Der Verbandsrat des Paritätischen Gesamtverbands hat am 5. Dezember 2024 ein umfangreiches sucht- und drogenpolitisches Positionspapier verabschiedet.
Paritätische Mitgliedsorganisationen unterstützen Menschen mit substanzbezogenen Problemen und deren Angehörige mit einer Vielzahl von Angeboten. Die Angebotsvielfalt und die Möglichkeiten des Suchthilfesystems sind jedoch abhängig von sucht- und sozialpolitischen Entscheidungen und Rahmenbedingungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Hier setzt das Positionspapier an und fordert eine neue nationale Drogen- und Suchtstrategie sowie eine nachhaltige Weiterentwicklung der Suchthilfe.
Suchtberatung muss sichergestellt werden
Die Suchtberatungsstellen stehen mit ihren Aufgaben und ihrer Rolle im Zentrum des Suchthilfesystems. Die kommunal finanzierte Suchtberatung ist jedoch eine freiwillige Leistung und keine gesetzlich abgesicherte Pflichtaufgabe und damit abhängig von der kommunalen Haushaltslage. Der Paritätische fordert daher den Bundesgesetzgeber auf, gesetzliche Grundlagen für eine gesicherte Finanzierung von Suchtberatungsstellen und Kontaktläden zu schaffen und Länder und Kommunen ausreichend finanziell zu unterstützen, um die Angebote der Suchtberatungsstellen und Kontaktläden in den Kommunen zu erhalten. Angesichts der schwierigen Haushaltslage vieler Kommunen schlägt der Paritätische vor, einen Teil der Mittel zur Finanzierung der Suchtberatungsstellen über einen »Sucht- und Präventionsfonds« aus zweckgebundenen Abgaben auf alle legalen Suchtmittel zu decken.
Verhältnisprävention stärken
Alkohol ist die am häufigsten konsumierte psychoaktive Substanz in Deutschland. Mit 10,6 Litern Reinalkohol pro Kopf liegt der Alkoholkonsum in Deutschland zwei Liter über dem Durchschnitt der OECD-Länder. Das hohe Konsumniveau belastet die Gesundheit einzelner Personen und die Gesundheit der Gesamtbevölkerung. Alkohol schädigt nicht nur die Menschen, die ihn trinken, sondern auch ihr soziales Umfeld und die Gesellschaft insgesamt. Die direkten und indirekten Kosten des Alkoholkonsums in Deutschland belaufen sich auf über 57 Milliarden Euro. Neben verhaltenspräventiven Maßnahmen auf individueller Ebene, den Konsum aus gesundheitlichen Gründen zu reduzieren oder auf ihn zu verzichten, bedarf es aufeinander abgestimmter verhältnispräventiver Maßnahmen, die den Konsum und seine Folgen auf struktureller Ebene beeinflussen. Hier wird in Deutschland bisher zu wenig getan, um vulnerable Gruppen zu schützen und wirtschaftliche Schäden abzuwenden. Der Paritätische unterstützt daher die alkoholpolitischen Forderungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).
Alkoholpreise müssen spürbar angehoben werden
Alkohol ist in Deutschland preiswert zu haben. Die Datenlage ist eindeutig: Billiger Alkohol begünstigt einen hohen Konsum in der Bevölkerung und die damit verbundenen Folgen. Preisregulierungen sind sehr wirksam, um den Gesamtkonsum in der Bevölkerung, das Ausmaß alkoholbedingter Probleme und die vorzeitige Sterblichkeit zu beeinflussen. Zweckgebundene Steuern, die Besteuerung des Alkoholgehalts (nicht nach Getränketyp) oder festgelegte Mindestpreise sind ebenfalls sinnvolle Instrumente zur Beeinflussung der Alkoholpreise. Insbesondere die Erhöhung der Alkoholsteuer ist ein geeignetes, wirksames und effizientes Instrument einer verantwortungsvollen Suchtpolitik. Dieses wichtige Thema wurde in Deutschland jahrzehntelang nicht angetastet - zuletzt vor 20 Jahren mit der Einführung des Alkopopsteuergesetzes.
Die Verfügbarkeit alkoholischer Getränke einschränken
Alkohol ist in Deutschland fast überall und jederzeit erhältlich. Alkohol kann in Supermärkten, an Kiosken, auf Veranstaltungen aller Art (zum Beispiel Sportfeste, Stadtfeste, Märkte, an denen auch viele Kinder und Jugendliche teilnehmen) und rund um die Uhr an Tankstellen gekauft werden. Untersuchungen zeigen, dass die leichte Verfügbarkeit mit einem hohen gesellschaftlichen Konsum einhergeht. Auch hier zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern, dass die Verhältnisprävention wirksam ist. Eine wirksame Maßnahme ist zum Beispiel die Einschränkung der Zeiten, zu denen Alkohol gekauft werden kann.
Werbung und Sponsoring müssen reguliert werden
Werbung beeinflusst den Konsum. Sie dient der Absatzsteigerung alkoholischer Getränke, das heißt, sie erhöht den gesamtgesellschaftlichen Konsum und damit die gesundheitlichen Folgen. Werbebotschaften, die sich an Erwachsene richten sollen, haben einen messbaren Einfluss auf Kinder und Jugendliche. Werbung für Suchtmittel steht in direktem Widerspruch zu gesundheitspolitischen Zielen.
Kein Alkohol mehr für 14-Jährige
Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass es weder einen potenziell gesundheitsfördernden noch einen unbedenklichen Alkoholkonsum gibt. Bereits geringe Trinkmengen können zu körperlichen Erkrankungen beitragen. Aus diesem Grund haben DHS und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) im Jahr 2024 die bisherigen Empfehlungen zu sogenannten risikoarmen Trinkmengen aufgegeben. Bisher galt für gesunde Menschen eine maximale Trinkmenge von 24 Gramm Reinalkohol pro Tag für Männer und 12 Gramm für Frauen als »risikoarmer Konsum«. Diese Empfehlung wird nicht mehr ausgesprochen, da auch geringe Trinkmengen riskant sein können. Die aktualisierte Empfehlung lautet nun: Zur Verbesserung der körperlichen Gesundheit sollte der Alkoholkonsum unabhängig von der Menge reduziert werden. Für die körperliche Gesundheit ist es am besten, gar keinen Alkohol zu trinken (Wissenschaftliches Kuratorium der DHS 2024).
Neue Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährung zum Alkoholkonsum
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat in einer neuen Stellungnahme ihre bisherigen Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol ersetzt. Sie folgt damit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zeigen, dass es keine gesundheitlich sichere Menge an Alkohol gibt, die einen unbedenklichen Konsum ermöglicht. Die DGE empfiehlt daher, auf alkoholische Getränke zu verzichten. Wer dennoch alkoholische Getränke zu sich nimmt, sollte vor allem hohe Alkoholmengen vermeiden. Dies gilt insbesondere für junge Menschen. Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende sollten generell alkoholfrei leben.
In einem Sonderdruck der »Ernährungs-Umschau« mit dem etwas gestelzten Titel »Alkohol-Zufuhr in Deutschland, gesundheitliche sowie soziale Folgen und Ableitung von Handlungsempfehlungen« möchte die DGE nicht nur Handlungsempfehlungen für das individuelle Alkoholkonsumverhalten geben, sondern auch Hinweise für gesundheitspolitische Maßnahmen, die zur Minimierung gesundheitlicher Schäden in der Bevölkerung beitragen.
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Neue Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol
Das Wissenschaftliche Kuratorium der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat neue Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol herausgegeben. Bisher galt für gesunde Menschen eine maximale Trinkmenge von 24 Gramm Reinalkohol pro Tag bei Männern und 12 Gramm bei Frauen als »risikoarmer Konsum«.
Kinder und Jugendliche sind eine besonders gefährdete Gruppe in Bezug auf den Konsum von Suchtmitteln. Aufgrund der gesundheitlichen Risiken des Alkoholkonsums und der hohen Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Alkohol spricht sich der Paritätische für einen verbesserten Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen aus. Die Erlaubnis, Alkohol in Begleitung von Erziehungsberechtigten bereits ab 14 Jahren auch in Gaststätten und in der Öffentlichkeit konsumieren zu dürfen, ist aufgrund der wissenschaftlichen Studienlage zur gesundheitlichen Risikobewertung nicht mehr haltbar.
Hier finden Sie die vollständige Position (95 KB).
Quelle: Paritätischer Gesamtverband, Fachinfo vom 8. Januar 2025