Europakarte unter Lupe - davor Stapel der Nachhaltigkeitsziele

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die meisten europäischen Länder bei der Konzeption von Maßnahmen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) Alkohol außer als Hindernis für die Gesundheit nicht berücksichtigen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die ungenaue Sprache in Bezug auf Alkoholschäden auf ein mangelndes Verständnis des Ausmaßes der Alkoholbelastung und der Folgen für die nachhaltige Entwicklung hinweist. Dies gilt auch für die Wahl unwirksamer Maßnahmen zur Reduzierung des Alkoholkonsums.

Autor:innen: Kristina Šperková (E-Mail: ), Peter Anderson, Eva Jané Llopis

Zitierung: Sperkova K, Anderson P, Llopis EJ (2022) Alcohol policy measures are an ignored catalyst for achievement of the sustainable development goals. PLOS ONE 17(5): e0267010. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0267010

Quelle: PLOS ONE

Datum der Veröffentlichung: 4. Mai 2022

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Zusammenhang und Bedeutung

Die verfügbaren Informationen über alkoholbedingte Schäden und die Nachhaltigen Entwicklungsziele stellen drei Hauptkategorien der wissenschaftlichen Analyse der Überschneidung der beiden Bereiche dar:

  1. Beschreibung des Problems durch Aufzeigen der Überschneidung von Alkoholschäden und der Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung;
  2. Betonung der Bedeutung der Kohärenz der Politik, einschließlich der Alkoholpolitik, für die Verwirklichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele; und
  3. Analyse der Gründe für die Inkonsistenz der Politikgestaltung, wie Interessenkonflikte und Einmischung der Alkoholindustrie.

Obwohl es mehrere Arbeiten gibt, die den Zusammenhang zwischen Alkohol und nachhaltiger Entwicklung untersuchen, liegt der Schwerpunkt ausschließlich auf SDG 3 (Gesundheit und Wohlbefinden), während ein systematischer Überblick darüber, wie Regierungen derzeit das Potenzial alkoholpolitischer Lösungen zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele nutzen, noch nicht existiert.

Abstrakt

Hintergrund

Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 haben sich die Regierungen darauf geeinigt, ihren Ansatz und ihre Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung jährlich im Rahmen des Hochrangigen Politischen Forums für nachhaltige Entwicklung (HLPF) zu überprüfen und darüber zu berichten. Gesundheit und Wohlbefinden stehen im Mittelpunkt der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Schäden, die durch Alkohol verursacht werden können, ist die Reduzierung des Alkoholkonsums eine Voraussetzung für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele.

Die Forscher:innen untersuchten, wie ausgewählte europäische Länder alkoholbedingte Schäden als Hindernis für die Verwirklichung der SDGs betrachten und inwieweit sie Alkoholpolitik als Lösung für die Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklung ansehen, indem sie ihre freiwilligen nationalen Überprüfungen (VNRs) analysierten, die dem HLPF zwischen den Jahren 2016 und 2020 vorgelegt wurden.

Methoden

Die Forscher:innen entwickelten einen einzigartigen Rahmen mit 260 Fragen, die die drei Dimensionen der Überlegungen zu Alkoholschäden widerspiegeln: Indikation, Aktion und Bewertung.

Sie analysierten 36 VNR aus 32 europäischen Ländern, indem sie sie zunächst anhand der 260 Fragen bewerteten, um herauszufinden, wie sie über Alkoholschäden berichten und ob sie in ihren Maßnahmen auf evidenzbasierte, kosteneffektive alkoholpolitische Lösungen verweisen.

Anschließend bewerteten die Forscher:innen anhand einer Inhaltsanalyse, inwieweit sich die Länder mit alkoholbedingten Schäden befassen, ob sie sich im Rahmen des SDG 3 (Gesundheit und Wohlbefinden) auf Alkoholschäden beziehen oder ob sie über das Gesundheitsziel hinausgehen und berücksichtigen, dass Alkoholschäden auch Auswirkungen auf andere Ziele als das Ziel 3 haben.

Ergebnisse

5 von 32

Die meisten europäischen Länder versäumen es, gegen Alkohol als Hindernis für nachhaltige Entwicklung vorzugehen

Nur fünf der 32 untersuchten europäischen Länder bemühen sich um eine Reduzierung des Alkoholkonsums auf Bevölkerungsebene (SDG 3.5.2) als Teil ihrer Bemühungen zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele.

Neun Länder (28,1 %) haben in ihrem Bericht Alkohol nicht erwähnt.

Nur acht Länder (25 %) erwähnten eine oder mehrere der bewährten alkoholpolitischen Maßnahmen unter den Maßnahmen, die sie zur Verringerung alkoholbedingter Schäden ergreifen, und nur drei Länder (9,3 %) gingen ausdrücklich auf ihre Auswirkungen auf andere Ziele als Ziel 3 ein.

Nur fünf Länder verwiesen auf den vereinbarten Indikator 3.5.2, der den Pro-Kopf-Alkoholkonsum der erwachsenen Bevölkerung misst.

Viele der übrigen Länder verwendeten statt des Pro-Kopf-Verbrauchs eine Reihe von Begriffen wie »übermäßiger Alkoholkonsum«, »starker Konsum«, »zu viel Alkohol«, »schädlicher Alkoholkonsum«, »Konsum unter Jugendlichen«.

Interpretation

Alkoholkonsum wird beispielsweise mit Gewalt in Verbindung gebracht (SDG 5 und 16), trägt zu Ungleichheiten bei (SDG 5 und 10), behindert das Wirtschaftswachstum (SDG 8), stört den nachhaltigen Konsum (SDG 12) und wirkt sich nachteilig auf die Umwelt aus (SDG 13 und 15).

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass diese Auswirkungen bei der Konzeption von Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele nicht berücksichtigt werden.

Darüber hinaus deutet die ungenaue Sprache im Zusammenhang mit Alkoholschäden auf eine Lücke im Verständnis des Ausmaßes der Alkoholbelastung und der Folgen für die nachhaltige Entwicklung hin. Dies gilt auch für die Wahl unwirksamer Maßnahmen zur Reduzierung des Alkoholkonsums. Aufklärungsprogramme und Sensibilisierungskampagnen, die sich auf den individuellen Lebensstil konzentrieren, stehen weder im Einklang mit der Globalen Alkoholstrategie der WHO, die 2010 von allen ausgewählten Ländern angenommen wurde, noch spiegeln sie die Schwere der mit dem Alkoholkonsum verbundenen Probleme wider.

Wirksame alkoholpolitische Maßnahmen, die so genannten drei Best Buys, fehlen in den transformativen Maßnahmen, die in der Agenda 2030 gefordert werden und zu denen sich die Regierungen verpflichtet haben.

Neuartiger Ansatz: Untersuchung der UN-Berichterstattung der Länder über die Fortschritte bei den SDGs

Die SDGs sind rechtlich nicht bindend, und ihre wirksame Umsetzung hängt weitgehend vom guten Willen der nationalen Regierungen ab. Sie haben sich darauf geeinigt, ihren Ansatz und ihre Maßnahmen zur Verwirklichung der SDGs jährlich im Rahmen des Hochrangigen Politischen Forums für nachhaltige Entwicklung (HLPF) zu überprüfen und darüber zu berichten, was 2012 durch die Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung (Rio+20) in Auftrag gegeben wurde.

  • Eine Säule des Forums ist eine eingehende Überprüfung ausgewählter SDGs. Die überprüften SDGs unterscheiden sich von Jahr zu Jahr, wobei alle 17 SDGs innerhalb eines durch eine Resolution der Generalversammlung festgelegten Dreijahreszyklus behandelt werden.
  • Eine weitere Säule verfolgt die Maßnahmen der Länder durch freiwillige nationale Überprüfungen (VNR). Von jedem Land wird erwartet, dass es mindestens einmal im Vierjahreszyklus Bericht erstattet. Zwischen 2016 und 2021 wurden dem Forum 247 VNRs vorgelegt.

Es gibt keine Vorlage für VNRs, allerdings werden vom Generalsekretär gemeinsame Berichtsrichtlinien herausgegeben, in denen konkrete Kapitel empfohlen werden.

  • Die meisten Länder prüfen die tatsächlichen Fortschritte bei allen Zielen (und Indikatoren). Eine Analyse von 20 europäischen VNR ergab, dass zwar solide numerische Daten über den Fortschritt vorgelegt werden können, aber häufig Informationen über die Maßnahmen fehlen, die die Länder zur Erreichung der Ziele ergriffen haben.
  • Ein weiterer Ansatz für die Berichterstattung besteht darin, potenzielle Wechselwirkungen zwischen verschiedenen SDGs zu dokumentieren und deren positive und negative Auswirkungen zu berücksichtigen, einschließlich der Möglichkeiten, die Auswirkungen zu verstärken beziehungsweise zu verringern.

Hypothese der Studie

Da das Versäumnis, alkoholbedingte Schäden zu bekämpfen, Fortschritte bei der Verwirklichung der SDGs behindert, soll in diesem Papier untersucht werden, wie ausgewählte europäische Länder alkoholbedingte Schäden als Hindernis für die Verwirklichung der SDGs betrachten und inwieweit sie Alkoholpolitik als Lösung zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ansehen.

Die Hypothese der Forscher:innen lautet: In ihren Berichten an den HLPF (VNRs) berücksichtigen die Regierungen nicht die Auswirkungen alkoholpolitischer Lösungen auf die Erreichung der SDGs.

Die Forscher:innen stellen die folgenden Fragen:

  1. Erwähnen die Regierungen alkoholbedingte Schäden in ihren VNRs an das HLPF?
  2. Erwähnen die Regierungen in ihren VNR für das HLPF alkoholpolitische Lösungen?
  3. Gehen die Regierungen in ihren VNR für das HLPF auf die Auswirkungen von Alkoholpolitik auf die Erreichung der SDGs ein?

Highlights

Die Auslassung der alkoholpolitischen Best-Buys und ihrer Auswirkungen auf die Erreichung der SDGs in den VNRs bedeutet eine verpasste Gelegenheit, nicht nur Erfahrungen, Erkenntnisse und Wissen darüber auszutauschen, wie sie als Katalysator für nachhaltige Entwicklung genutzt werden können, sondern auch ein kollektives Verständnis dafür zu schaffen, dass diese Lösungen Teil eines grundlegenden Aktionspakets für nachhaltige Entwicklung sein könnten.«
Sperkova K, Anderson P, Llopis EJ (2022) Alcohol policy measures are an ignored catalyst for achievement of the sustainable development goals. PLoS ONE 17(5)

In den untersuchten Ländern ist die Definition des Alkoholschadens oft nicht präzise genug. Dies trägt dazu bei, dass die Alkoholpolitik unzureichend ist und häufig unwirksame Maßnahmen gewählt werden.

In Anbetracht des enormen Potenzials, das die Umsetzung der alkoholpolitischen Best-Buy-Strategien und die Reduzierung des Gesamtalkoholkonsums für die Erreichung der SDGs haben können, ist die Zahl der Länder, die die Auswirkungen der alkoholpolitischen Best-Buy-Strategien in ihren VNRs berücksichtigt haben, sehr gering.

Nur acht Länder erwähnten eine oder mehrere der alkoholpolitischen Best Buys unter den Maßnahmen, die sie zur Verringerung alkoholbedingter Schäden ergreifen. Nur fünf Länder (15,6 %) schrieben über die Auswirkungen einer oder mehrerer der drei alkoholpolitischen Best-Buy-Maßnahmen auf die Erreichung der SDGs und nur drei (9,3 %) gingen ausdrücklich auf ihre Auswirkungen auf andere Ziele als SDG 3 ein.

Diese Ergebnisse zeigen, dass nur sehr wenige Länder über die negativen Auswirkungen von alkoholbedingten Schäden auf die Gesellschaft und die nachhaltige Entwicklung nachdenken, zu der sie sich 2015 verpflichtet haben.

  • Ungarn verwies auf die eingeschränkte Verfügbarkeit von Alkohol, um zu einer besseren Ernährung von Kindern und Jugendlichen beizutragen (SDG 2);
  • Finnland verwies auf die Verfügbarkeit von Alkohol und seine Auswirkungen auf soziale Inklusion und Armut (SDG 10);
  • Estland hob die Bedeutung der Alkoholpolitik für die Schaffung sicherer Umgebungen hervor (SDG 11) und erwähnte die Bedeutung einer wirksamen Alkoholpolitik für die Verringerung der durch Alkohol verursachten wirtschaftlichen Schäden, die als Ermöglichung von Wirtschaftswachstum interpretiert werden könnte (SDG 8).

Die Ergebnisse zeigen auch, dass nur sehr wenige Länder einen bevölkerungsweiten Ansatz zur Bekämpfung alkoholbedingter Schäden verfolgen und die meisten Länder von ihren Bürger:innen erwarten, dass sie persönlich Verantwortung für ihren Alkoholkonsum übernehmen. Wenn bevölkerungsweite Lösungen ignoriert werden, kann dies bedeuten, dass die Chance verpasst wird, äußerst kosteneffiziente (und im Falle der Alkoholbesteuerung sogar die eigenen Ressourcen mobilisierende) Lösungen umzusetzen und einen transformativen Wandel zu erleichtern, um die Welt auf einen widerstandsfähigen und nachhaltigen Weg zu bringen.

Obwohl die Gesundheit im Mittelpunkt der Agenda 2030 steht und obwohl ein enger Zusammenhang zwischen Gesundheit, Wohlbefinden und Ungleichheiten besteht, wurde dieser Zusammenhang nur selten berücksichtigt. Die Wortwahl deutet darauf hin, dass die Regierungen das volle Ausmaß der Alkoholschäden weiterhin unterschätzen und auf »Alkoholismus« und »übermäßigen Alkoholkonsum« beschränken.

Die Beschränkung der Alkoholschäden auf »Alkoholismus« kann eine teilweise Erklärung dafür sein, dass den kostenwirksamsten alkoholpolitischen Maßnahmen auf Bevölkerungsebene keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Anstatt die allgemeine Verringerung des Alkoholkonsums als Katalysator für die Entwicklung zu nutzen, berichteten die Länder über eher vage Ansätze zur Bekämpfung von Alkoholschäden, wie zum Beispiel unwirksame Kampagnen zur Förderung des Lebensstils oder die Zuweisung der Verantwortung für Alkoholschäden allein an den Einzelnen.

Diese Sichtweise hindert die Regierungen daran, die weitreichenden Auswirkungen von Alkoholschäden auf Bildung, Gleichberechtigung, Wirtschaftswachstum und Umwelt zu erkennen. Die Regierungen verpassen somit die Möglichkeit, das Potenzial der besten alkoholpolitischen Maßnahmen zu nutzen, um die Fortschritte bei der Verwirklichung mehrerer SDGs auf kosteneffiziente und synergetische Weise zu beschleunigen.

Quelle: MOVENDI International

Übersetzt mit www.DeepL.com