Die European Alcohol Policy Alliance (Eurocare) äußert ernsthafte Bedenken hinsichtlich der kürzlich vorgeschlagenen EU-Maßnahmen zur Kennzeichnung von Wein, insbesondere derjenigen, die alkoholfreie und alkoholarme Weine betreffen. Diese Vorschläge, die in dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Entwurf des »Weinpakets« enthalten sind und derzeit im Europäischen Parlament und im Rat der EU diskutiert werden, könnten in direktem Widerspruch zur Lebensmittel-Informationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) stehen.
Gemäß der Lebensmittel-Informationsverordnung müssen alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von weniger als 1,2 Volumenprozent (Vol. %) – genau wie alle anderen Lebensmittel auf dem EU-Binnenmarkt – eine vollständige Zutatenliste und Nährwertangaben auf der Verpackung tragen. Die Vorschläge der Kommission zur Kennzeichnung von Wein scheinen diese Anforderung zu umgehen, indem sie
- die Möglichkeit einführen, Zutatenangaben über QR-Codes anstelle von Angaben auf dem Etikett bereitzustellen,
- branchenspezifische Vermarktungsbegriffe wie »null Alkohol«, »alkoholfrei« und »alkoholarm« vorschlagen, die in der Lebensmittel-Informationsverordnung nicht definiert sind,
- standardisierte Kennzeichnungsbegriffe wie »teilentalkoholisiert« ersetzen,
- die Angabe der Entalkoholisierungsmethode vorschreiben.
Eurocare ist zutiefst besorgt darüber, dass die GD AGRI und die Europäische Kommission Maßnahmen zur Kennzeichnung von Wein vorantreiben, ohne die ordnungsgemäßen demokratischen Verfahren einzuhalten. Diese Vorschläge wurden ohne umfassende Konsultation vorgelegt und es fehlt eine erforderliche Folgenabschätzung, was die Transparenz, die Einbeziehung der Interessengruppen und das Vertrauen der Öffentlichkeit untergräbt. Entscheidungen, die die Verbraucherrechte, die öffentliche Gesundheit und den EU-Binnenmarkt betreffen, müssen in einem inklusiven und rechenschaftspflichtigen Verfahren getroffen werden. Der Kontrast zu der Regulierung anderer Sektoren wirft eine klare Frage auf: Zwei Maßstäbe? Das ist nicht akzeptabel.
Seit Jahren nutzt die Europäische Kommission die ›Notwendigkeit einer Folgenabschätzung‹ als bequeme Ausrede, um die längst überfällige Kennzeichnung alkoholischer Getränke gemäß der Lebensmittel-Informationsverordnung zu verzögern. Nun aber verwirft sie in derselben Frage ihre eigenen Grundsätze für bessere Rechtsetzung und beschließt in aller Eile ohne Bewertung, Konsultation und Transparenz Änderungen der Kennzeichnung für Wein. Das ist nicht nur ein Vertrauensbruch gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch eine eklatante Doppelmoral. Die Bürger*innen verdienen kohärente und einheitliche Vorschriften und keine Politik, die darauf ausgerichtet ist, den Interessen der Industrie zu gefallen. Die Umgehung eines ordnungsgemäßen Verfahrens in einer wichtigen Frage der öffentlichen Gesundheit untergräbt die demokratische Rechenschaftspflicht. In einer Zeit, in der die EU die Legitimität der Zivilgesellschaft in Frage stellt, erscheint es beunruhigend, dass sie sich so bereitwillig von mächtigen Alkoholproduzent*innen leiten lässt«, sagte Florence Berteletti, Generalsekretärin von Eurocare.
Die Kommission hat im Rahmen des Europäischen Plans zur Krebsbekämpfung bis 2021 zugesagt, die Lebensmittel-Informationsverordnung zu ändern und eine obligatorische Kennzeichnung aller alkoholischen Getränke mit Angaben zu Inhaltsstoffen und Nährwerten einzuführen. Diese Zusage wurde jedoch noch nicht umgesetzt. Unterdessen werden Ausnahmen für Wein ohne Begründung rasch vorangetrieben. Eurocare und seine Partner haben dies während der Europäischen Aktionswoche zur Aufklärung über alkoholbedingte Schäden (AWARH) 2024 angesprochen und das Recht der Bürger*innen auf Information über die von ihnen konsumierten Produkte betont. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie sind gescheitert – es ist Zeit für eine kohärente, bürger*innenorientierte EU-Politik.
Die vorgeschlagenen Kennzeichnungsmaßnahmen scheinen direkt von der Hochrangigen Gruppe für Weinpolitik zu stammen, in der die Stimmen der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Gesundheit nicht berücksichtigt wurden. Eurocare hat wiederholt Bedenken hinsichtlich dieses Verfahrens geäußert. Der erklärte Schwerpunkt der Gruppe auf den Herausforderungen und Chancen für die Landwirtschaft kann nicht glaubwürdig angegangen werden, ohne die Folgen der Alkoholproduktion und des Alkoholkonsums für die öffentliche Gesundheit anzuerkennen. Die Ausklammerung dieser Aspekte ist ein großes Versäumnis, insbesondere angesichts der Verpflichtungen der EU im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.
Die Beteiligung der Interessengruppen an der hochrangigen Gruppe beschränkte sich auf die vorherrschenden Narrative der Industrie, was die Glaubwürdigkeit und Inklusivität ihrer Ergebnisse untergräbt. Eurocare hat argumentiert, dass eine Ausrichtung der Diskussionen über die Weinpolitik am Rahmenwerk der EU für Folgenabschätzungen (unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Folgen) einen ausgewogenen und kohärenten Ansatz gewährleisten würde. Die Perspektiven der öffentlichen Gesundheit, der Landwirtschaft, der Umwelt und des Marktes müssen im Einklang mit den One-Health-Grundsätzen integriert werden. Wir sind außerdem der Meinung, dass der Gesundheitsbeauftragte, die Gesundheitsminister, Expert*innen der Weltgesundheitsorganisation WHO und Fachleute aus dem Bereich der öffentlichen Gesundheit in die Gestaltung der künftigen Weinpolitik einbezogen werden sollten.
Die Europäische Region der WHO hat weltweit den höchsten Anteil an Alkoholkonsumenten und den höchsten Alkoholkonsum. Alkohol ist eine der Hauptursachen für mehr als 200 Krankheiten, darunter sieben Krebsarten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Leberzirrhose. Er verursacht in der Region jährlich fast 1 Million Todesfälle. Seine Auswirkungen beginnen schon früh im Leben, unter anderem durch fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD), die zu 100 % vermeidbar sind. Alarmierend ist, dass Alkohol für jeden vierten Todesfall bei Menschen im Alter von 20 bis 24 Jahren verantwortlich ist und damit die Lebenserwartung, die Produktivität und die wirtschaftliche Entwicklung erheblich beeinträchtigt.
Skandalöser Zuschuss: Aufdeckung des Wein-Paradoxons der EU
Das neue »Weinpaket« der Europäischen Kommission ist ein beunruhigendes Paradoxon: Während das öffentliche Bewusstsein für die Gefahren des Alkoholkonsums wächst und der Konsum sinkt, verdoppelt Brüssel die Subventionen für eine angeschlagene, gesundheitsschädliche Industrie. Statt die öffentliche Gesundheit zu schützen, schlägt die Kommission unter anderem QR-Codes statt echter Warnhinweise vor und bietet den Verbraucher*innen Illusionen statt Informationen. Hinter diesem neuen Vorschlag steht der mächtige Einfluss der Weinindustrie, deren Lobbyarbeit die EU-Institutionen dazu gebracht hat, privaten Profit über das öffentliche Interesse zu stellen. Dieser Vorschlag wirft grundlegende Fragen über das Engagement der EU für Fairness, Gesundheit und ihre eigenen Grundwerte auf, schreiben Rebecka, Otto und Emil.
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Europaparlament erledigt die Drecksarbeit für die Alkoholindustrie
Der Lobbyarbeit der Alkoholindustrie ist es gelungen, die alkoholpolitischen Elemente des vom Sonderausschuss des Europäischen Parlaments zur Krebsbekämpfung (BECA) erstellten Berichts zum kontroversesten Teil der gesamten Debatte zu machen. Von den 70 Abgeordneten, die sich zu Wort meldeten, sprachen 25 Abgeordnete speziell über Alkohol, und viele von ihnen wiederholten die Argumente und Mythen der Alkoholindustrie. Erschreckenderweise waren die meisten Kommentare der Fraktionen ID (Rechtspopulist:innen) und EVP (Mitte-Rechts) Wiederholungen von Argumenten der Alkoholindustrie.
In diesem Artikel befassen wir uns mit dem BECA-Bericht und damit, was nach der Lobbyarbeit der Alkoholindustrie im Europäischen Parlament damit geschah.
Expert:innen erläutern, was das Ergebnis der Abstimmung bedeutet und wie es in Europa mit der Krebsbekämpfung weitergeht.
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Quelle: EuroCare
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