Vollbesetztes Fußballstadion in Rom.

Die Mitglieder des im März 2022 gegründeten Bündnisses gegen Sportwetten-Werbung wenden sich heute mit einem dringenden Appell an die Innenminister*innen und ‑senator*innen der Bundesländer, die sich gerade in Berlin zur Innenministerkonferenz treffen. Sie sollen schnellstmöglich die ausufernde Sportwetten-Werbung deutlich einschränken.

Die bisherigen Werberegelungen des Glücksspielstaatsvertrags 2021 sind in sich nicht schlüssig, werden nur teilweise eingehalten und entsprechen vorrangig den Interessen der finanzstarken Sportwettenanbieter, der Werbewirtschaft, der Profiligen, des DFB sowie der DFL. Vernachlässigt wird dagegen der Schutz vor allem der jugendlichen Mitglieder von Sportvereinen, die häufig besonders anfällig für Sportwetten sind, sowie der meist ebenfalls noch jugendlichen Fans. Auch die Interessen der aktuell und ehemals von Glücksspielsucht Betroffenen und ihrer Angehörigen kommen deutlich zu kurz. Kritische Stimmen von Fans, Fanorganisationen, Forschungsinstituten, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe finden zwar in den Medien, nicht aber in der Politik Gehör. Auch die Bevölkerung fühlt sich laut einer Umfrage inzwischen durch die ausufernde Werbung in Stadien, im Fernsehen und im Internet stark belästigt und spricht sich für ein generelles Werbeverbot für Glücksspiele aus.

Die bisherigen Regelungen sind inkonsistent

Während für virtuelles Automatenspiel, Casinospiele und Poker nur zwischen 21 Uhr und 6 Uhr geworben werden darf, gibt es für Sportwetten keine zeitliche Beschränkung. Diese Sonderstellung ist nicht nachvollziehbar und fachlich nicht begründbar. Das Risiko einer Glücksspielstörung ist im Bereich der Sportwetten (und hier insbesondere der Live-Wetten) nicht geringer als bei den oben genannten anderen Glücksspielformen, sondern eher höher, da gezielt junge, sportaffine Menschen angesprochen werden. Für Sportwetten sollten daher zumindest die gleichen Werberestriktionen gelten wie für andere Online-Glücksspiele.

Die bisherigen Regelungen werden nicht eingehalten

Es gibt zahlreiche Verstöße. Diese zeigten sich beispielsweise bei Mönchengladbach, die einen illegalen Wettanbieter als Sponsor hatten, oder bei Werbespots von Tipico, in denen sich der Anbieter nicht auf die Dachmarkenwerbung beschränkte, sondern zur sofortigen Spielteilnahme aufforderte (»Jetzt Wette platzieren«).

Die bisherigen Regelungen entsprechen vorrangig den Interessen der Industrie

Die bisherigen Regelungen entsprechen vor allem den Interessen der finanzstarken Glücksspielanbieter, der Werbewirtschaft, der Fußballvereine, des DFB und der DFL. Schätzungen zufolge setzt die Sportwettenbranche in Deutschland jährlich zwischen acht und neun Milliarden Euro um. Eine Zahl, die nicht nur die Kassen klingeln lässt. Solche Umsätze verleihen Macht und wecken offenbar den Wunsch nach immer mehr. Nach dem Motto »mit Geld kauft man sich Verbündete, mit viel Geld kauft man sich mehr Verbündete« hat man inzwischen fast alle Vereine der Profiligen, den DFB und die DFL mit großzügigen Sponsoring- und Werbeverträgen an sich gebunden. Damit kauft man sich nicht nur potenzielle Verbündete, sondern auch einen großen Markt für das eigene Produkt. Fußballbegeisterte junge Männer sind die ideale Zielgruppe für Sportwettenanbieter. Sie sind in der Regel über viele Jahre an ihren Lieblingsverein gebunden und identifizieren sich mit ihm, was sich häufig auch auf die Produkte der Sponsoren überträgt. Nicht zuletzt verschafft dies dem Verein Handlungsspielräume (Kauf teurer Spieler etc.). Ziel aller Werbemaßnahmen scheint die Normalisierung des lukrativen, aber hochriskanten Produktes Sportwette zu sein. Die Kehrseite der Medaille, die hohe Suchtgefahr, die von Sportwetten ausgeht, bleibt dabei zwangsläufig unberücksichtigt. Sie wird entweder nicht erwähnt oder bewusst heruntergespielt.

Sportwetten-Werbung muss raus aus den Stadien.«

Das Bündnis fordert daher in einem ersten Schritt eine Angleichung der Rahmenbedingungen für Sportwettenwerbung an ähnlich suchtgefährdende Glücksspiele wie virtuelles Automatenspiel, Poker etc. sowie an vergleichbare gesundheitsgefährdende Produkte wie Tabak:

  • Werbung für Sportwetten im Fernsehen und im Internet darf erst nach 21 Uhr ausgestrahlt werden, dies gilt auch für das Sponsoring.
  • Werbung für Sportwetten muss aus den Stadien verbannt werden, das gilt auch für Sponsoring.

In einem zweiten Schritt sollten entsprechend den Vorschlägen des Aktionsbündnisses, der Suchtverbände und des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen entsprechend

  • die werbefreie Zeit für alle Glücksspielprodukte auf die Zeit zwischen 6 und 23 Uhr ausgedehnt werden. Diese Maßnahme würde gleichzeitig dem Jugendschutz dienen. Der geltende Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) schreibt vor, dass sich Werbung »nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen« richten darf. Auch aus diesem Grund wurden »werbefreie Zeiten« definiert.

In einem dritten Schritt sollte

  • die Glücksspielwerbung in Stadien, im Fernsehen, im Radio und im Internet gänzlich verboten beziehungsweise auf den so genannten »Point of Sale« beschränkt werden.

Abschließend weist das Bündnis darauf hin, dass sich der liberale deutsche Weg deutlich von dem anderer europäischer Länder unterscheidet, in denen Glücksspielwerbung inzwischen zunehmend stark reguliert oder verboten wird beziehungsweise entsprechende Maßnahmen konkret geplant sind.