach von der Sozialdemokratischen Prtei (SPD) und andere Stimmen argumentieren, dass der Schaden eines solchen Ansatzes jeden wahrgenommenen Nutzen überwiegt.
Aus gesundheitspolitischer Sicht kann es zu diesem Thema keine zwei Meinungen geben«, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). »Die Anwesenheit von Erwachsenen ändert nichts an der Schädlichkeit von Alkohol für Kinder. Deswegen sollte das sogenannte begleitete Trinken untersagt werden.«
Auch die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach von der konservativen Christlich-Sozialen Union (CSU) fordert ein Ende der bisherigen Regelung.
Es ergibt keinen Sinn, dass Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren in Kneipen oder Restaurants Alkohol konsumieren dürfen, wenn sie von einer erziehungsberechtigten Person begleitet werden«, so Gerlach.
Inzwischen hat auch die Berliner sozialdemokratische Gesundheitssenatorin Ina Czyborra einen Kurswechsel aus gesundheitlichen Gründen gefordert und hinzugefügt, dass die Altersgrenze von 18 Jahren in der teilweisen Legalisierung von Cannabis in Deutschland in Widerspruch zum Alkoholgesetz stehe. Czyborra fügte hinzu, dass Alkoholkonsum die körperliche und geistige Entwicklung junger Menschen in hohem Maße gefährde.
Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) bezeichnete die Praxis in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung kürzlich als »völlig falsches gesellschaftliches Signal«. Je früher mit dem Alkoholkonsum begonnen werde, desto problematischer sei das Verhalten im Erwachsenenalter.
Begleitetes Trinken verharmlost den Alkoholkonsum und gehört abgeschafft.«
Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) hatte sich im Juni mit dem Thema befasst und beschlossen, dass Expert*innen die Regelungen des Jugendschutzgesetzes bis November noch einmal genauer unter die Lupe nehmen sollen. Der Vorstoß dazu kam im April aus Mecklenburg-Vorpommern: Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) hatte ein mögliches Verbot des begleiteten Trinkens in die GKM eingebracht. Diese nahm den Antrag einstimmig an.
Auch Christina Rummel, Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), fordert ein Verbot des begleiteten Alkoholkonsums.
Je früher der Alkoholkonsum beginnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Sucht und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, diese Sucht zu überwinden«, warnte Rummel.
Die DAK-Gesundheit begrüßt die Debatte: Begleitetes Trinken gehöre auf den Prüfstand, sagte Kassenchef Andreas Storm. »Wir wissen aus der Forschung: Je früher Jugendliche mit dem Alkoholtrinken anfangen, desto größer ist das Risiko, dass sie im Erwachsenenalter ein problematisches Alkoholkonsumverhalten entwickeln«.
Der Zugang zu Alkohol durch die Eltern senkt die Hemmschwelle, mit dem Alkoholkonsum anzufangen.
Besorgniserregende Trends beim Substanzkonsum Jugendlicher
Ein neuer Bericht des WHO-Regionalbüros für Europa zeigt ein besorgniserregendes Bild des Substanzkonsums unter Jugendlichen in ganz Europa, Zentralasien und Kanada. Alkohol ist die am häufigsten konsumierte Substanz unter Jugendlichen, und in vielen Ländern konsumieren Mädchen inzwischen mehr Alkohol als Jungen. Mehr als die Hälfte der befragten 15-Jährigen hat bereits Alkohol konsumiert, was die Risiken für junge Menschen deutlich macht.
Die neuen Daten aus der HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children – Gesundheitsverhalten von Kindern im Schulalter) zeigen auch, dass sich die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Substanzkonsum verringern, was die Notwendigkeit von Präventionsstrategien wie Alkoholsteuern und Altersgrenzen für Alkohol unterstreicht. Die langfristigen Folgen dieser Trends sind erheblich, und die politischen Entscheidungsträger*innen können es sich nicht leisten, diese alarmierenden Ergebnisse zu ignorieren.
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Wie ansteckend ist Alkoholkonsum?
Die Forscher*innen verwenden Längsschnittdaten sozialer Netzwerke aus der Framingham Heart Study, um zu untersuchen, inwieweit der Alkoholkonsum durch die Netzwerkstruktur beeinflusst wird.
6.000 Klinikeinweisungen wegen starken Alkoholkonsums
Noch immer würden jedes Jahr zu viele Kinder und Jugendliche wegen Alkoholkonsums im Krankenhaus behandelt. Die DAK verwies auf eigene Erhebungen, wonach hochgerechnet im Jahr 2023 bundesweit rund 6.000 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren wegen exzessiven Alkoholkonsums in Kliniken behandelt werden müssen. Als führende Krankenkasse im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit ist es der DAK-Gesundheit ein besonderes Anliegen, auf die Risiken des Alkoholkonsums, insbesondere des Rauschtrinkens, aufmerksam zu machen. Bereits seit 15 Jahren führt die drittgrößte Krankenkasse die Präventionskampagne »bunt statt blau – Kunst gegen Komasaufen« durch.
Einmalig in Europa
Mit seiner Ernennung zum Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen hat Burkhard Blienert bereits im Januar 2022 die Diskussion zu diesem Thema eröffnet. Dass der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit ab 14 Jahren erlaubt ist, wenn etwa der Vater oder die Mutter dabei ist, sei einmalig in Europa, sagte Blienert laut Ippen Media.
Darin spiegelt sich die anachronistische Wahrnehmung, dass wir in Deutschland kein Alkoholproblem hätten. Wir haben aber ein dickes Problem beim Alkoholkonsum.«
Blienert sprach sich für eine einheitliche Altersgrenze von 18 Jahren für alle Suchtmittel aus. »So lautet auch die Empfehlung, die viele Medizinerinnen und Mediziner unterstützen.«
Wir brauchen aber auch den politischen Willen, diese Regelung zu ändern.«
Blienert will Altersgrenze für Alkohol anheben
Das derzeitige gesetzliche Mindestalter für den Kauf von nicht destillierten Alkoholprodukten liegt in Deutschland bei 16 Jahren. Der neue Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung hat vorgeschlagen, diese Altersgrenze auf 18 Jahre anzuheben. Sollte dieser Vorschlag angenommen werden, wäre dies eine wirksame politische Verbesserung, um die massiven Schäden zu verringern, die Kindern und Jugendlichen durch Alkoholprodukte entstehen.
Gute Gründe für Alkohol ab 18
Alkohol und seine Auswirkungen auf das Gehirn von Jugendlichen
Wie viele wissen, ist es in Großbritannien gesetzlich verboten, Alkohol unter 18 Jahren in einer lizenzierten Gaststätte zu konsumieren. Allerdings dürfen 16- und 17-Jährige in Begleitung eines Erwachsenen Bier, Wein oder Apfelwein zum Essen trinken, aber nicht kaufen. Ist die Flexibilität dieses Gesetzes angesichts des relativ hohen Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen im Vereinigten Königreich einer von vielen Faktoren, die zu starkem episodischem Alkoholkonsum in dieser Bevölkerungsgruppe beitragen?
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Neue Studie zeigt Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Leberkrebs bei Jugendlichen auf
Eine umfassende Studie, die kürzlich in eClinicalMedicine veröffentlicht wurde, hat alarmierende Trends bei Leberkrebs unter jungen Menschen weltweit aufgezeigt. Die im Rahmen der Global Burden of Disease Study 2021 durchgeführte Untersuchung analysierte Daten aus den Jahren 2000 bis 2021 und stellte einen signifikanten Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Leberkrebs bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen fest.
Selbst kleine Mengen Alkohol können Blutdruck und Herz schädigen
Ein brandneuer Bericht über Alkohol und Blutdruck fasst die besten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zusammen und bietet einen aktuellen Überblick über die wesentliche kausale Rolle des Alkohols bei der Entstehung von Bluthochdruck und verwandten Krankheiten. Movendi International befasst sich mit dem Potenzial der Alkoholpolitik zur Verhinderung von Bluthochdruck und damit zusammenhängenden Krankheiten und schlägt drei konkrete Lösungen vor.
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