Silhouette eines oben offenen Kopfes, auf dem eine Hand Holzwürfel mit Gesundheitssymbolen stapelt.

In einem kürzlich in der Fachzeitschrift Addiction Science & Clinical Practice veröffentlichten Artikel zeigen Forscher*innen Wege auf, wie die Gesundheitskompetenz in Bezug auf Alkohol verbessert und der Alkoholkonsum in Deutschland gesenkt werden kann.

Autor:innen: Jakob Manthey (E-Mail: ), Daša Kokole, Steffi Riedel-Heller, Gill Rowlands, Ingo Schäfer, Georg Schomerus, Renate Soellner & Carolin Kilian

Zitierung: Manthey, J., Kokole, D., Riedel-Heller, S. et al. Improving alcohol health literacy and reducing alcohol consumption: recommendations for Germany. Addict Sci Clin Pract 18, 28 (2023). https://doi.org/10.1186/s13722-023-00383-0.

Quelle: Addiction Science & Clinical Practice

Datum der Veröffentlichung: 9. Mai 2023

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Verbesserung der Gesundheitskompetenz in Bezug auf Alkohol und Reduzierung des Alkoholkonsums: Empfehlungen für Deutschland

Hintergrund

Obwohl die schädlichen Auswirkungen von Alkohol auf die Gesundheit hinlänglich bekannt sind, ist der Alkoholkonsum in vielen Ländern mit hohem Einkommen, wie zum Beispiel Deutschland, nach wie vor hoch. Die Verbesserung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol ist ein integrierter Ansatz der Alkoholprävention und eine wichtige Ergänzung der Alkoholpolitik. Unser Ziel war es, am Beispiel Deutschlands Lösungsansätze zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol zu identifizieren und zu priorisieren, um den Alkoholkonsum zu reduzieren.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind die Verfügbarkeit und die Erschwinglichkeit alkoholischer Getränke die wichtigsten Faktoren für den Alkoholkonsum. Theoretisch kann der Gesetzgeber diese beiden Bereiche relativ leicht einschränken, aber es muss anerkannt werden, dass die Umsetzung von Alkoholkontrollmaßnahmen öffentliche und politische Unterstützung erfordert. Eine europäische Studie aus dem Jahr 2015 hat gezeigt, dass Alkoholkontrollmaßnahmen, die die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von alkoholischen Getränken einschränken, in Ländern, in denen solche Maßnahmen bereits umgesetzt werden, und bei Menschen, die alkoholfrei leben, auf größere Akzeptanz stoßen.

Darüber hinaus spricht das Wissen um den Alkoholkonsum als Risikofaktor für Krebs dafür, Maßnahmen zur Alkoholkontrolle zu unterstützen. Um eine nachhaltige Reduktion des Alkoholkonsums und der damit verbundenen Schäden zu erreichen, scheint es daher ratsam, nicht nur die physischen Bedingungen (das heißt Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit), sondern auch das soziale Umfeld (das heißt Normen) sowie die individuelle Risikowahrnehmung zu verändern.

Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol kann als Instrument dienen, um alle relevanten Faktoren für eine nachhaltige Reduktion des Alkoholkonsums zu berücksichtigen. Der Kern dieser Kompetenz liegt in der Person des Einzelnen und wurde als die Fähigkeit beschrieben, »Wissen über Alkoholgehalt, ‑einheiten, ‑stärken und ‑schäden zu erwerben, zu verarbeiten und zu verstehen«. Dies schließt explizit das Wissen über Gesundheitsrisiken ein, aber auch das Verständnis von Standardgetränken, das eine Voraussetzung dafür ist, alkoholische Getränke in den gewünschten Mengen ausschenken zu können. Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol ist somit eine spezifische Kategorie des allgemeinen Konzepts der Gesundheitskompetenz, das allgemein definiert wird als »die Motivation, das Wissen und die Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu suchen, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag Urteile zu fällen und Entscheidungen zu treffen«.

Gemäß einer literaturgestützten theoretischen Konzeptualisierung von Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol sind die oben beschriebenen Kerneigenschaften dieser Kompetenz in ein soziales und systemisches Umfeld – die so genannten Vorbedingungen – eingebettet, die die Gesundheitskompetenz des Einzelnen im Umgang mit Alkohol bestimmen: Soziale Normen (soziales Umfeld), aber auch Etiketten die Kennzeichnung alkoholischer Getränke sowie das Gesundheits- und Bildungssystem (systemisches Umfeld) können die Etablierung eines risikoarmen Alkoholkonsums oder die Abstinenz erleichtern oder behindern. Schließlich erklärt die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol die Entscheidung des Einzelnen, zu trinken oder nicht zu trinken, und sagt die gesundheitlichen Folgen voraus, die als Konsequenzen der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol konzeptualisiert werden (siehe Abbildung 1).

Angesichts der unzureichenden Fortschritte bei der Verringerung des Alkoholkonsums und seiner Folgen sowie der Bedeutung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol für das Erreichen dieser Ziele sollen in diesem Beitrag Handlungsansätze zur Erhöhung der Gesundheitskompetenz und (dadurch) zur Verringerung des Alkoholkonsums identifiziert und priorisiert werden.

Wir haben Deutschland aus mehreren Gründen als mögliches Ziel für diese Bemühungen ausgewählt:

  1. Der Pro-Kopf-Alkoholkonsum in Deutschland liegt weit über dem weltweiten und europäischen Durchschnitt, und die Bevölkerung leidet unter einer hohen alkoholbedingten Morbidität und wirtschaftlichen Belastung.
  2. Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten keine Fortschritte bei der Umsetzung von Alkoholkontrollmaßnahmen gemacht. Während andere europäische Länder den Alkoholkonsum durch eine strikte Alkoholkontrollpolitik erfolgreich reduziert haben (siehe zum Beispiel Estland, Schottland und Wales, Litauen), schneidet Deutschland in mehreren Bereichen der Alkoholpolitik, wie zum Beispiel Verfügbarkeit und Marketing, schlecht ab.
  3. Wie wichtig die Unterstützung der Öffentlichkeit für die Nachhaltigkeit von Maßnahmen ist, konnte in Baden-Württemberg beobachtet werden. Obwohl die beabsichtigte Wirkung, nämlich die Reduzierung der Krankenhauseinweisungen bei Jugendlichen, erreicht werden konnte, wurde das 2010 eingeführte nächtliche Verkaufsverbot nach einem Regierungswechsel 2017 wieder aufgehoben.
  4. Die allgemeine Gesundheitskompetenz in Deutschland gilt als gering – insbesondere bei vulnerablen Bevölkerungsgruppen –, aber es scheint wenig empirische Evidenz über die Ausprägung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol in der deutschen Bevölkerung zu geben.

Methoden

Aus einer Literaturübersicht wurde eine Reihe von Empfehlungen zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz in Bezug auf Alkohol abgeleitet und anschließend von fünf Expert*innen bewertet. Die Empfehlungen wurden hinsichtlich ihrer wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Verbesserung der Gesundheitskompetenz in Bezug auf Alkohol und die Verringerung des Alkoholkonsums bewertet.

Die Übereinstimmung zwischen den Bewertungen wurde anhand eines zweiseitigen Intraklassen-Korrelationskoeffizienten (ICC) ermittelt.

Ergebnisse

Wir haben elf Empfehlungen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol und zur Reduzierung des Alkoholkonsums in Deutschland formuliert, die in Abbildung 2 zusammengefasst sind. Sie werden im Folgenden getrennt nach diesen drei Handlungsfeldern beschrieben:

  1. Aufklärung und Information,
  2. Gesundheitssystem und
  3. Alkoholkontrollpolitik.

Zu jeder Empfehlung werden exemplarisch Schlüsselstudien genannt und Aspekte hervorgehoben, die berücksichtigt werden müssen, um die angestrebten Effekte zu erreichen.

Bereich 1: Aufklärung und Information

Die Empfehlungen zu Bildungs- und Informationsmaßnahmen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Nr.
Empfehlung
Alter der Zielgruppen
Wer profitiert am meisten?
Auswirkung auf Voraussetzungen, Eigenschaften oder Folgen der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol
1
Wirksame Programme zur Alkoholprävention in Schulen umsetzen
Jugendliche (12 – 17 Jahre)
Zwar können alle teilnehmen, doch sind Präventionsprogramme am wirksamsten für Schüler*innen, die alkoholfrei leben oder einen risikoarmen Alkoholkonsum haben, und weniger wirksam für diejenigen, die bereits einen riskanten Alkoholkonsum aufweisen.
Voraussetzungen (soziale Ebene und Intervention)

Eigenschaften (Wissen und Verständnis, Fähigkeiten, kritisches Denken)

Folgen (reduzierter (riskanter) Konsum, reduzierter Konsum bei Minderjährigen, verbesserte Gesundheit)
2
Leicht zugängliche Informationen über Alkoholkonsum bereitstellen
Theoretisch alle, in der Praxis vor allem Jugendliche und junge Erwachsene
Größere Reichweite bei Personen mit höherem Bildungsniveau; meist bei Personen, die alkoholfrei leben oder einen risikoarmen Alkoholkonsum haben.
Voraussetzungen (System und soziale Ebene)

Eigenschaften (Wissen und Verständnis; kritisches Denken)
3
Bereitstellung von Informationsmaterial in einfacher Sprache sowie in anderen Sprachen als Deutsch, einschließlich, aber nicht beschränkt auf das Internet
Gesamte Bevölkerung
Personen mit niedrigem Bildungsniveau und Migrationshintergrund; überwiegend Personen, die alkoholfrei leben oder einen risikoarmen Alkoholkonsum haben
Voraussetzungen (System und soziale Ebene)

Eigenschaften (Wissen und Verständnis; kritisches Denken)
4
Gesundheitshinweise auf Behältnissen für alkoholische Getränke
Keine Einschränkungen
Keine Einschränkungen
Voraussetzungen (System und soziale Ebene)

Eigenschaften (Wissen und Verständnis; kritisches Denken)

Folgen (reduzierter Alkoholkonsum)
1. Wirksame Programme zur Alkoholprävention in Schulen umsetzen

Schulbasierte Alkoholpräventionsprogramme können von Lehrer*innen oder Gleichaltrigen durchgeführt werden und individuelle Interventionen, Rollenspiele oder Internetinhalte umfassen. Bei der Durchsicht der internationalen Literatur konnte die Wirksamkeit vieler Programme nicht nachgewiesen werden, aber das Programm »Unplugged«, das sich auf die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten in einer Reihe von 12 Sitzungen über ein Jahr konzentriert, wurde als gute Praxis für Europa hervorgehoben (siehe auch www.eudap.net). Darüber hinaus gibt es vielversprechende Auswirkungen von webbasierten Programmen (obwohl die jüngsten technologischen Fortschritte in der Literatur noch nicht berücksichtigt wurden). Ein gutes Praxisbeispiel aus Deutschland ist das Programm »Klar bleiben – Feiern ohne Alkoholrausch«. Im Rahmen dieser Intervention verpflichten sich die Schüler*innen, sechs Wochen lang auf episodisch starken Alkoholkonsum zu verzichten und sich in vier Sitzungen mit alkoholbezogenen Themen (Normen, Motive, Marketing, Erwartungen und Konsequenzen) auseinanderzusetzen.

In dieser Empfehlung beziehen wir uns auf Programme mit nachgewiesener Wirksamkeit in Bezug auf Wissen, Fertigkeiten, Konsum und/oder gesundheitliche Folgen. Solche Programme enthalten häufig Module, die zeigen, wie Gesundheitsrisiken von der Menge des konsumierten Alkohols abhängen, oder Module, die darauf abzielen, die Fähigkeit zu entwickeln, Alkohol richtig zu dosieren (zum Beispiel zu verstehen, wie Alkoholgehalt und Trinkmenge durch das Konzept der Standardgetränke zusammenhängen). Einige dieser Programme enthalten auch Module zur kritischen Reflexion von Alkoholwerbung, die auch als »Alkohol-Medienkompetenz-Training« bezeichnet werden. Es ist wichtig, dass die Programme auf das Alter der Schüler*innen zugeschnitten sind, um geeignete Ziele (Förderung eines risikoarmen Alkoholkonsums bei älteren Schüler*innen oder Verzögerung des Einstiegs bei jüngeren Schüler*innen) und Methoden zu formulieren.

2. Leicht zugängliche Informationen über Alkoholkonsum bereitstellen

Der Zugang zu genauen Informationen über den Alkoholkonsum und seine gesundheitlichen Folgen ist eine Voraussetzung für die Entwicklung von Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol. Öffentliche Aufklärungskampagnen sind in diesem Zusammenhang eine wichtige Maßnahme. Auch wenn die Auswirkungen im Allgemeinen schwer nachzuweisen sind, wurden zwei verschiedene Kampagnen mit einer stärkeren Sensibilisierung für Alkohol als Krebsrisikofaktor und einer größeren Unterstützung für Alkoholkontrollmaßnahmen in Verbindung gebracht. In Deutschland informiert die weithin bekannte und laufende Kampagne »Kenn dein Limit&laqzo; (www.kenn-dein-limit.de) die Menschen über die Gesundheitsrisiken von Alkohol und ruft zu mäßigem Alkoholkonsum auf.

Es ist zu beachten, dass Aufklärungskampagnen nur eine sehr begrenzte Menge an Informationen vermitteln können. Sie sollten daher in ihren Modalitäten diversifiziert werden, einschließlich interaktiver Formate (zum Beispiel Chatbots), um eine größere Reichweite und ein höheres Engagement zu gewährleisten.

3. Bereitstellung von Informationsmaterial in einfacher Sprache sowie in anderen Sprachen als Deutsch, einschließlich, aber nicht beschränkt auf das Internet

Derzeit gibt es nur wenige alkoholbezogene Informationen (Gesundheitsrisiken, Erläuterungen zu Standardgetränken) in einfacher Sprache oder in anderen Sprachen als Deutsch aus offiziellen Quellen. Um benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu erreichen, zum Beispiel Menschen mit geringer Lese- und Schreibkompetenz und Menschen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch, sollten solche Informationen auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sein.

4. Gesundheitshinweise auf Behältnissen für alkoholische Getränke

Gut sichtbare und leicht verständliche Warnhinweise zeigen vielversprechende Ergebnisse in Bezug auf die Verbesserung des Wissens über Gesundheitsrisiken und die Verringerung des Alkoholverkaufs. Die Wirkung von Gesundheitskennzeichnungen auf das Wissen über den Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebs wurde auch mit einer stärkeren Unterstützung für Alkoholkontrollmaßnahmen in Verbindung gebracht. Darüber hinaus kann die Etikettierung das Verständnis von Standardgetränken erleichtern und die Fähigkeit zum korrekten Einschenken verbessern, sie sollte jedoch von zusätzlichen Aufklärungsinitiativen begleitet werden, um sicherzustellen, dass diese Fähigkeiten angemessen entwickelt werden (siehe Empfehlung 1). Darüber hinaus sollte die Kommunikation über Gesundheitsrisiken mit Botschaften zur Steigerung der Selbstwirksamkeit einhergehen, und die Etiketten sollten vor ihrer Einführung auf ihre Verbraucherakzeptanz getestet werden, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten. Schließlich steht diese Empfehlung im Einklang mit dem Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung, in dessen Rahmen die Europäische Kommission beabsichtigt, einen Vorschlag für gesundheitsbezogene Warnhinweise auf alkoholischen Getränken zu verabschieden.

Wissen über den Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebs bedeutet größere Unterstützung für die Alkoholpolitik

Bierflasche mit Krebswarnung

Wissenschaftlicher Beitrag

Autor*innen: Ashini Weerasinghe (E-Mail: ), Nour Schoueri-Mychasiw, Kate Vallance, Tim Stockwell, David Hammond, Jonathan McGavock, Thomas K. Greenfield, Catherine Paradis und Erin Hobin

Titel: Die Verbesserung des Wissens, dass Alkohol Krebs verursachen kann, ist mit der Unterstützung der Verbraucher für die Alkoholpolitik verbunden: Ergebnisse einer Studie über die Kennzeichnung von Alkohol in der realen Welt

Quelle: Environmental Research and Public Health

Veröffentlichungsdatum: 7. Januar 2020

Warnhinweise auf Alkoholprodukten zur Abschreckung vor Alkoholkonsum und zur Vorbeugung alkoholbedingter Krankheiten: Ein Aufruf zum Handeln in Kanada

Warnhinweise aus Yukon auf Etikettenrolle

Alkohol wird von 80 % der kanadischen Bevölkerung konsumiert, was ihn zu einer der am häufigsten verwendeten Substanzen macht 1. 15 % der Alkoholkonsumenten konsumieren Mengen, die über den in den kanadischen Richtlinien für risikoarmes Trinken empfohlenen Mengen liegen, wobei junge Erwachsene (im Alter zwischen 18 und 24 Jahren) den größten Anteil dieser risikofreudigen Trinker ausmachen 2. Zu den kurzfristigen Folgen des Alkoholkonsums gehören Autounfälle, Gewalt, Alkoholintoxikation und Entzugssyndrome, riskantes Sexualverhalten, alkoholische Hepatitis und das fetale Alkoholsyndrom; und die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen beschränken sich nicht nur auf Leber-, Herz-, onkologische und psychiatrische Erkrankungen, von denen einige tödlich sein können 3,4.

Bereich 2: Gesundheitssystem

Die Empfehlungen zu den Maßnahmen des Gesundheitssystems sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

Nr.
Empfehlung
Alter der Zielgruppen
Wer profitiert am meisten?
Auswirkung auf Voraussetzungen, Eigenschaften oder Folgen der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol
5
Alkoholscreening und anschließende Rückmeldung/Intervention im Rahmen von Routineuntersuchungen für Personen ab 35 Jahren (finanziert durch die gesetzliche Krankenversicherung)
Personen > 35 Jahre
Personen mit riskantem Alkoholkonsum
Voraussetzungen (Dienstleistungsebene)

Eigenschaften (Wissen und Verstehen, Fertigkeiten, kritisches Denken, Systemkompetenz)

Folgen (reduzierter Konsum, verbesserte Gesundheit)
6
Alkoholscreenings für Personen, die neu in Pflegeheime/Einrichtungen aufgenommen werden
Überwiegend ältere Erwachsene
Personen mit riskantem Alkoholkonsum
Voraussetzungen (Dienstleistungsebene)

Eigenschaften (Wissen und Verstehen, Fertigkeiten, kritisches Denken, Systemkompetenz)

Folgen (reduzierter Konsum, verbesserte Gesundheit)
7
Angemessene Finanzierung/Versorgung von Ressourcen für Alkohol-Screenings und Kurzinterventionen in der medizinischen Grundversorgung
Überwiegend Erwachsene
Personen mit riskantem Alkoholkonsum
Voraussetzungen (Dienstleistungsebene)
8
Schulung von Fachkräften der medizinischen Grundversorgung in der Durchführung von routinemäßigen Alkohol-Screenings und Kurzinterventionen
Überwiegend Erwachsene
Personen mit riskantem Alkoholkonsum
Voraussetzungen (Dienstleistungsebene)
5. Alkoholscreening und anschließende Rückmeldung/Intervention im Rahmen von Routineuntersuchungen für Personen ab 35 Jahren (finanziert durch die gesetzliche Krankenversicherung)

Ein Screening auf riskanten Alkoholkonsum mit kurzen, standardisierten Instrumenten wie der Drei-Punkte-Version des Alcohol Use Disorder Identification Test wird in den deutschen Leitlinien zur Früherkennung, Diagnose und Behandlung von Alkohol-Konsumstörungen empfohlen (Hochrisikodefinition gemäß Leitlinie: Frauen ≥ 12 g / Männer ≥ 24 g reiner Alkoholkonsum pro Tag). Alkoholscreening wird in Deutschland in der hausärztlichen Versorgung nur selten durchgeführt, verstärkte Screeningaktivitäten könnten jedoch den Alkoholkonsum in der Bevölkerung senken. Es gibt bereits eine Routineuntersuchung für Erwachsene ab 35 Jahren, die um das Thema Alkohol erweitert werden sollte.

Auch wenn das Screening an sich nicht die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol fördert, erleichtert es doch das Gespräch über Gesundheitsrisiken und möglicherweise die Überweisung an Spezialist*innen, wenn das Screening positiv ausfällt. Interventionen im Anschluss an ein Screening können auf einem Kontinuum alkoholbedingter Gesundheitsrisiken statt auf einem binären Krankheitsmodell basieren, um die Problemerkennung bei Patientengruppen zu verbessern. Bei Patient*innen, bei denen das Screening negativ ausfällt, würden behandelnde Ärzt*innen in der Regel ein positives Feedback geben, das als Anreiz für einen risikoarmen Alkoholkonsum dienen und die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol weiter fördern könnte.

6. Alkoholscreenings für Personen, die neu in Pflegeheime/Einrichtungen aufgenommen werden

Wie bereits erwähnt, kann ein routinemäßiges Alkoholscreening die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol auf verschiedene Weise fördern. Ein routinemäßiges Alkoholscreening mit anschließenden Kurzinterventionen ist in Pflegeheimen durchführbar und kann von Pflegepersonal mit Zusatzausbildung durchgeführt werden. Bei älteren Erwachsenen wird riskanter Alkoholkonsum häufiger nicht erkannt. Eine kleine Minderheit älterer Erwachsener mit hohem Alkoholkonsum benötigt jedoch möglicherweise eine spezialisierte medizinische Versorgung, die in Pflegeheimen nicht verfügbar ist. In diesen Fällen sind ausreichende Kapazitäten erforderlich, um die Patienten bei der Erreichung der Abstinenz oder anderer Behandlungsziele zu unterstützen, und sollten im Voraus geplant werden, einschließlich medikamentöser Entzugsbehandlung und psychosozialer Unterstützung.

7. Angemessene Finanzierung/Versorgung von Ressourcen für Alkohol-Screenings und Kurzinterventionen in der medizinischen Grundversorgung

Das routinemäßige Screening auf Alkoholkonsum und die anschließende Durchführung von Kurzinterventionen erfordern ein hohes Maß an Kapazitäten in der primären Gesundheitsversorgung. Frühere Studien haben gezeigt, dass fehlende finanzielle Anreize ein Haupthindernis für Alkoholscreenings und Kurzinterventionen darstellen und dass das Fehlen einer angemessenen Finanzierung mit einem Rückgang der Alkoholscreenings in England verbunden war. Eine bessere Finanzierung wird sich nicht direkt auf die Gesundheitskompetenz in Bezug auf Alkohol auswirken, ist aber eine Voraussetzung für die Umsetzung der Empfehlungen 5 und 6.

8. Schulung von Fachkräften der medizinischen Grundversorgung in der Durchführung von routinemäßigen Alkohol-Screenings und Kurzinterventionen

In Deutschland, aber auch in den meisten anderen Ländern, werden starker Alkoholkonsum und Alkoholkonsumstörungen in der primären Gesundheitsversorgung nicht häufig behandelt. Die Bedeutung eines routinemäßigen Alkoholscreenings wird von deutschen Fachkräften in der Primärversorgung häufig übersehen, während in anderen Ländern stigmatisierungsbedingte Barrieren stärker ausgeprägt zu sein scheinen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass eine Schulung des Gesundheitspersonals den Umgang mit Alkohol verbessern kann. Schulungen können nicht nur das Wissen und die Fähigkeiten des Gesundheitspersonals in Bezug auf Alkohol verbessern, sondern auch seine Selbstwirksamkeit im Umgang mit Patienten erhöhen. Im Rahmen der Schulung sollten Protokolle für den Umgang mit akuten Fällen, einschließlich der akuten Auswirkungen des Alkoholentzugs, entwickelt werden.

Wie bei Empfehlung 7 wird nicht erwartet, dass die Schulung des Gesundheitspersonals einen direkten Einfluss auf die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol in der Allgemeinbevölkerung hat, sie ist jedoch eine Voraussetzung für die Umsetzung der Empfehlungen 5 und 6.

Bereich 3: Alkoholkontrollpolitik

Die Empfehlungen für alkoholpolitische Maßnahmen sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Es ist wichtig anzumerken, dass alkoholpolitische Maßnahmen nicht direkt auf die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol abzielen, die in der Verantwortung der Einzelnen liegt, aber sie können ein unterstützendes Umfeld schaffen, das die Gesundheitskompetenz fördert. Wenn beispielsweise Schüler*innen beigebracht wird, dass Alkohol schädlich ist und dass sie nicht trinken und Auto fahren sollten, gleichzeitig aber an Tankstellen rund um die Uhr Alkohol verkauft wird, kann dies ein kohärentes Verständnis der durch Alkohol verursachten Schäden beeinträchtigen.

Nr.
Empfehlung
Alter der Zielgruppen
Wer profitiert am meisten?
Auswirkung auf Voraussetzungen, Eigenschaften oder Folgen der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol
9
Verringerung der (räumlichen/zeitlichen) Verfügbarkeit alkoholischer Getränke
Keine Einschränkungen
Keine Einschränkungen
Voraussetzungen (System und soziale Ebene)

Folgen (reduzierter Konsum, verbesserte Gesundheit, geringerer Konsum bei Minderjährigen)
10
Erhöhung der Alkoholsteuern
Keine Einschränkungen
Personen mit aktuellem Konsum, geringere Wirkung bei Personen mit hohem Risikokonsum
Voraussetzungen (System und soziale Ebene)

Folgen (reduzierter Konsum, verbesserte Gesundheit, geringerer Konsum bei Minderjährigen)
11
Verbot der Alkoholwerbung
Technisch gesehen alle, aber die Auswirkungen sind meist auf Jugendliche beschränkt
Keine Einschränkungen
Voraussetzungen (System und soziale Ebene)

Folgen (reduzierter Konsum bei Minderjährigen)
9. Verringerung der (räumlichen/zeitlichen) Verfügbarkeit alkoholischer Getränke

Derzeit gibt es in den meisten deutschen Bundesländern keine zeitlichen oder räumlichen Beschränkungen für den Verkauf von alkoholischen Getränken. Ein in Baden-Württemberg durchgeführtes natürliches Experiment hat jedoch gezeigt, dass ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot außerhalb von Gaststätten zu besseren Gesundheitsergebnissen und weniger Kriminalität führt. Andere (quasi-)experimentelle Studien zeigen, dass der Alkoholkonsum zunimmt, wenn die Zahl der Tage, an denen alkoholische Getränke verkauft werden dürfen, erhöht wird. Zusätzlich zu den zeitlichen Beschränkungen gibt es starke Hinweise darauf, dass eine höhere Dichte von Alkoholverkaufsstellen mit höheren Kriminalitätsraten einhergeht.

Mindestpreise in Schottland führen zu 13% weniger Todesfällen durch Alkohol

Mann und Frau beim High Five auf öffentlichem Platz; davor eine Reihe Weinflaschen und Pfund-Währungssymbol eingeblendet

Die Einführung von Mindestpreisen für Alkohol in Schottland geht mit einem deutlichen Rückgang der alkoholbedingten Todesfälle einher, wie neue Forschungsergebnisse zeigen.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren und acht Monaten nach der Einführung der Politik in Schottland wurde ein Rückgang der alkoholbedingten Todesfälle um 13 % festgestellt, verglichen mit einer Schätzung der Todesfälle, die ohne die Gesetzgebung eingetreten wären, wobei Daten aus England verwendet wurden. Dies entspricht der Vermeidung von 156 Todesfällen pro Jahr, so die in der Zeitschrift Lancet veröffentlichte Studie von Public Health Scotland und der Universität Glasgow.

Am stärksten sank die Zahl der Todesfälle bei Menschen, die in den sozioökonomisch am stärksten benachteiligten 40 % Schottlands leben, und bei Männern.

Diese Studie liefert den bisher eindeutigsten Beweis dafür, dass die Mindestpreise je Maßeinheit (MUP) den durch Alkohol verursachten Schaden in Schottland verringert haben.

Erhebliche Erhöhung des Anteils alkoholfreier Getränke verringert die Auswahl und den Kauf von Alkohol

Flaschen mit alkoholfreiem Wein

Die Erhöhung des Angebots an alkoholfreien Getränken ist eine vielversprechende bevölkerungsweite Maßnahme zur Verringerung des Alkoholkonsums, die bisher noch nicht in einem naturalistischen Umfeld untersucht wurde. Ziel dieser Studie im Online-Einzelhandel war es, die Auswirkungen einer Erhöhung des Anteils alkoholfreier Getränke (im Vergleich zu alkoholischen) auf die Auswahl und den Kauf von Alkohol abzuschätzen.

Diese Studie belegt, dass eine deutliche Erhöhung des Anteils alkoholfreier Getränke – von 25 % auf 50 % oder 75 % – die Auswahl und den Kauf von Alkohol deutlich reduziert.

Beschränktes Alkoholverkaufsverbot in Baden-Württemberg: wirksames Gesetz abgeschafft

Geschlossene Tankstelle bei Nacht

Die Autor:innen haben die Auswirkungen eines beschränkten Verbots von Alkoholverkäufen zwischen 22 und 5 Uhr auf Gewalttaten analysiert. Das Verbot galt in Baden-Württemberg von 2010 bis 2017. Es führte dazu, dass Körperverletzungen abnahmen, hatte aber keinen signifikanten Einfluss auf Sexualstraftaten und Raub. Der Rückgang von Körperverletzungen steht im Gegensatz zu den Ergebnissen einer früheren Evaluation der Landesregierung. Unsere Analyse deutet darauf hin, dass die Landesregierung ein Gesetz abgeschafft hat, obwohl die erwünschten Wirkungen eingetreten sind.

Zusammenhang zwischen Öffnungszeiten, Dichte der Verkaufsstellen und schweren Übergriffen im Nachtleben

Zerbrochene Flasche

Diese Studie ergab, dass die Öffnungszeiten und die Dichte der Verkaufsstellen zusammenwirken, wenn es um das Auftreten schwerer Übergriffe geht. Der spätere Ausschank von Alkohol trägt in Gebieten mit höherer Verkaufsstellendichte zu mehr Übergriffen bei.

Die Studie liefert Beweise für politische Lösungen zur Einschränkung der Zeit und der Verkaufsstellendichte, um Alkoholschäden zu reduzieren.

10. Erhöhung der Alkoholsteuern

Auch eine Erhöhung der Alkoholsteuern zielt nicht direkt auf die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol ab. Wie bei der Verringerung der Erhältlichkeit ist auch bei einer Erhöhung der Einzelhandelspreise durch Steuererhöhungen von einer Verringerung des Konsums und einer Verbesserung der Gesundheit auszugehen. Derzeit gehören die Alkoholsteuern in Deutschland zu den niedrigsten in Europa, was dazu führt, dass alkoholische Getränke in Deutschland erschwinglicher sind als in den meisten anderen Ländern. Um einen Anstieg der Einzelhandelspreise aufgrund von Steuererhöhungen zu rechtfertigen, würden die politischen Entscheidungsträger*innen wahrscheinlich auf die Gesundheitsrisiken von alkoholischen Getränken verweisen – eine Argumentation, die der der Europäischen Kommission ähnelt. Eine öffentliche Debatte über alkoholbedingte Gesundheitsrisiken könnte ein günstiges Umfeld für die Entwicklung von Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol schaffen.

Alkoholbesteuerung unter den Top Ten zur Beseitigung der Armut

Alkoholpolitik ist ein Katalysator für die Nachhaltigkeitsziele

In einer neuen Studie wurden 30 kosteneffiziente Maßnahmen ermittelt, mit denen die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) so schnell wie möglich erreicht werden können. Unter diesen Maßnahmen wurden die Alkoholpolitik und insbesondere die Alkoholbesteuerung als die zweit- und drittwirksamsten sektorübergreifenden Maßnahmen eingestuft. Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen könnten in den nächsten zehn Jahren 150.000 alkoholbedingte Todesfälle verhindert werden. Für jeden ausgegebenen Dollar könnte ein Land den Wert von 76 Dollar an positiven Entwicklungen in der Gesellschaft zurückerhalten, während allein die Alkoholbesteuerung für jeden ausgegebenen Dollar einen Nutzen von 53 Dollar generieren kann.

Fast jede*r Zweite für höhere Steuern auf Tabak und Alkohol

Der Anteil der Steuern auf alkoholische Getränke im Vergleich zu Tabakwaren in Deutschland 2020: Bier 3,9%, Wein 0%, Spirituosen 31,3%, Tabak 63,5%

Fast jede*r zweite Bundesbürger*in findet, dass der Staat die Steuern auf Tabak und Alkohol zur Finanzierung der Krankenkassen erhöhen sollte. Jeweils 45 Prozent der Bundesbürger sind für die Erhöhung der sogenannten Genusssteuern. Auch unter regelmäßigen Raucher*innen befürwortet noch jede*r Fünfte (19 Prozent) eine Erhöhung der Tabaksteuer zugunsten der Krankenkassen. Ausgabefreudiger sind Alkoholkonsument*innen: Rund ein Drittel (34 Prozent) der Personen, die mindestens einmal pro Woche Alkohol trinken, zeigt sich mit Steuererhöhungen auf Alkohol einverstanden.

Ärztetag fordert höhere Steuern und Werbeverbot für legale Suchtmittel

Blick über Stuhlreihen in einem Kongress-Saal

Deutschland gilt nach wie vor als Hochkonsumland für Alkohol. Zudem ist der Konsum von Tabakprodukten unverändert hoch. Der 126. Deutsche Ärztetag hat deshalb höhere Steuern für legale Suchtmittel wie Alkohol und Tabakprodukte sowie ein Werbe- und Sponsoringverbot gefordert. Die Höhe der Steuern für legale Suchtmittel sollte entsprechend der Toxizität der Substanz bemessen werden. Auch müsse »die Verfügbarkeit von Suchtmitteln beispielsweise durch zeitliche Verkaufsbeschränkungen« erschwert werden, betonte der Ärztetag.

Höhere Alkoholsteuern könnten jährlich 130.000 Menschenleben retten

Weinflaschen auf Euroscheinen

Jedes Jahr könnten in der Europäischen Region der WHO durch eine Erhöhung der Alkoholsteuern in den Mitgliedstaaten Tausende Menschenleben gerettet werden. In allen Teilen der Region wird Alkohol niedriger besteuert als Tabakprodukte. Um das unausgeschöpfte Potenzial von Gesundheitssteuern zu erhöhen, hat der Fachliche Beirat des WHO-Regionaldirektors für Europa für Innovationen im Bereich der nichtübertragbaren Krankheiten eine neue Schlüssel-Initiative zum Thema Steuern vorgeschlagen, die in der Steuerpolitik der Länder Berücksichtigung finden könnte.

11. Verbot der Alkoholwerbung

Ein Werbeverbot für alkoholische Getränke zielt nicht direkt auf die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol ab. Obwohl es keine eindeutigen Belege dafür gibt, dass ein Verbot direkte Auswirkungen auf den Alkoholkonsum von Erwachsenen hat, ist davon auszugehen, dass das Alkoholmarketing den Alkoholkonsum von Minderjährigen fördert, zum Beispiel durch die Schaffung positiver sozialer Normen für den Alkoholkonsum. Zusätzlich zu den positiven Auswirkungen auf den Konsum würde ein Marketingverbot die Notwendigkeit kritischen Denkens (zum Beispiel Dekonstruktion der Marketingabsicht) verringern, was zu einer geringeren Einmischung in den Entscheidungsprozess des Einzelnen führen würde (das heißt zu einer direkteren Umsetzung von Wissen in Verhalten).

Werbebeschränkungen für Alkohol-Marken sollten auch für deren alkoholfreie Versionen gelten

Mann balanciert vor Felswand auf einem gespannten Seil über dem AbgrundDas richtige Gleichgewicht in einer komplexen Angelegenheit finden. Bild von Loic Leray bei Unsplash

Nach Ansicht des Doktoranden und Forschungsbeauftragten Nathan Harrison sind Werbebeschränkungen und ein vielseitiges politisches Konzept erforderlich, um die potenziellen Schäden von alkoholfreien Getränken zu minimieren.

Dies ist ein komplexer Bereich, in dem das richtige Gleichgewicht gefunden werden muss, um die Substitution von Alkohol bei Erwachsenen durch alkoholfreie Getränke zu fördern und gleichzeitig junge Menschen so weit wie möglich vor der Vermarktung von Alkohol zu schützen«, so Harrison in seinem Beitrag für den Wettbewerb Student Think Tank der Public Health Association of Australia.

Der Wettbewerb bietet Studierenden die Möglichkeit, ihre Innovation und ihren Enthusiasmus für den Bereich der öffentlichen Gesundheit unter Beweis zu stellen.

Mehrheit der Deutschen für Alkohol-Werbeverbot und höheres Mindestabgabealter

Hausdach, auf dem 'BEER!' in großen Buchstaben aufgestellt istBild von Lance Anderson bei Unsplash

Werbung für alkoholische Getränke ist in Deutschland nahezu uneingeschränkt möglich. Alkoholwerbung fördert den Einstieg von Jugendlichen in den Alkoholkonsum. Jugendliche dürfen in Deutschland Bier und Wein bereits ab 16 Jahren trinken, in Begleitung von Erziehungsberechtigten schon ab 14 Jahren. Je früher junge Menschen ihr erstes alkoholisches Getränk zu sich nehmen, umso größer ist das Risiko, abhängig zu werden. Eine Umfrage des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zeigt, dass sich die Bevölkerung einen besseren Schutz der Jugend vor Alkohol wünscht.

Schutz von Menschen mit einem Alkoholproblem vor Alkoholwerbung

An Flasche angeketteter Mann

Menschen mit einer Alkoholkonsumstörung können durch Alkohol erhebliche gesundheitliche und soziale Schäden erleiden – sie verlieren ihren Arbeitsplatz, ihr Zuhause, ihre Familie, ihre geistige oder körperliche Gesundheit oder sogar ihr Leben – aber sie sind auch anfälliger für Alkoholmarketing. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat daher die Verringerung der Präsenz von Alkoholreizen, die bei Menschen mit einem Alkoholproblem das Verlangen nach Alkohol auslösen können, als eines der Hauptziele von Marketingbeschränkungen bezeichnet.

Blienert fordert stärkere Regulierung der Werbung für Tabak, Alkohol und Sportwetten

Teilnehmer*innen an der Debatte 'Wieviel Werbung darf's denn sein?'

Am 24. April 2023 lud der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung zum Auftakt seiner neuen Veranstaltungsreihe »Debatte (ge)SUCHT« Vertreter*innen aus Wissenschaft, Marketing und Industrie ein und diskutierte mit ihnen über Werbung für Alkohol, Tabak und Glücksspiel.

Blienert forderte dazu eine starke Regulierung von Werbung für Alkohol, Tabak und Glücksspiel. Es müsse Schluss sein mit dem Bierwerbespot bei der Fußballübertragung oder dem Logo auf der Sponsorenwand.

Bewertung der Empfehlungen durch die Expert*innen

Alle Experten bewerteten jede der elf Empfehlungen hinsichtlich ihrer wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol auf einer Skala von 1 bis 10. Sowohl für die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol (ICC = 0,88; 95 % Konfidenzintervall: 0,76 – 0,96) als auch für den Alkoholkonsum (ICC = 0,85; 95 % Konfidenzintervall: 0,70 – 0,94) zeigten die Bewertungen eine gute Übereinstimmung. Die Ratings sind in Abbildung 3 zusammengefasst.

Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen wurden im Hinblick auf die Verbesserung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol hoch bewertet, ihre Auswirkungen auf den Alkoholkonsum jedoch niedrig, während dieses Muster bei den Alkoholkontrollmaßnahmen umgekehrt war. Die Bewertungen zeigten eine gute Übereinstimmung (ICC: 0,85 – 0,88).

Diskussion

In dieser Studie haben wir 11 Empfehlungen abgeleitet, um die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol zu erhöhen und den Alkoholkonsum in der deutschen Bevölkerung zu reduzieren. Vor allem aufklärungsorientierte Maßnahmen wie (schulische) Präventionsprogramme und Gesundheitssiegel wurden als wirksamer eingeschätzt, wenn es darum geht, die individuelle Kompetenz im Umgang mit Alkoholkonsum und Alkoholschäden zu erhöhen, weniger jedoch, wenn es darum geht, den Alkoholkonsum selbst zu beeinflussen. Umgekehrt gaben die Expert*inneen politischen Maßnahmen zur Kontrolle des Alkoholkonsums den Vorrang, wobei sie Alkoholsteuern als das wirksamste Instrument zur Eindämmung des Konsums ansahen, während sie weniger direkte Auswirkungen auf die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol erwarten. Obwohl diese Empfehlungen für Deutschland entwickelt wurden, sind sie wahrscheinlich auch auf andere Länder mit ähnlichen kulturellen und wirtschaftlichen Bedingungen, wie die meisten mittel- und westeuropäischen Länder, übertragbar.

Interpretation der Ergebnisse

Die Einschätzungen der Expert*innen legen nahe, dass die Verbesserung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol und die Verringerung des Alkoholkonsums möglicherweise zwei unterschiedliche Wege erfordern. Ein restriktiveres Umfeld (Werbeverbote, geringere Verfügbarkeit, höhere Steuern) dürfte zwar den Alkoholkonsum in bestimmten Bevölkerungsgruppen verringern, aber nicht unbedingt die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol verbessern, zum Beispiel das Verständnis der Gesundheitsrisiken oder die Fähigkeit, die gewünschte Menge Alkohol zu konsumieren. Umgekehrt dürften wirksame Präventionsprogramme und Gesundheitskennzeichnungen auf den Verpackungen alkoholischer Getränke zwar die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol verbessern, sich aber nicht unbedingt auf das Konsumverhalten auswirken.

Dieses Muster könnte dahingehend interpretiert werden, dass Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol eine vom Alkoholkonsum getrennte Einheit ist. Die Literatur scheint diese Einschätzung zu unterstützen: Programme zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol konzentrieren sich in der Regel auf psychologische Konzepte wie Bewusstsein oder Fähigkeiten (während die Evaluation von Alkoholkontrollmaßnahmen in der Regel auf " class="newtab" rel="noopener noreferrer" target="_blank" title="Öffnet Website in neuem Fenster oder Tab">Verkaufszahlen oder gesundheitlichen Ergebnissen basiert). Dieser offensichtliche Unterschied könnte durch die Ziele der Interventionen erklärt werden, die durch die Interessen der Beteiligten bestimmt werden. Möglicherweise sind die Initiatoren von Aufklärungsprogrammen bescheiden genug, um nicht zu erwarten, dass ihr Programm kurzfristig einen spürbaren Einfluss auf den Konsum hat, oder sie sind tatsächlich mehr an psychologischen Konzepten interessiert, die das Verhalten erklären. Umgekehrt sind politische Entscheidungsträger*innen möglicherweise nicht daran interessiert, ob das Risikobewusstsein der Alkoholkonsument*innen nach einer Preiserhöhung gestiegen ist. Wenn jedoch die (langfristigen) Auswirkungen von Aufklärungsprogrammen auf den Konsum nicht gemessen werden und die Rolle der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol für den Erfolg strengerer Kontrollmaßnahmen ignoriert wird, bleiben diese beiden Aktionsbereiche getrennt, was ihre potenzielle Wirksamkeit einschränkt.

Obwohl wir keine empirischen Belege für die Notwendigkeit einer Kombination dieser beiden Forschungsbereiche liefern, steht die wahrgenommene Diskrepanz zwischen Aufklärungsprogrammen und Kontrollmaßnahmen im Widerspruch zur Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol. Nach dem von Okan und Kollegen vorgeschlagenen Ansatz ist die Systemebene eine Voraussetzung für die Entwicklung von Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol. Mit anderen Worten, ein Umfeld, das vermittelt, dass Alkohol keine gewöhnliche Ware ist, sondern bestimmte soziale und gesundheitliche Risiken birgt, sollte das Erlernen entsprechender Kognitionen und Fertigkeiten wie Risikobewusstsein und Servierkompetenz erleichtern. Darüber hinaus kann ein erhöhtes Risikobewusstsein auch den Weg für strengere Kontrollmaßnahmen ebnen.

Im Gegensatz zu diesen theoretischen Annahmen ist das empirische Wissen über die Wechselwirkungen zwischen Alkoholkontrollpolitiken und Aufklärungsmaßnahmen sehr begrenzt. Es wäre denkbar, dass eine Erhöhung der Alkoholsteuern in Verbindung mit einer breit angelegten Aufklärungskampagne (zum Beispiel über Grenzwerte für riskanten Alkoholkonsum) das Verständnis für alkoholbedingte Gesundheitsrisiken fördert und damit einen stärkeren Einfluss auf den Alkoholkonsum hat als jede der beiden Maßnahmen für sich genommen. Ausgehend von diesen Überlegungen erscheint es sinnvoll, dass die Forschung nach Möglichkeiten sucht, die Lücke zwischen diesen beiden Aktionsbereichen zu schließen, um die angestrebten Effekte zu maximieren.

Obwohl wir eine Reihe von Empfehlungen identifiziert haben, die realisierbar erscheinen, um die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol zu verbessern und den Konsum bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu reduzieren, ist auch eine gewisse Vorsicht geboten, die deutlich wird, wenn man Parallelen zu den Erfolgen beim Tabakkonsum zieht. Im Gegensatz zum Alkoholkonsum ist der Tabakkonsum in Deutschland in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Dies ist wahrscheinlich auf eine Kombination verschiedener Maßnahmen zurückzuführen, darunter Kontrollmaßnahmen (zum Beispiel Preiserhöhungen und Einschränkungen der Orte, an denen geraucht werden darf) und Aufklärungsmaßnahmen (zum Beispiel Warnhinweise). Obwohl diese Strategie im Großen und Ganzen erfolgreich war, hat sich das Rauchverhalten von Bevölkerungsgruppen mit höherem sozioökonomischen Status auf Bevölkerungsgruppen mit niedrigerem sozioökonomischen Status verlagert, was eine wesentliche Ursache für gesundheitliche Ungleichheiten darstellt. Es wurde sogar argumentiert, dass strenge Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums zu einer Stigmatisierung derjenigen führen könnten, die weiterhin rauchen, was den Zugang zur Gesundheitsversorgung erschweren könnte.

Aus diesen Erfahrungen gilt es zu lernen und Fehler nicht zu wiederholen. Einerseits deuten die Erfahrungen mit dem Tabakkonsum darauf hin, dass Kontrollmaßnahmen nur bei Personen mit höherem sozioökonomischem Status wirksam sein können und zu einer Segregation und damit Stigmatisierung der Konsument*innen führen können. Andererseits hängt die Entwicklung von Gesundheitskompetenz stark von Ressourcen wie Bildung und finanziellem Hintergrund ab. So wurde beispielsweise eine große deutsche Aufklärungskampagne zu Alkoholrisiken von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Jugendlichen ohne höheren Bildungsabschluss weniger wahrgenommen. Der alleinige Fokus auf die Stärkung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol kann daher auch dazu führen, dass Ungleichheiten in Bezug auf den Alkoholkonsum und seine Folgen verstärkt werden.

Während der Alkoholkonsum im Gegensatz zum Tabakkonsum heute im Alltag gut akzeptiert und in allen Alters-, Geschlechts- und Bildungsgruppen verbreitet ist, gehören Alkoholkonsumstörungen neben der Schizophrenie zu den am stärksten stigmatisierten Erkrankungen; dies wird als eine der Ursachen für die sehr niedrigen Behandlungsraten dieser Erkrankung angesehen. Die Stigmatisierung von Menschen mit Alkoholkonsumstörungen hindert Betroffene und Leistungserbringer daran, ehrlich und unvoreingenommen über Alkoholkonsum zu sprechen.

In Anlehnung an die Erfahrungen mit der Raucherentwöhnung schlagen wir vor, dass jede Maßnahme zur Bekämpfung der sozialen Belastung durch Alkohol zu einer gleichmäßigen Reduzierung in allen sozioökonomischen Gruppen führen sollte, ohne dass Personen, die Alkohol konsumieren oder Alkoholprobleme entwickelt haben, stigmatisiert werden. Es ist wichtig, die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen in dieser Hinsicht zu überwachen.

Beschränkungen

Die in dieser Studie vorgestellten Empfehlungen sind das Ergebnis einer unsystematischen und undokumentierten Literaturrecherche. Obwohl sie auf der Grundlage der Beiträge der Expert*innen angepasst und erweitert wurden, können wir eine Verzerrung der Auswahl nicht ausschließen. Es ist auch möglich, dass die Auswahl der an dieser Studie beteiligten Expert*innen die durchschnittlichen Bewertungen beeinflusst hat. Insgesamt bestand jedoch eine gute Übereinstimmung zwischen den Expert*innen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund, was das Risiko minimiert, dass eine andere Gruppe von Expert*innen zu wesentlich anderen Bewertungen gekommen wäre.

Schlussfolgerungen

Um eine nachhaltige Verbesserung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol und eine Reduktion des Alkoholkonsums zu erreichen, bedarf es einer umfassenden Alkoholstrategie. Am Beispiel Deutschlands haben wir 11 Empfehlungen identifiziert, die geeignet sind, die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol zu verbessern und den Alkoholkonsum zu reduzieren. Beide Ziele – die Verbesserung der Gesundheitskompetenz im Umgang mit Alkohol und die Reduzierung des Alkoholkonsums – sollten komplementär und nicht getrennt voneinander betrachtet werden.

Quelle: BMC

Übersetzt mit www.DeepL.com