Zwei dunkle Weinflaschen mit weißen, leeren Etiketten (eine stehend, eine liegend) vor einem gelb getönten Foto einer Person im Anzug, die einen dicken Stapel US-Dollar in die Brusttasche steckt.

Während die Alkoholindustrie öffentlich für einen »verantwortungsvollen« Alkoholkonsum wirbt, deuten Studienergebnisse aus anderen Ländern darauf hin, dass mehr als die Hälfte ihres Umsatzes auf Personen mit schädlichem Alkoholkonsum zurückzuführen ist. In dieser Studie untersuchen die Autor*innen, ob dies auch auf Deutschland zutrifft.

Autor*innen: Carolin Kilian, Nathalie Stüben, Anna Schranz, Justin Möckl, Sally Olderbak, Ludwig Kraus und Jakob Manthey

Zitierung: Kilian, C., Stüben, N., Schranz, A., Möckl, J., Olderbak, S., Kraus, L., & Manthey, J. (2025). Das Geschäft mit dem Leid – wie viel Umsatz macht die Alkoholindustrie mit Risiko- und Hochkonsum? SUCHT, 0(0). https://doi.org/10.1024/0939-5911/a000955

Quelle: SUCHT

Datum der Veröffentlichung: 26. September 2025

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Das Geschäft mit dem Leid – wie viel Umsatz macht die Alkoholindustrie mit Risiko- und Hochkonsum?

Einleitung

Weltweit betrachtet zählt Alkoholkonsum zu den wichtigsten Risikofaktoren für Morbidität und Mortalität. Deutschland zählt noch immer zu den Hochkonsumländern. Allein im Jahr 2021 starben schätzungsweise rund 17.000 Menschen hierzulande an einer ausschließlich auf Alkoholkonsum zurückzuführenden Todesursache. Der volkswirtschaftliche Schaden, der in Deutschland durch Alkoholkonsum entsteht, beläuft sich jährlich auf rund 57 Milliarden Euro – mit steigender Tendenz. Um diese Tragödien und Verluste einzudämmen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) evidenzbasierte politische Maßnahmen wie Marketingverbote, Preiserhöhungen oder Einschränkungen der Verfügbarkeit.

Trotz des offenkundigen Zielkonflikts zwischen öffentlicher Gesundheit und den wirtschaftlichen Interessen von Alkoholproduzenten inszenieren sich letztere als Präventionspartner*innen der Politik. Durch diese Positionierung kann die Alkoholindustrie von wirksamen Maßnahmen zur Eindämmung des Alkoholkonsums ablenken und ihre Profite sichern. Zu diesem taktischen Vorgehen zählt unter anderem die Propagierung unwirksamer Lösungen wie Selbstregulierung in Werbung und Marketing, das Framing von Prävention »im Sinne der Förderung von Eigenverantwortung und individueller Risikokompetenz« sowie die Darstellung von Personen mit hohem Konsum als das eigentliche Problem. So heißt es beispielsweise in einem Positionspapier der Mitglieder des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosen-Industrie und ‑Importeure e. V.: »Der verantwortungsvolle und genussvolle Konsum von alkoholhaltigen Getränken ist nicht das Problem, sondern der Missbrauch der Produkte.« Auf internationaler Ebene haben sich Verbände und Unternehmen der Alkoholindustrie zur International Alliance for Responsible Drinking (IARD) zusammengeschlossen. In einem Video zu Zweck und Ziel dieser Allianz heißt es: »Wir sind stolz auf die von uns hergestellten Getränke und möchten sicherstellen, dass sie verantwortungsbewusst konsumiert werden … Schädlicher Alkoholkonsum liegt nicht in unserem Interesse – er ist schlecht für die Verbraucher*innen, … und letztendlich auch schlecht für unser Geschäft. Deshalb unterstützen wir aktiv internationale Bemühungen zur Reduzierung des schädlichen Alkoholkonsums – um die öffentliche Gesundheit zu verbessern und nicht übertragbare Krankheiten zu reduzieren.«

Zwischen den Zielen der öffentlichen Gesundheit und den wirtschaftlichen Interessen der Alkoholproduzent*innen besteht eine inhärente Spannung. Zwar betont die IARD in ihren Zielen, dass hochriskanter Konsum nicht in ihrem Interesse ist, doch zwei internationale Studien veranschaulichen, dass die Alkoholindustrie einen unverhältnismäßig hohen Anteil ihrer Gesamteinnahmen von denjenigen erhält, die die größten Mengen an Alkohol konsumieren. Casswell et al. (2016) zeigten, dass der Anteil des Alkohols, der durch Rauschtrinken konsumiert wurde, in Australien und Neuseeland je nach Definition des Rauschtrinkens bei rund 50 % beziehungsweise 65 % liegt, in Vietnam, der Mongolei und Thailand bei rund 63 % beziehungsweise 76 %. In diesen Ländern entfällt demnach mindestens die Hälfte des gesamten Alkoholkonsums auf ein besonders gesundheitsschädliches Konsummuster. Bhattacharya et al. (2018) konnten basierend auf Daten aus Großbritannien zeigen, dass nur 32 % des Umsatzes der Alkoholindustrie auf Personen mit »moderatem« Konsum (≤ 112 g Reinalkohol pro Woche) zurückgehen. Das heißt im Umkehrschluss, dass 68 % auf Personen entfallen, deren Alkoholkonsum über den dort und damals geltenden risikoarmen Richtwerten lag. Auf die 4 % der Bevölkerung mit dem höchsten Alkoholkonsum (> 288 g beziehungsweise > 408 g Reinalkohol pro Woche für Frauen beziehungsweise Männer) entfielen 23 % des Gesamtumsatzes der Branche.

In der vorliegenden Studie untersuchen die Autor:innen, ob die starke Abhängigkeit der Alkoholindustrie von besonders schädlichem Alkoholkonsum auch in Deutschland besteht. Hierzu schätzen sie, wie sich die Konsummenge und die daraus entstehenden Umsätze über die verschiedenen Bevölkerungsgruppen verteilen.

Methodik

Daten zur allgemeinen erwachsenen Bevölkerung (18 – 64 Jahre) stammen aus vier Quellen:

  1. Epidemiologischer Suchtsurvey (2018, 2021),
  2. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (2018),
  3. Bevölkerungsstatistik (2018) und
  4. Branchenstatistik zum Alkoholumsatz (2018).

Die Forscher*innen berechneten die Bevölkerungs-, Alkoholkonsum- und Umsatzanteile für drei Alkoholkonsumkategorien (das heißt niedrig riskanter, riskanter, hochriskanter Konsum), wobei sie die getränkespezifischen Konsummengen und Ausgaben nach Geschlecht, Alter, Einkommen und Alkoholkonsumkategorie berücksichtigten.

Ergebnisse

In den letzten zwölf Monaten war dreizehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland abstinent. Die Mehrheit (71,9 %) der Erwachsenen trank niedrig riskant, 12,9 % riskant und 2,0 % hochriskant. Personen mit riskantem und hochriskantem Alkoholkonsum konsumierten mehr als die Hälfte des in Deutschland verkauften Alkohols und sorgten für einen Umsatz von 5,71 Milliarden Euro – die Hälfte des gesamten Alkoholumsatzes.

Schlussfolgerung

Dein Alkoholproblem ist ihr Geschäft.«
Nathalie Stüben, Co-Autorin der Studie

Die Hälfte des Alkoholumsatzes wird in Deutschland durch riskanten und hochriskanten Alkoholkonsum erwirtschaftet. Insbesondere Personen mit hochriskantem Konsum erfahren die schwerwiegendsten negativen Auswirkungen, einschließlich Schäden an der physischen und psychischen Gesundheit, was zu Krankheit, Leid und einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden führt. Vor diesem Hintergrund stellen die Ergebnisse die Selbstregulationsambitionen der Alkoholproduzent*innen sowie ihre Aufforderungen zum nicht näher definierten »verantwortungsvollen« Konsum in Frage und veranschaulichen den inhärenten Konflikt zwischen kommerziellen Interessen der Industrie und Public-Health-Zielen.

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Quelle: hogrefe eContent

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