Pünktlich zu Beginn der Fastenzeit will die Diakonie Sachsen zu einem veränderten Umgang mit Alkohol anregen und fordert zur Unterstützung deutliche politische Maßnahmen.
»Alkohol ist in Sachsen die am meisten konsumierte Droge und in nahezu allen unseren Arbeitsfeldern haben wir mit den furchtbaren Auswirkungen von Alkoholkonsum zu tun. Krankheiten, Unfälle, Verlust der Arbeit und Arbeitsfähigkeit, Schulden, Gewalt, Straftaten und Familientragödien, Wohnungslosigkeit und vieles mehr sind die Folge. Am meisten leiden darunter die Kinder. Erschreckenderweise auch immer häufiger schon bevor sie geboren sind, weil Alkohol auch in der Schwangerschaft getrunken wird. Da wir nicht davon ausgehen, dass der Umgang mit Alkohol reine Privatsache ist, fordern wir – ähnlich wie beim Rauchen – endlich deutliche politische Signale!«
Diakonie-Chef Dietrich Bauer sieht das Land Sachsen auch deshalb besonders gefordert, weil die negativen Folgen des Alkoholkonsums hier überdurchschnittlich hoch sind:
»Über 1.000 Sterbefälle pro Jahr, 78 % der 21.000 Entgiftungen im stationären Bereich und über 50 % der rund 27.000 Hilfesuchenden im ambulanten Bereich sind alkoholbedingt. Insgesamt hat ein hoher Anteil der sächsischen Bevölkerung einen riskanten Alkoholkonsum – 22,6 % der Männer und 14 % der Frauen. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Auch bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sind die stationären Fallzahlen der Alkoholintoxikationen innerhalb von drei Jahren von 515 auf 883 gestiegen.«
Bauer hält daher eine bessere Ausstattung der Suchtberatungsstellen vor allem im Bereich der Prävention für absolut notwendig. »Finanziert werden könnte dies mit der Einführung einer Alkoholsteuer auch auf Wein. In Deutschland wird auf Wein bisher keine Verbrauchssteuer erhoben. Das sogenannte Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz enthält zwar eine steuerrechtliche Definition, jedoch keinen Steuertarif. Das ließe sich ändern!« Das Land könnte über die Länderkammer initiativ werden. Ein Weg, den Sachsen hinsichtlich der Strafmilderung bei schweren Rauschtaten bereits beschritten hat.
Als weitere politische Maßnahmen, die sich unmittelbar günstig auf den Konsum auswirken würden, zählt Bauer auf:
Keine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit
Zu fast jeder Tages- und Nachtzeit ist der Kauf von preiswertem Alkohol möglich. An vielen Tankstellen sind alkoholische Getränke rund um die Uhr verfügbar – was suggerieren könnte, Alkohol und Autofahren seien durchaus kompatibel. Hier fordern wir mindestens ein Nacht-Verkaufsverbot ab 22 Uhr. Damit könnten die Rauschspitzen abgefangen und insbesondere für viele Jugendliche die Gefahr des Binge-Drinkings deutlich minimiert werden.
Strengere Auflagen für Alkohol-Werbung
Werbung für alkoholische Getränke ist allgegenwärtig, auch beinahe bei jeder Sportveranstaltung, egal ob am Rande oder auf den Trikots der Spieler*innen. Das unterstützt und animiert das Trinken von Alkohol. Wir wollen deutliche Werbebeschränkungen für alkoholische Getränke in der Öffentlichkeit.
Altersgrenze für Verkauf anheben
Wir sprechen uns dafür aus, die Altersgrenze zur Abgabe von alkoholischen Getränken generell auf ein Mindestalter von 18 Jahren anzuheben. Dies sollte für alle alkoholischen Getränke gelten, ungeachtet der Höhe des jeweiligen Alkoholgehalts.
Null-Promille-Grenze für Kraftfahrzeugführende
Die Diakonie hält ein komplettes Alkoholverbot im Straßenverkehr für richtig. Es besteht die realistische Möglichkeit, dass die sogenannten Alkoholunfälle deutlich zurückgehen – wie es bei den Fahranfänger*innen in der Probezeit ja bereits zu sehen ist. Weniger Getötete und Verletzte wären die positive Folge. Außerdem ist eine Null-Promille-Grenze eine klare Ansage und beendet das Gewirr verschiedener Grenzwerte!
Piktogramme für alkoholische Getränke
Warnende Piktogramme auf allen alkoholischen Getränken sowie auch an den entsprechenden Regalen und Verkaufsflächen in Läden würden gerade Jugendliche klar auf die Gefährdungen durch Alkohol hinweisen und könnten schon eine Entscheidungshilfe sein – ähnlich der Warnhinweise auf Tabakwaren!
Abschließend macht sich der Diakonie-Chef für das Konzept der Punktnüchternheit stark:
»Wir wollen trotz unserer Forderung nach politischen Maßnahmen den Einzelnen nicht aus seiner Verantwortung für sich und seine Gesundheit entlassen: Deshalb werben wir für das lebensnahe Konzept der Punktnüchternheit. Es besagt, dass Alkohol in verantwortungsbewusstem Rahmen als Genussmittel eingesetzt werden kann. In bestimmten Lebenssituationen jedoch sollte aus Überzeugung komplett auf Alkohol verzichtet werden: am Arbeitsplatz, beim Führen eines Kraftfahrtzeuges oder bei Kinderwunsch sowie während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit. Wir finden: Dieses Konzept sollte die Politik nachhaltig mit den oben genannten Maßnahmen unterstützen, weil es Alkohol weder verteufelt noch verharmlost.&lquo>
Die ausführliche Positionierung »Alkohol – Die unterschätzte Gefahr. Anregungen für einen veränderten Umgang mit der Volksdroge Nr. 1« finden Sie hier: