Ein neues Lehrstück in Sachen Alkoholpolitik wurde uns in den letzten Tagen von der Weinindustrie vorgeführt. Nun muss man wissen, dass die Weinindustrie sich in erster Linie darum bemüht, weiterhin Bestandteil der Europäischen Landwirtschaftspolitik zu sein. Denn was an den Hängen der europäischen Flüsse wächst und geerntet wird, muss doch gut sein! Trotzdem gibt es immer wieder – man will es kaum glauben – Bestrebungen, die darauf zielen, dass es sich bei Wein um ein ebenso gefährliches Produkt wie bei allen anderen alkoholischen Getränken handelt.
Stolz vermeldet also nun die Deutsche WeinAkademie, dass die gemeinsamen europäischen Bemühungen der Weinbauverbände ein neues Dach haben: WINEinModeration.eu wird auf eigene Füße gestellt. Das Wichtigste an dieser Info-Veranstaltung war sicherlich, dass Paola Testori, Leiterin der Generaldirektion SANCO (der Europäischen Kommission), vertreten war und dass sie die Gründung des Vereins zur Kenntnis nahm.
Worum geht es genau? In einem Satz zusammengefasst: Es geht darum, Warnhinweise auf Weinflaschen zu verhindern. Das Werkzeug der Europäischen Kommission auf dem Felde der Alkoholpolitik ist das »Forum Alkohol und Gesundheit«, dem nicht nur die auf diesem Felde tätigen Nicht-Regierungsorganisationen wie zum Beispiel die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), die Guttempler in Deutschland oder Eurocare, die Allianz der entsprechenden europäischen Organisationen, angehören, sondern auch die Alkoholproduzenten und ‑verteiler. Zu Beginn des Forums wurden sogenannte »Commitments« eingefordert, in denen die Mitglieder erklären mussten, welche alkoholpolitischen Ziele sie sich für die nächsten Jahre auf ihre Fahnen schreiben.
Die Weinindustrie hatte sich verpflichtet, in den ersten drei Jahren über die gesundheitlichen Gefahren des Weinmissbrauchs zu informieren, und dazu »Europäische Kommunikationsstandards für Wein« entwickelt. Die Mitgliedsfirmen sollten sich zu diesen Kommunikationsstandards verpflichten. Das war nicht sonderlich erfolgreich, also gründete man nun eine ausgelagerte »Non-Profit-Organisation« mit der Aufgabe, mehr Partner zu gewinnen.
Die WiM (Wein in Moderation) beinhaltet die Verpflichtung zur verantwortungsvollen Werbung für Wein. Und, so steht es in der Pressemeldung der DWA, um die eigenen Hersteller zum Mitmachen zu gewinnen, »wenn dieses Logo (von WiM) die klassischen Warnhinweise oder Schwangeren-Piktogramme, die in einigen EU-Ländern bereits Pflicht sind, ersetzen würde, könnte dies eine überlegenswerte Perspektive sein.«
Es geht also darum, mit einer eigenen (freiwilligen) Kampagne staatlichen Restriktionen zuvor zu kommen. »Seht her, wir tun doch etwas«, so sollen es Politik und Verwaltung zur Kenntnis nehmen. Allerdings müssten die Politiker und die Verwaltung inzwischen merken, dass das alles nur dazu angetan ist, ihre Bemühungen, die alkoholbedingten Schäden zu reduzieren, zu konterkarieren. Wir brauchen keine wie auch immer geartete Werbung für alkoholische Getränke, wir brauchen keine Tarn-Organisationen der Alkoholindustrie – wir brauchen eine stringente Alkoholpolitik, die den Pro-Kopf-Konsum senkt, die Schäden minimiert und die Hersteller ignoriert.
Rolf Hüllinghorst