Das Logo zeigt eine Grafik mit einem dunklen Kreis, in dem zwei Kinder in grün und orange nebeneinander mit ausgestreckten Armen hervorspringen. Daneben der Text: Kinder ohne Alkohol und Nikotin.

Initiative für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Alkohol- und Nikotin-Marketing

Unterstützen Sie uns!

Mann zeigt Frau vor Bürogebäude etwas in der Ferne

Die Einschränkung von Alkoholwerbung und ‑marketing ist eine kosteneffiziente Maßnahme zur Verringerung der schädlichen Wirkungen von Alkohol.

Die Alkoholindustrie behauptet jedoch, dass die Werbung keinen Einfluss auf den Konsum hat, da sie den Verbraucher*innen bei der Auswahl von Marken helfen soll, sich nicht an junge Menschen richtet, nur für einen »verantwortungsvollen Konsum« wirbt und keine kausalen Zusammenhänge mit dem Konsum aufweist.

Autor:innen: Nason Maani Hessari, Adam Bertscher, Nathan Critchlow, Niamh Fitzgerald, Cécile Knai, Martine Stead und Mark Petticrew

Zitierung: Maani Hessari N, Bertscher A, Critchlow N, Fitzgerald N, Knai C, Stead M, Petticrew M. Recruiting the "Heavy-Using Loyalists of Tomorrow": An Analysis of the Aims, Effects and Mechanisms of Alcohol Advertising, Based on Advertising Industry Evaluations. Int J Environ Res Public Health. 2019 Oct 24;16(21):4092. doi: 10.3390/ijerph16214092. PMID: 31652921; PMCID: PMC6862254.

Quelle: International Journal of Environmental Research and Public Health

Datum der Veröffentlichung: 24. Oktober 2019

PDF herunterladen

Rekrutierung der »stark konsumierenden Kund*innen von morgen«: Eine Analyse der Ziele, Wirkungen und Mechanismen der Alkoholwerbung auf der Grundlage von Bewertungen der Werbebranche

Abstrakt

Die Forscher*innen untersuchten 39 von der Werbeindustrie veröffentlichte Fallstudien (1981 – 2016), in denen die Auswirkungen von Alkoholwerbekampagnen bewertet wurden. Anhand dieser Studien untersuchten sie die Behauptungen der Branche.

30 von 39 (77 %) der Fallstudien nannten die Erhöhung/Erhaltung des Marktanteils als Ziel oder bewerteten die Wirksamkeit von Werbekampagnen anhand dieses Ziels. Die meisten (25 von 39, 64 %) stellten fest, dass die Kampagnen die konsumbezogenen Ergebnisse erhöhten. Einige Kampagnen zielten auf Frauen und starke Konsument*innen (zum Beispiel Stella Artois Lagerbier, Famous Grouse Whisky). Häufig (13 von 39, 33 %) zielten die Kampagnen auf jüngere Konsument*innen ab. Diese Daten zeigen, dass Werbung den Marktanteil beeinflusst.

Zu den weiteren in den Fallstudien berichteten Wirkungen gehört die Veränderung des Verbraucherprofils hin zu jüngeren Konsument*innen, Frauen, neuen/zurückgefallenen Konsument*innen und starken Konsument*innen. Sie liefern auch Beweise für einen kausalen Zusammenhang zwischen Werbung und Konsum.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese auf Branchendaten basierende Analyse wichtige neue Erkenntnisse liefert über

  1. die Auswirkungen der Alkoholwerbung auf konsumbezogene Ergebnisse und
  2. die Mechanismen, durch die sie diese Auswirkungen erzielt.

Einführung

Alkoholwerbung ist ein wichtiger Einflussfaktor für den Alkoholkonsum, und es gibt Belege dafür, dass die Einschränkung von Werbung und Marketing eine kosteneffiziente Maßnahme zur Verringerung von Alkoholschäden darstellt. Die Vermarktung von Alkohol erfolgt über eine Vielzahl von Orten und Formaten, zu denen laut Jernigan et al. ein Mix aus Aktivitäten wie traditionelle Print- und Rundfunkmedien sowie digitale Medien, Außenwerbung, Produktplatzierungen in Fernsehsendungen, Filmen und Songtexten, Verkaufsförderung in Geschäften und Preisaktionen, Markenartikel, Werbung von Prominenten und Sponsoring von Sport- und Musikveranstaltungen gehören.

Die Mechanismen, durch die dieser Einfluss ausgeübt wird, sind gut dokumentiert worden. Alkoholmarketing kann zu einer affektiven oder kognitiven Reaktion bei den Verbrauchern führen, durch die sie für das Marketing empfänglich werden und eine interaktive Beziehung zu der spezifischen Marke entwickeln. Darüber hinaus stehen die wahrgenommenen Normen der Gleichaltrigen in Bezug auf den Alkoholkonsum im späten Jugendalter und im jungen Erwachsenenalter mit starkem Alkoholkonsum und problematischem Alkoholkonsum in Zusammenhang. Es ist zum Beispiel bekannt, dass Marketing und Werbung nicht nur den Konsum beeinflussen, sondern auch die Überzeugungen über die Akzeptanz von starkem Alkoholkonsum. Bei jungen Menschen zielt die Werbung darauf ab, sie anzusprechen, so dass sie die Werbung mögen, woraufhin der Wunsch entsteht, den in der Werbung dargestellten Lebensstil nachzuahmen, was zu Überzeugungen über die positiven Vorteile führt. Diese Veränderungen in den Überzeugungen (über die sozialen Vorteile von Alkohol) gehen dann mit Veränderungen im Konsum einher, und die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass Alkoholwerbung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass junge Menschen mit dem Alkoholkonsum beginnen und auch mehr davon trinken, wenn sie damit beginnen.

Die Auswirkungen auf den Konsum im Allgemeinen sind gut belegt, auch wenn es sich größtenteils um Assoziationen und Querschnittsstudien handelt. Eine systematische Überprüfung von Längsschnittstudien aus dem Jahr 2016 ergab jedoch in zwölf Studien, die seit 2008 veröffentlicht wurden, positive Zusammenhänge zwischen dem Grad der Marketingexposition und dem Alkoholkonsum von Jugendlichen. In der Übersichtsarbeit wird auch betont, wie wichtig es ist, die Botschaften des Marketings zu verstehen – nicht nur, ob Werbung wirkt, sondern auch wie sie wirkt. Die Autor*innen stellen zum Beispiel fest, dass die Markenbekanntheit, einschließlich der Identifizierung als »Markenkonsument*in«, ein wichtiger Einflussfaktor ist.

Trotzdem ist die staatliche Regulierung von Werbung und Marketing in vielen Ländern minimal. Stattdessen ist die Alkoholwerbung häufig Gegenstand der Selbstregulierung, die von der Alkoholindustrie befürwortet werden. Sie weist die Kritik an ihren Selbstregulierungskodizes zurück und bestreitet die Beweise für die Auswirkungen auf den Konsum, indem sie behauptet, das Ziel der Werbung sei die Beeinflussung des Marktanteils.

Die Forscher*innen haben eine wichtige neue Quelle von Beweisen für die Auswirkungen der Alkoholwerbung gefunden, die in früheren systematischen Übersichten nicht berücksichtigt worden zu sein scheint. Bei dieser Quelle handelt es sich um eine Reihe von evaluativen Fallstudien der Werbebranche, die über die Wirksamkeit von Werbekampagnen berichten. Diese Fallstudien wurden vom Institute of Practitioners in Advertising in 23 Bänden von 1981 bis zum letzten, den sie 2016 identifiziert haben, veröffentlicht (ein Band von 2018 wurde nach Abschluss dieser Analyse veröffentlicht und ist hier nicht enthalten).

Die vorliegende Studie stellt die erste Analyse des Inhalts und der Ergebnisse dieser Fallstudien dar. Ihre Hauptziele waren:

  1. diese Daten zu nutzen, um fünf gängige Behauptungen der Alkohol- und Werbeindustrie über den Zweck und die Auswirkungen (oder das Fehlen von Auswirkungen) von Alkoholwerbung zu überprüfen (siehe Tabelle 1), und
  2. die wichtigsten Wirkmechanismen der Alkoholwerbung zu ermitteln, wie sie in diesen Fallstudien beschrieben werden.

Tabelle 1

Fünf gängige Behauptungen der Alkoholindustrie über die Auswirkungen der Werbung auf den Konsum.

Behauptung
Beispiel der Behauptung, und Quelle
1. Werbung beeinflusst in erster Linie die Markenwahl/den Marktanteil: Der Hauptzweck der Werbung ist die Beeinflussung der Markenwahl und damit die Erhöhung des Marktanteils (das heißt, sie stimuliert nicht den Gesamtverbrauch)
»In einem reifen Markt besteht der Zweck des Marketings darin, sich von den einzelnen Markenprodukten zu unterscheiden – es zielt darauf ab, den Marktanteil zu erhöhen«.
Quelle: Assessing equity in systematic reviews: realising the recommendations of the Commission on Social Determinants of Health
2. Werbung regt den Konsum nicht an und soll ihn auch nicht anregen: Werbung schafft keine Nachfrage und beeinflusst den Verbrauch nicht.
»… Werbung ist sehr effektiv, um einen Markenwechsel zu erreichen, hat aber höchstens einen marginalen Einfluss auf den Gesamtkonsum.«
Quelle: Briefing on the Regulation of Alcohol Marketing in the UK Portman Group
»… Werbung ist Teil der Reaktion des Herstellers auf die Nachfrage der Verbraucher*innen.«
Quelle: Advertising Opinion South Africa Putting a Band Aid on Alcohol Abuse?
3. Jeder beobachtete Zusammenhang zwischen Werbung und Konsum ist nicht kausal
»Es gibt keine Studien zur Alkoholwerbung, die die ›Wirkung‹ einer Werbung von der Exposition über den Kauf bis zum anschließenden Konsumverhalten effektiv nachzeichnen können. Es gibt keine zuverlässigen Untersuchungen, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Werbung und Konsum nachweisen«.
Quelle: Getting the Facts Right on Alcohol Advertising and Consumption European Spirits Industry Representative Body
4. Die Werbung fördert oder duldet keinen unverantwortlichen oder schädlichen Alkoholkonsum.
»Die Scotch-Whisky-Industrie nimmt ihre Verpflichtung ernst, ihre Produkte auf verantwortungsvolle Weise an die Verbraucher*innen zu vermarkten. Verantwortungsvolle Werbung ist für die Hersteller von Scotch Whisky von grundlegender Bedeutung … … Brennereien suchen nicht um jeden Preis nach Verbraucher*innen«.
Quelle: Matured to Be Enjoyed Responsibly. Scotch Whisky Association
5. Werbung hat keinen Einfluss auf junge Menschen oder auf die Förderung des Alkoholkonsums bei jungen oder minderjährigen Menschen
»Alkoholwerbung und/oder Sportsponsoring zielen nicht auf junge Menschen ab und beeinflussen sie auch nicht in ihrer Einstellung zum Alkoholkonsum und ihrem Konsumverhalten …«
Quelle: NSW Inquiry into the Alcoholic Beverages Advertising Prohibition Bill 2015

Materialien und Methoden

Die Forscher*innen identifizierten zunächst fünf gängige Behauptungen der Industrie über die direkten und indirekten Auswirkungen der Werbung auf den Konsum (Tabelle 1, oben). Sie entnahmen diese aus Erklärungen der Industrie oder Stellungnahmen zu Regierungsuntersuchungen oder Konsultationen über die Auswirkungen von Werbung und Marketing auf den Alkoholkonsum sowie aus Dokumenten der Industrie. Letztere wurden in einem Bericht aus dem Jahr 2009 ermittelt, in dem interne Marketingdokumente sowohl von Herstellern als auch von deren Werbeagenturen analysiert wurden. Diese fünf Behauptungen sind in der Tat die Haupthypothesen, die in dieser Studie getestet wurden.

Zweitens wurden insgesamt 39 Fallstudien zum Thema Alkohol ermittelt, die vom Institute of Practitioners in Advertising (IPA) und dem Scottish Institute of Practitioners in Advertising veröffentlicht wurden (einunddreißig aus der IPA-Reihe und weitere acht Fallstudien aus der begleitenden Reihe »Scottish Advertising Works« (siehe Tabelle 2)). Die größte Kategorie von Fallstudien war Bier, Lagerbier, Stout oder Apfelwein: n = 20 (51,3 %). Auf Spirituosen (zum Beispiel Whisky, Gin) und ähnliche Getränke entfielen vierzehn Fallstudien (35,9 %), auf Wein und Sherry fünf Fallstudien (12,8 %). Diese wurden ermittelt, indem alle Bände der IPA-Reihe beschafft und die Fallstudien über Alkohol ausgewählt wurden, wobei andere Produkte (zum Beispiel Lebensmittel und alkoholfreie Getränke) ausgeschlossen wurden. Die Bände wurden auf der IPA-Website und in den Referenzlisten der Bände selbst identifiziert.

Tabelle 2

In jeder Fallstudie bewertete Marken, Getränkekategorie und Jahr der Veröffentlichung. IPA: Institut für Praktiker der Werbung.

Marke/Produkt
Erscheinungsjahr der Fallstudie
IPA-Reihe ›Werbung wirkt‹
 
Campari: Eine Bewertung der Wirksamkeit der aktuellen Campari-Kampagne (Band 1)
1981
John Smiths Bitter (Band 2)
1982
Hofmeister Lagerbier (Band 3)
1985
Shakers-Cocktails (Band 3)
1985
Paul Masson California Carafes (Wein) (Band 3)
1985
Country Manor (Wein) (Band 4)
1987
Castlemaine XXXX Lager (Band 4)
1987
Miller Lite Lagerbier (Band 5)
1990
Lanson Champagner (Band 6)
1991
Croft Original Sherry (Band 6)
1991
Aberlour Whisky (Band 6)
1991
Stella Artois Lagerbier (Band 7)
1993
Boddingtons Bitter (Band 8)
1995
John Smiths Bitter (Band 8)
1995
Marstons Pedigree Bitter (Band 8)
1995
Stella Artois Lagerbier (Band 9)
1997
Murphy's Stout (Band 9)
1997
Bud Ice Lager (Band 10)
1999
Bacardi Breezer (Getränk auf Rumbasis) (Band 10)
1999
Famous Grouse Whisky (Band 10)
1999
Archers Schnaps (Band 11)
2000
Glenmorangie-Whisky (Band 11)
2000
Stella Artois Lagerbier (Band 12)
2003
Budweiser Lagerbier (Band 12)
2003
Stella Artois Lagerbier (Band 12)
2003
Famous Grouse Whisky (Band 15)
2007
Magners Cider (Band 16)
2008
Johnnie Walker Whisky (Band 17)
2009
Gordon's Gin (Band 21)
2013
Foster's Lagerbier (Band 22)
2015
Reihe Schottische Werbewerke (Bände 1 – 4)
 
Glenmorangie (Band 1)
1999
Tennent Caledonian Breweries (Band 2)
2001
Bowmore (Band 2)
2001
Ardbeg (Band 2)
2001
Schottischer Leader-Whisky (Band 3)
2003
Grolsch (Band 3)
2003
Bowmore (frühere Kampagne) (Band 3)
2003
Grolsch (Band 4)
2005

Die Fallstudien enthalten hauptsächlich quantitative Daten über die Auswirkungen von Werbekampagnen auf eine Reihe von Verkäufen und anderen Ergebnissen. Die Daten (häufig Längsschnittdaten aus unterbrochenen Zeitreihen) werden in der Regel anhand von Regressionsmodellen analysiert, um andere mögliche Erklärungen für etwaige Auswirkungen, wie zum Beispiel Saisonabhängigkeit, zu kontrollieren. Viele der Analysen verwenden Kontrollgruppen oder ‑gebiete (zum Beispiel der Vergleich von Regionen mit oder ohne Kampagnen), einige der Studien enthalten auch Hinweise auf Dosis-Wirkungs-Effekte. Manchmal wird auch über qualitative Daten (zum Beispiel aus Fokusgruppen) berichtet. Diese Fallstudien stellen eine wichtige, bisher übersehene Quelle für Erkenntnisse über die primären und sekundären Wirkungen von Alkoholwerbung dar und haben das Potenzial, weiteres Licht auf die Ziele, Wirkungen und Vermittler der Alkoholwerbung zu werfen.

In vielen Fällen enthalten die Fallstudien auch detaillierte Beschreibungen der Mechanismen, mit denen die Kampagnen wirken sollen. Dazu gehören psychologische und einstellungsbezogene Mechanismen (zum Beispiel durch die Veränderung von Wahrnehmungen und Überzeugungen über die Marke, durch den Aufbau von Markentreue und durch die Beeinflussung der Wahrnehmung des Produkts) sowie soziale Mechanismen (zum Beispiel durch die Beeinflussung der Konsument*innen durch Gleichaltrige und Freund*innen). Diese Fallstudien stellen daher eine wichtige Quelle für Branchendaten über die beabsichtigten und tatsächlichen Auswirkungen der Alkoholwerbung und ihre Mechanismen dar.

Datenextraktion und ‑analyse: Die Forscher*innen entwickelten und erprobten eine Vorlage für die Datenextraktion und verwendeten sie, um die folgenden Daten aus jeder Fallstudie als freien Text zu extrahieren:

  • Titel der Fallstudie (Jahr, Buch)
  • Die angegebenen Werbeziele
  • Die erklärten Auswirkungen der Kampagne
  • Die in der Fallstudie angewandten Methoden zum Nachweis der Auswirkungen (zum Beispiel Regressionsmodellierung und berichtete qualitative Daten), und
  • Sonstige gemeldete Auswirkungen der Kampagne (zum Beispiel Veränderung sozialer Normen, Auswirkungen auf Untergruppen).

Es wurde ein Codebuch entwickelt, um die Daten systematisch zu kodieren und innerhalb der Hauptthemen zu kategorisieren, und um die Einheitlichkeit der Kodierung während der Analyse zu gewährleisten. Dazu lasen mehrere Autor*innen den Text aller Fallstudien und erstellten eine Liste von Codes, die sich auf die wichtigsten Aussagen der Branche bezogen. Die Kodierung wurde zunächst von zwei Autor*innen für die ersten fünf Fallstudien durchgeführt. Danach wurde jede Fallstudie von einem Autor kodiert und die Daten wurden von einem Autor extrahiert, der die Kodes bei Bedarf mit anderen Autor*innen abglich. Auf diese Weise wurde der gesamte Text, der sich auf eine verbrauchsbezogene Angabe bezog, identifiziert und in Tabellen extrahiert. Ursprünglich wurde ein längerer Satz von neun Behauptungen identifiziert, aber um eine fokussierte Arbeit zu erstellen, konzentriert sich die Analyse nur auf die fünf häufigsten Behauptungen (Tabelle 1). Anschließend wurden Beispiele von Fallstudiendaten ermittelt, die diese Behauptungen bestätigen oder widerlegen, und werden im Folgenden erörtert. Da sich die meisten (96 %) der Fallstudien auf Bier/Lager/Stout oder Spirituosen und ähnliche Getränke bezogen, stammen die zitierten Beispiele alle aus diesen beiden Kategorien.

Ergebnisse

In diesen Fallstudien wurden insgesamt 41 Ziele und damit zusammenhängende Wirkungen der Werbung angegeben. Diese sind in der ergänzenden Datei Tabelle S1 mit Beispielen zusammengefasst. Eine kürzere Zusammenfassung findet sich in Tabelle 3, in der die in den Fallstudien ermittelten Wirkungen in sechs Hauptkategorien zusammengefasst sind. Diese Kategorien sind nach der Ebene geordnet, auf der sie auftreten – von den Auswirkungen auf die einzelnen Verbraucher*innen bis hin zu den Auswirkungen auf Markt- und Gesellschaftsebene. Diese Kategorien ergaben sich aus den Daten und spiegeln nicht einen bereits bestehenden konzeptionellen Rahmen wider.

Tabelle 3

Zusammenfassung der berichteten Wirkungen der Werbung und der Wirkungsmechanismen, von der individuellen Ebene bis zur Systemebene (Zusammenfassung aus Supplementary File, Tabelle S1).

Der Grad der Wirkung
In diesen Fallstudien identifizierte Mechanismen
Ergebnisse aus diesen Fallstudien
Individuelle Ebene: Psychologische Mechanismen
Werbung erhöht den Bekanntheitsgrad des Produkts durch die Beeinflussung der Einstellungen und Emotionen der einzelnen Verbraucher*innen und durch andere psychologische Wirkungen (zum Beispiel kann sie bestehende Vorlieben oder Überzeugungen außer Kraft setzen). Es wird auch beschrieben, dass sie die Prädisposition/Affinität der Verbraucher*innen gegenüber der Marke stärkt, Qualitätswahrnehmungen vermittelt, Einstellungen und Akzeptanz verändert und Käufer*innen auf den Kauf »vorbereitet«.
Dies trägt dazu bei, eine emotionale Bindung an die Marke aufzubauen, die Verbraucher*innen über das Produkt/die Marke zu informieren und die Treue zu dem Produkt oder der Marke zu stärken.
Individuelle Ebene: Verhaltensmechanismen
Werbung kann Veränderungen im individuellen Konsumverhalten fördern: Nachfrage/Konsum anregen, zum Ausprobieren eines Produkts anregen, Freund*innen der Verbraucher*innen ansprechen.
Höhere Ausgaben pro Käufer*in, höheres Volumen/Häufigkeit pro Kund*in, Erweiterung des Konsumrepertoires der Konsument*innen, größeres Angebot an Konsumanlässen, höherer Konsum bei bestehenden Konsument*innen (die zu starken Konsument*innen werden können).
Auswirkungen auf Marke/Produkt
Werbung trägt dazu bei, eine Marke und/oder das Produkt und dessen Identität/Persönlichkeit/Image zu schaffen/zu stärken. Insbesondere kann sie den Markenwert aufbauen/stärken (Markenwert: Der Wert, den Verbraucher*innen einer Marke zuschreiben, beispielsweise Zuverlässigkeit, Qualität, Einprägsamkeit und so weiter).
Durch diese Mechanismen kann die Werbung das Produkt auf dem Markt neu positionieren, die Marke schützen, den Verfall der Marke verhindern, zur Premiumisierung beitragen, andere Werbemaßnahmen unterstützen und zur Befriedigung »unbefriedigter Verbraucherbedürfnisse« eingesetzt werden.
Auswirkungen auf der Marktebene
Werbung hilft bei der Marktsegmentierung und der Erschließung neuer Märkte, erhöht den Marktanteil/die Marktdurchdringung und den »Share of Voice«, entwickelt neue Produktkategorien und baut den zukünftigen Markt auf, erhöht den Produktvertrieb, steigert das Verkaufsvolumen (Mengenwachstum und Mengenanteil), hilft, das Wachstum aufrechtzuerhalten, erhält oder erhöht den höheren Preis/Markenwert, steigert den Verkauf von nicht beworbenen Produkten, kann Spill-over auf die Kategorie bedeuten und kann zur Blockierung des Wettbewerbs eingesetzt werden.
Durch diese Mechanismen kann sie dazu beitragen, neue Konsument*innen zu gewinnen, jüngere Konsument*innen zu rekrutieren und die Verkaufsrate zu steigern.
Ergebnisse des Mutterunternehmens
Dazu gehören die oben genannten Mechanismen, wobei die Werbung auch Eigentum für die künftige Nutzung schafft.
Verbessert den Wert der Muttergesellschaft, stärkt das Unternehmensprofil und trägt zur Steigerung beziehungsweise Aufrechterhaltung der Aktienkurse bei.
Breitere gesellschaftliche Auswirkungen
Diese gesellschaftlichen Auswirkungen können durch die oben genannten individuellen und marktbezogenen Mechanismen vermittelt werden.
In den Fallstudien werden unter anderem die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Bereitstellung von »Vorbildern« und die »Stärkung des Nationalstolzes« angeführt (zum Beispiel: »Wir haben (Johnnie Walkers Kampagne von 2008) Keep Walking auf der ganzen Welt untersucht und gesehen, wie sie Thailand nach dem Zusammenbruch der Währung in Schwung brachte, den Stolz auf den nationalen Fortschritt in Brasilien und China stärkte und Vorbilder für Männlichkeit im Nahen Osten lieferte …«).

Die Daten aus den Fallstudien werden im Folgenden verwendet, um die fünf Behauptungen der Industrie zu untersuchen.

Behauptung Nr. 1 der Alkoholindustrie: Werbung wirkt sich in erster Linie auf die Wahl der Marke/den Marktanteil aus

Diese Fallstudien belegen übereinstimmend die Behauptung der Branche, dass der Ausbau oder die Verteidigung von Marktanteilen ein wichtiges Werbeziel ist. Um jedoch festzustellen, ob dies die »primäre« Wirkung ist, müssen auch die anderen Wirkungen berücksichtigt werden (siehe unten), da es unwahrscheinlich ist, dass die Werbung nur eine Wirkung hat, und es gibt in der Tat Belege dafür, dass dies nicht der Fall ist. Insgesamt wird in 30 von 39 (circa 77 %) der Fallstudien die Erhöhung oder Aufrechterhaltung des Marktanteils ausdrücklich als Ziel genannt oder als Maßstab für die Wirksamkeit der Kampagne verwendet. Ein Beispiel hierfür ist Stella Artois:

Das Schicksal von Stella hat sich gewandelt. Es übertraf jede andere Premium-Lagerbiermarke mit einer Verfünffachung des Absatzes in nur sieben Jahren, sein Wachstum übertraf den Markt, und infolgedessen verdoppelte sich sein Anteil fast … und das bei einem erheblichen Preisaufschlag gegenüber jeder anderen vergleichbaren Marke«.
(Stella Artois, 1993)
Die Werbung beeinflusste sowohl die ROS (Verkaufsrate) als auch den Vertrieb … und damit den Marktanteil«.
(Bud Ice, 1999)
Wir haben nicht nur unser Ziel erreicht, den Marktanteil zu halten …« (Budweiser, 2002), und »Marketingziele: 1. Bekanntheitsgrad und Marktanteil erhöhen …« (Scottish Leader Whisky, 2003).

Behauptung Nr. 2 der Alkoholindustrie: Werbung regt nicht zum Konsum an und ist auch nicht dazu gedacht

Wenn der Umsatz und das Umsatzvolumen als Ersatz für den Konsum angesehen werden können, dann weisen alle 39 Fallstudien nach, dass die Werbung dieses Ergebnis beeinflusst. Die Behauptung wurde jedoch auch anhand einer engeren Definition konsumbezogener Ergebnisse geprüft: Wenn in einer Fallstudie berichtet wurde, dass die Kampagne auf eine der folgenden Arten abzielte oder wirksam war, dann wurde dies als Beweis dafür gewertet, dass die Werbung entweder auf eine Steigerung des Konsums abzielte oder diese erreichte:

  1. eine anregende Erprobung des Produkts,
  2. zunehmende Konsumhäufigkeit,
  3. Erweiterung der Art und Anzahl der Gelegenheiten, bei denen das Produkt getrunken werden kann,
  4. auf starke Konsument*innen abzielen,
  5. Gewinnung neuer Konsument*innen, und/oder
  6. Erhöhung der beanspruchten Nutzung.

Die meisten (25 von 39, 64,1 %) der Fallstudien berichten über Veränderungen bei mindestens einem dieser sechs Ergebnisse. Manchmal ist dies ein ausdrückliches Ziel der Kampagne. Zum Beispiel im Fall einer Magners-Cider-Kampagne:

Wir wollten Magners nicht nur in den warmen Sommermonaten verkaufen: Wir wollten, dass es das ganze Jahr über getrunken wird«.
(Magners Cider, 2008)

Die gleiche Kampagne verstärkte auch »… die entspannten, zeitlosen Markenwerte von Magner und förderte den Winterkonsum«.

Diese Beispiele zeigen wohl eher den Versuch, den Marktanteil zu erhöhen, als den Gesamtverbrauch. Andere Beispiele spiegeln eher eine Steigerung des Verbrauchs wider, wie dieses Beispiel, bei dem Foster's Lager eine humoristische Kampagne einsetzte. In der Bewertung wird beschrieben, wie dadurch

… ›Trinkanlass‹ geschaffen wurde … Die Männer verschlangen die Werbung, aber was noch wichtiger ist, sie verschlangen auch Foster's Lagerbier … als die Werbung lief, stiegen die Verkäufe, und das hat sich auch nicht geändert.«
(Foster’s Lager, 2015)

Kampagnen, die auf starke Konsument*innen abzielen, scheinen auch deutlicher auf die Ergebnisse des Konsums ausgerichtet zu sein. Zum Beispiel im Fall von Miller Lite, das, wenn es »… eine große profitable Marke werden sollte, diese jungen starken Konsument*innen anziehen musste«.

Beispiele für Werbung, die zum Probieren anregt

Ein Beispiel ist die Fallstudie Shakers Cocktails (1985), deren Werbeziele lauteten:

Aufbau eines Markenbewusstseins unter der Annahme (basierend auf der Entwicklungsforschung), dass dies auf natürliche Weise zum Probieren anregen würde. Die Zielvorgaben für die Bekanntheit der Marke nach der Werbung lagen bei 30 % spontaner und 45 % veranlasster Bekanntheit sowie bei 10 % aller Erwachsenen und 15 % in der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen, die die Marke bis zum Ende des ersten Jahres testen sollten.«
(Shakers Cocktails, 1985)

Ein Experiment, über das in einer Fallstudie zu Stella Artois berichtet wurde, zeigte ebenfalls die Wirkung von Werbung, um den Konsum bei Personen anzuregen, die das Produkt normalerweise nicht mögen:

Bei Blindverkostungen wurde Stella gegenüber anderen Lagerbiermarken nicht signifikant bevorzugt, sondern verlor sogar häufig gegen sie. Der Grund dafür ist, dass Stella eines der am bittersten schmeckenden Lagerbiere ist, und viele Menschen einen volleren, süßeren Geschmack besser finden. Trotz des teuren tschechoslowakischen weiblichen Hopfens ist Stella also kein besonders beliebtes Bier … bis man natürlich den Namen wieder darauf schreibt.«
(Stella Artois, 1993)

Wie bereits erwähnt, ist die Tatsache, dass alle Kampagnen die Steigerung des Absatzes als Ziel und/oder Hauptergebnis hatten, auch ein indirekter Indikator für die beabsichtigten Auswirkungen auf den Verbrauch. Möglicherweise gibt es auch eine Rückkopplungsschleife, so dass die Verbrauchernachfrage selbst die Werbung anregt. Aus den Daten der Fallstudien geht jedoch klar hervor, dass der Zweck der Werbung darin besteht, die Nachfrage zu stimulieren, und eine gängige Methode zur Messung der Wirksamkeit der Kampagnen ist die Kaufbereitschaft. Die Grolsch-Kampagne für Lagerbier ist ein Beispiel dafür:

Das konkreteste Maß für die gestiegene Verbrauchernachfrage ist die Kaufrate. Die Kaufrate von Grolsch hat sich seit dem Start der Kampagne mehr als verdreifacht … Einfach ausgedrückt: Die Verbraucher*innen verlangen die Marke mehr denn je.«
(Grolsch, 2003)

Der Einsatz von Werbung, die auf starke Konsument*innen abzielt (siehe unten), ist ebenfalls ein Hinweis auf die beabsichtigte Wirkung von Werbung auf den Konsum.

Behauptung Nr. 3 der Alkoholindustrie: Jeder beobachtete Zusammenhang zwischen Werbung und Konsum ist nicht kausal

Bei Evaluierungen werden die Schlussfolgerungen gestärkt, wenn Längsschnittdaten verfügbar sind, die die Auswirkungen vor und nach der Intervention zeigen, und wenn Daten über mehrere Zeitpunkte hinweg verwendet werden. Sie werden weiter gestärkt durch die Verwendung von gleichzeitigen Kontroll- oder Vergleichsgruppen oder ‑gebieten (zum Beispiel im Vergleich zu nicht exponierten Gebieten oder zum Gesamtmarkt oder zu nicht beworbenen Konkurrenzprodukten) und durch die Kontrolle potenzieller Störfaktoren. Solche Methoden wurden in den meisten (23 von 39) der Fallstudien verwendet. In einigen Fallstudien zeigen Experimente (aus denen stärkere kausale Schlüsse gezogen werden könnten) die Auswirkungen der Getränkemarke auf die Konsumpräferenzen (zum Beispiel in der Fallstudie zu Stella Artois, die ein Blindverkostungsexperiment beinhaltete, wie oben beschrieben).

Alternative Erklärungen werden häufig durch ökonometrische Modellierung kontrolliert (zum Beispiel Guinness, Miller Lite, Murphy's Stout). Manchmal werden auch Dosis-Wirkungs-Analysen durchgeführt (zum Beispiel Johnnie Walker Whisky). Qualitative Daten werden verwendet, um die Schlussfolgerungen aus den quantitativen Daten zu untermauern und zu erforschen – im Fall von John Smith's Bitter wurde beispielsweise qualitative Forschung eingesetzt, um die Kampagne zu entwickeln und ihre Attraktivität zu verstehen.

Der Einsatz solcher Methoden ist nicht überraschend, da diese Fallstudien oft das erklärte Ziel haben, einen kausalen Zusammenhang aufzuzeigen. Dies wird manchmal explizit gemacht, wie in diesen Beispielen aus den Fallstudien Campari und Archers Schnapps:

In diesem Fallbeispiel wird die entscheidende Rolle aufgezeigt, die eine integrierte Werbestrategie in Bezug auf die Planung, die Wahl der Medien und den kreativen Inhalt für dieses Wachstum gespielt hat. Es wird versucht, eine kausale Beziehung zwischen der Werbung und der Verkaufsleistung von Campari aufzuzeigen …«
(Campari, 1981)
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen kumuliertem Werbegewicht und Marktdurchdringung besteht, liegt bei über 99 %.«
(Archers Schnapps, 2000)

Die verschiedenen Kausalpfade und ‑mechanismen von der Werbung bis zum Verkauf und Konsum werden in vielen Fallstudien ebenfalls klar beschrieben. Ein Weg vom Aufbau einer Beziehung zu den Konsument*innen bis hin zum Verkauf wird im Fall einer Stella Artois-Werbekampagne deutlich dargestellt:

Im Laufe der Kampagne hat die Marke eindeutig eine unvergleichliche Beziehung zu den Konsument*innen aufgebaut, die auf einer tief verwurzelten Wahrnehmung von Qualität und Urteilsvermögen beruht. Dies hat zu einem weiteren langfristigen Verkaufseffekt geführt … Bei dem Versuch, diesen zugrunde liegenden Wachstumstrend zu erklären, haben wir ihn mit allen denkbaren messbaren Faktoren verglichen und festgestellt, dass die stärkste Korrelation mit der Markenaffinität besteht … Wir vermuten daher, dass die Markenaffinität das zugrunde liegende Umsatzwachstum antreibt … Das Modell zeigt deutlich, dass die Markenaffinität durch die Markenbekanntheit angetrieben wird, die wiederum ökonometrisch mit der Werbung verbunden ist. Wir können daher einen längerfristigen, sich langsam aufbauenden Werbeeffekt nachweisen. Nach unserem ökonometrischen Modell ist dieser Effekt pro 1 Million Pfund Werbeausgaben 9000 zusätzliche Fässer oder 3,2 Millionen Pfund Umsatz wert.«
(Stella Artois, 2000)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die meisten Fallstudien detaillierte Belege für einen kausalen Zusammenhang zwischen Werbung und konsumbezogenen Ergebnissen (zum Beispiel Verkäufe, Nutzung) durch die Verwendung kontrollierter ITS-Daten bei gleichzeitiger Kontrolle für andere mögliche Erklärungen liefern. Dies schließt eine signifikante Wirkung der Werbung auf den Marktanteil (gemäß Behauptung Nr. 1) im Gegensatz zum Konsum nicht aus. Behauptungen über Auswirkungen auf den Verbrauch können aus anderen Daten stammen (zum Beispiel Behauptung Nr. 4 und Nr. 5 unten).

Behauptung Nr. 4 der Alkoholindustrie: Werbung fördert oder billigt keinen unverantwortlichen oder schädlichen Alkoholkonsum

Es hat sich gezeigt, dass die Alkoholindustrie auf schädlichen Alkoholkonsum angewiesen ist, um ihre Gewinne zu sichern, und dass sie auf stärkere Konsument*innen abzielt. In diesen Fallstudien gibt es auch Hinweise auf Werbung, die speziell auf die Anwerbung starker Konsument*innen abzielt, wie in diesen drei Beispielen:

Wenn Miller Lite eine große, profitable Marke sein sollte, mussten wir diese jungen, starken Konsument*innen anziehen.«
(Miller Lite, 2004)
… Campari musste eine stabilere und demokratischere Basis schaffen. Das bedeutete, neue, jüngere, massenmarkttaugliche Proband*innen unter den sozial mobilen, ausgabefreudigen und trinkfreudigeren Menschen zu rekrutieren, die über ein frei verfügbares Einkommen verfügen, das sie abends in Kneipen ausgeben.«
(Campari, 1981)
Das Fernsehen wurde als einziges Medium gewählt. Dies geschah nicht nur aus Gründen der Kosteneffizienz (obwohl starke Alkoholkonsumenten in der Regel auch viel ITV schauen), sondern auch wegen der Art der Werbeaufgabe.«
(John Smith’s Bitter, 1981)

Am deutlichsten wird dies jedoch in einer Fallstudie zu Stella Artois Lagerbier, bei der die Marktsegmentierung drei Typen von Konsument*innen auswies, an die sie sich richtete: ›Kenner‹, ›Stilsuchende‹ und ›Headbanger‹. Für die letztgenannte Gruppe ist die Stärke von Stella Artois sein wichtigstes Verkaufsargument:

Für einen ›Headbanger‹ ist ein Qualitätslagerbier ein stärkeres Bier … Das Clevere an dieser Formulierung (das heißt ›beruhigend teuer‹) war, dass jede Benutzergruppe sie für ihre eigenen Zwecke nutzen konnte. Die ursprünglichen ›Kenner‹ konnten sie in Verbindung mit der Zutatengeschichte verwenden, um sich zu vergewissern, dass das Produkt einen besonderen Geschmack hatte, die ›Headbanger‹, die wussten, dass die auf Alkohol erhobene Steuer einen großen Teil des Preises ausmachte, konnten sie verwenden, um sich zu vergewissern, dass es, weil es mehr kostete, auch stärker war.«
(Stella Artois, 1993)

Die Werbekampagne von Stella Artois soll diese drei Gruppen von Konsument*innen erfolgreich ansprechen:

Eine Clusteranalyse … isolierte eine Gruppe von Konsument*innen der gehobenen Klasse Ende 20/Anfang 30 mit eindeutig wohlhabendem, qualitätsorientiertem Geschmack (Connoisseurs), eine Gruppe jüngerer starker Konsument*innen der mittleren Klasse mit eindeutig hedonistischem Geschmack (›Headbangers‹) und eine Gruppe jüngerer Konsument*innen der gehobenen Klasse, die sehr experimentierfreudig sind und einen modeorientierten Geschmack haben (›Stilsuchende‹) … die einzige Premiummarke, die sie alle überdurchschnittlich oft konsumieren, ist Stella Artois.«
(Stella Artois, 1993)

Die Notwendigkeit, starke Konsument*innen zu gewinnen, scheint für Whisky besonders groß zu sein, da diese Konsument*innen ihre Hauptabnehmer*innen sind, wie die Fallstudie über Whisky von Famous Grouse zeigt. In dieser Fallstudie wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, jüngere Konsument*innen zu rekrutieren, die zu zukünftigen starken Konsument*innen werden:

Wie auf vielen Märkten nach der Reifezeit sind Whiskymarken sehr stark von einer kleinen Zahl starker und zunehmend älterer Verbraucher*innen abhängig, die den Großteil des Absatzes ausmachen. Famous Grouse bildete hier keine Ausnahme. Unsere erste Aufgabe in der Werbung bestand darin, diese Stammkundschaft zu schützen und auszubauen, indem wir die bestehenden Verbraucher*innen und die Konsument*innen konkurrierender Marken davon überzeugten, sich häufiger für The Famous Grouse zu entscheiden. Längerfristig mussten wir mehr jüngere Konsument*innen ansprechen – die trinkfreudigen Kund*innen von morgen.«
(Famous Grouse Whisky, 2006)
Die potenziell katastrophalen Folgen des Verlusts von starken Konsument*innen hatten die Whisky-Werbung in ein kreatives Paradigma gesperrt, das durch frühere Umsetzungen definiert war, den so genannten ›Whisky-Käfig‹. Um unsere Ziele zu erreichen, mussten wir aus diesem Käfig ausbrechen.«
(Famous Grouse whisky, 2006)

Die Scottish-Leader-Whisky-Kampagne (2003) zielte ebenfalls auf die Zielgruppe der starken Konsument*innen ab:

Blended Whisky leidet unter einem alternden Kundenprofil. Abbildung 1 zeigt, dass 62 % der Vieltrinker*innen über 55 Jahre alt sind und 39 % das Rentenalter überschritten haben. Teile des Marktes sterben buchstäblich aus, Whisky-Tumbler in der Hand …«
»Der Anstieg des Volumens und der Verkaufsrate trotz des verringerten Vertriebs deutet darauf hin, dass dort, wo die Marke verfügbar war, auch ein enormer Anstieg der Käufe zu verzeichnen war – und zwar nicht nur, weil die bestehenden Kund*innen mehr kauften. Wie auf vielen anderen Märkten gilt auch hier das Pareto-Prinzip: 20 % der Konsument*innen sind für 80 % des Umsatzes verantwortlich. Anstatt uns also wie die Premiummarken darum zu bemühen, Whisky für jüngere Verbraucher*innen attraktiv zu machen, konzentrierten wir uns lieber auf die Kernzielgruppe der starken Konsument*innen. Wir wussten, dass sie älter waren. Wir wussten, dass sie hauptsächlich männlich waren. Wir wussten, dass sie im Gegensatz zu den Malt-Konsument*innen eher dem unteren Marktsegment angehörten.«
(Scottish Leader Whisky, 2003)

In der Fallstudie über Archers Schnaps wird beschrieben, wie eine neue Getränkekategorie entstand, um das »Session Drinking« bei Frauen auszunutzen:

… wendeten sich die jungen Leute in den frühen 1990er Jahren vom ›routinemäßigen starken Trinken‹ ab (siehe S. 409). Um 1995 stieg der Prozentsatz der täglichen Konsument*innen jedoch wieder auf 62 %, einschließlich des Aufkommens einer ›weiblichen Session Culture‹, die einen neuen Getränkesektor, ›Premium Packaged Spirits‹ (das heißt Spirituosen und Mixer-Kombinationen), ermöglichte. Ein großer Teil davon gehört zur Kernzielgruppe von Archers.«
(Archers, 2000)

Weitere Beispiele hierfür sind in den Fallstudien Miller Lite (1990) und Campari zu finden.

Behauptung Nr. 5 der Alkoholindustrie: Werbung hat keinen Einfluss auf junge Menschen oder auf die Förderung des Alkoholkonsums bei jungen Menschen oder des Alkoholkonsums bei Minderjährigen

In diesen Fallstudien werden die Auswirkungen auf den Alkoholkonsum von Minderjährigen nicht erwähnt – es ist unwahrscheinlich, dass sie Daten über solche nachteiligen Auswirkungen vorlegen würden, obwohl an anderer Stelle gut dokumentiert ist, dass die Werbung darauf abzielt, minderjährige Konsument*innen zu rekrutieren, und dabei erfolgreich ist. In den Fallstudien wird jedoch häufig (13 von39, 33,3 %) angegeben, dass »jüngere« Konsument*innen (und im Fall von Miller Lite (1990), junge starke Konsument*innen) ein wichtiger Zielmarkt sind. Im Fall von Famous Grouse Whisky wird dies, wie im vorigen Abschnitt erwähnt, damit begründet, dass es sich dabei um die »starken Stammkund*innen von morgen« handelt. In vielen anderen Fallstudien wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, junge Konsument*innen zu gewinnen. Aus diesen Fallstudien geht also eindeutig hervor, dass die Werbung häufig auf jüngere Konsument*innen abzielt, allerdings ist dies nicht der richtige Datensatz, um die Auswirkungen auf minderjährige Konsument*innen zu untersuchen.

Schließlich wurden in den Fallstudien eine Reihe weiterer Auswirkungen festgestellt (die nicht mit den fünf Branchenangaben verglichen wurden). Zu diesen anderen Effekten gehören positive Auswirkungen auf den Aktienkurs des Mutterunternehmens und organisatorische Auswirkungen. Diese Auswirkungen sind in Tabelle 3 mit Beispielen aufgeführt. So wird beispielsweise behauptet, dass Werbung den Verbraucher*innen zugute kommt, indem sie die Produktpreise niedrig hält. Es gibt jedoch zahlreiche Belege dafür, dass das Gegenteil der Fall ist und die Werbung dazu beiträgt, die Preise zu halten oder zu erhöhen. So war beispielsweise die Verringerung der Preissensibilität sowohl ein ausdrückliches Marketingziel als auch ein erreichtes Ergebnis der Guinness-Kampagne von 2012:

2014 begann die Preiselastizität von Guinness in Großbritannien und Irland deutlich zu sinken … Die geringere Preissensibilität trug auch dazu bei, dass wir den langfristigen Volumenrückgang in Großbritannien aufhalten konnten, und in Irland war ein Aufschwung zu verzeichnen.«
(Guinness, 2016)

In mehreren Fallstudien werden auch die Mechanismen beschrieben, durch die höhere Preise aufrechterhalten werden, zum Beispiel,

Mit dem höheren Preis wird im Idealfall die Werbung bezahlt, die dem Verbraucher vermittelt, dass das Produkt mehr kostet.«
(Stella Artois, 1993)

Die vollständige Liste der in diesen Fallstudien beschriebenen Auswirkungen der Werbung und eine Zusammenfassung der Mechanismen, durch die sie wirkt, sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Diese sind nach den verschiedenen Ebenen der beabsichtigten oder erzielten Wirkung kategorisiert, von der individuellen Ebene bis zur Unternehmensebene oder darüber hinaus (zum Beispiel eine behauptete Wirkung auf gesellschaftlicher Ebene). Eine Zusammenfassung der Ergebnisse zu den fünf Forderungen ist in Tabelle 4 zu finden.

Tabelle 4

Zusammenfassung der Ergebnisse in Bezug auf fünf wichtige Behauptungen der Industrie über Werbung, basierend auf Fakten der Werbebranche.

Behauptung
Fazit
1. Behauptung Nr. 1 der Alkoholindustrie: Werbung beeinflusst in erster Linie die Wahl der Marke/den Marktanteil
Werbung beeinflusst zwar den Marktanteil, aber es ist unklar, ob dies ihre »primäre« Wirkung ist, da die Fallstudien zeigen, dass sie viele andere beabsichtigte Wirkungen hat
2. Werbung regt nicht zum Konsum an und soll dies auch nicht tun
Äußerst unwahrscheinlich. Aus diesen Fallstudien geht hervor, dass sie darauf abzielen, den Versuch anzuregen, die Konsumfrequenz zu erhöhen, das Spektrum der Trinkanlässe zu vergrößern, starke Konsument*innen anzusprechen und neue Kund*innen zu gewinnen
3. Behauptung Nr. 3 der Alkoholindustrie: Jeder beobachtete Zusammenhang zwischen Werbung und Konsum ist nicht kausal
Unwahrscheinlich. Es gibt detaillierte Längsschnittdaten aus Fallstudien der Industrie, die belegen, dass die Beziehung kausal ist
4. Behauptung Nr. 4 der Alkoholindustrie: Die Werbung fördert oder duldet keinen unverantwortlichen oder schädlichen Alkoholkonsum
Falsch. Einige Fallstudien belegen eindeutig, dass Werbung erfolgreich auf starke Alkoholkonsument*innen abzielt
5. Behauptung Nr. 5 der Alkoholindustrie: Werbung hat keinen Einfluss auf junge Menschen oder auf die Förderung des Alkoholkonsums bei jungen Menschen oder auf den Alkoholkonsum von Minderjährigen
Unklare Erkenntnisse über den Alkoholkonsum von Minderjährigen (siehe jedoch den Haupttext), jedoch gibt es Hinweise aus diesen Fallstudien, dass die Werbung häufig jüngere Konsument*innen ansprechen muss und auf diese ausgerichtet ist

Psychologische und einstellungsbezogene Mechanismen, durch die Werbung wirkt

Die Fallstudien zeigen insbesondere, dass die Beeinflussung von Einstellungen und Erwartungen ein wichtiger psychologischer Mechanismus ist, durch den Werbung wirkt. Viele der Fallstudien enthalten qualitative Daten, um zu beschreiben, wie diese Mechanismen zum Erfolg einer Kampagne beitragen, wie zum Beispiel im Fall von Hofmeister Lagerbier (1985): »Die Tiefeninterviews unterstützten die früheren qualitativen Untersuchungen, die darauf hindeuteten, dass die neue Anziehungskraft von Hofmeister in der Wahrnehmung der Konsument*innen als populäres, modisches Lagerbier lag, so dass die Verbindung zwischen der durch die Werbung hervorgerufenen Bekanntheit der Marke und ihrem Verkaufsanstieg bestätigt wurde«. Die Werbung trägt auch dazu bei, die Verbraucher*innen auf den Kauf vorzubereiten: »Die Tatsache, dass die Verkaufsförderung so gut funktioniert, ist zu einem großen Teil auf die Rolle zurückzuführen, die die Werbung spielt, bevor die Verbraucher*innen überhaupt den Supermarkt betreten« (Stella Artois, 2003).

In einigen Fällen scheinen sie dazu benutzt zu werden, sich über die eigenen Vorlieben der Verbraucher*innen hinwegzusetzen, wie im obigen Beispiel beschrieben. »Die Käufer*innen wollen das Gefühl haben, dass sie eine vernünftige, vertretbare Wahl treffen, die sie als sachkundige Biertrinker*innen auszeichnet. Dies kann die tatsächliche Geschmackspräferenz außer Kraft setzen; das Sprichwort der Brauereien, dass ›die Leute mit den Augen trinken‹, wurde wiederholt durch Blind- und Markentests bestätigt, bei denen die Markennamen die ›blind‹ geäußerten Präferenzen umkehren können« (John Smith Bitter, 1983).

Die Fallstudie von Stella Artois (1997, Band 9) liefert ein weiteres deutliches Beispiel:

In seiner belgischen Heimat ist Stella ein süffiges Lagerbier ohne Premiumanspruch, und bei Blindverkostungen im Vereinigten Königreich landet das Produkt regelmäßig auf den hinteren Plätzen (weil es für viele zu bitter ist). Wenn man jedoch den Namen Stella hinzufügt, ändert sich die Sichtweise der britischen Lagerbiertrinker*innen radikal … Dieses Phänomen, bei dem die Potenz der Marke die Produktrealität überwindet, ist auch quantitativ zu beobachten. Stella übertrifft seine wichtigsten Konkurrenten in fast jeder Image-Dimension.«

Diese Daten deuten darauf hin, dass Werbung darauf abzielt, Einstellungen, Erwartungen und Konsumverhalten zu ändern, und dass sie dabei auch wirksam ist.

Verzögerte Effekte der Werbung

Diese Fallstudien enthalten auch interessante Daten über die anhaltende Wirkung von Kampagnen, selbst wenn sie bereits beendet sind. Dies wird im Fall des Bieres von Boddington (1995) beschrieben:

Die Wirkung der Werbung endet jedoch nicht an diesem letzten Datenpunkt. Nicht, weil wir nach diesem Zeitraum weiter geworben haben (auch wenn wir das getan haben), sondern weil es einen Residualeffekt der Werbung bis zu diesem Zeitraum gibt … die Werbung war für zusätzliche 62.618 Fässer (ohne Adstock) und 94.341 Fässer (mit Adstock) verantwortlich.«
(Boddingtons Bier, 1995)

Adstock bezeichnet die verlängerte oder verzögerte Wirkung von Werbung auf das Kaufverhalten der Verbraucher*innen. Dieser Zeitraum kann beträchtlich sein (»die zusätzliche Wirkung der Werbung scheint für mindestens sechs Jahre anzuhalten« – Murphy's Stout (1993-5). Dies wird zum Beispiel bei Budweiser und Johnnie Walker Whisky beschrieben:

Die Analyse zeigt, dass die Werbung, obwohl sie nur zweieinhalb Jahre lang ausgestrahlt wurde, in den nächsten sechs Jahren weitere 72 Millionen Flaschen und 77 Millionen Pfund an zusätzlichen Einnahmen generieren wird.«
(Budweiser, 2003)
Das Ergebnis war ein beschleunigtes Wachstum, das auch jetzt, acht Jahre später, noch sehr stark ist und die Kategorie weiterhin deutlich übertrifft.«
(Johnnie Walker Whisky, 2009)

Diese verzögerten Effekte haben Auswirkungen auf künftige Bewertungen und systematische Überprüfungen der Auswirkungen von Werbung (siehe unten).

Rentabilität der Investitionen in die Werbung

Einige der Fallstudien geben auch ein quantitatives Maß für den Return on Investment (ROI) der Werbung an. Die angegebenen ROI-Quoten liegen zwischen 2 und 3, in einigen Fällen aber auch deutlich höher (zum Beispiel bei Fosters (2015): »Jedes Pfund, das seit 2010 für Werbung ausgegeben wurde, hat 32 Pfund an Umsatz generiert«).

Diskussion

Diese Ergebnisse zeigen erstens, dass die Werbung, wie von der Alkohol- und Werbeindustrie behauptet, den Marktanteil beeinflusst. Ob dies ihre Hauptwirkung ist, lässt sich nur schwer feststellen, aber aus diesen Auswertungen geht klar hervor, dass die Werbung wesentlich mehr bewirkt, denn es gibt Belege dafür, dass sie eingesetzt wird, um das Verbraucherprofil wirksam zu verändern, zum Beispiel in Richtung jüngerer Konsument*innen, weiblicher Konsumentinnen, neuer oder wiedergewonnener Konsument*innen und starker Konsument*innen. Sie scheint dies durch ein breites Spektrum psychologischer, verhaltensbezogener und sozialer Mechanismen zu erreichen (Tabelle 3), indem sie die Konsument*innen direkt, aber auch indirekt über Gleichaltrige und ihr Konsumumfeld beeinflusst.

Die Fallstudien liefern auch konsistente Belege dafür, dass Werbung sowohl den Markenabsatz als auch den indirekten Konsum steigert und dass diese Beziehung kausal ist, wobei die meisten Studien geeignete quasi-experimentelle Methoden und Längsschnittdaten (einschließlich zum Beispiel ITS-Methoden) verwenden, um ihre Behauptungen über die Wirksamkeit zu untermauern. Auch wenn die derzeitige Datenlage nicht ausreicht, um eindeutige Schlussfolgerungen zu den Auswirkungen der Werbung auf den individuellen Konsum zu ziehen, im Gegensatz zu den Auswirkungen auf die Markenwahl innerhalb einer bestimmten Kategorie, so scheint es doch deutliche Hinweise auf die Auswirkungen der Werbung auf den Konsum innerhalb bestimmter Kategorien von Konsument*innen zu geben.

All dies steht im Übrigen im Einklang mit den vorhandenen Fakten. In einer kürzlich durchgeführten Studie wurde festgestellt, dass der meiste Alkohol von Menschen konsumiert wird, deren Alkoholkonsum über den Richtwerten liegt; außerdem entfällt auf die 4 % der Bevölkerung mit dem höchsten Alkoholkonsum fast ein Viertel des Umsatzes. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die Alkoholindustrie zumindest in England in hohem Maße finanziell vom starken Alkoholkonsum abhängig ist, und zwar bei allen Getränkearten. Dies wurde von der Alkoholindustrie seinerzeit heftig bestritten. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass Stella Artois Lagerbier, John Smith's Bitter und Whisky (Scottish Leader und Famous Grouse) sowie Archers Schnaps ausdrücklich auf starke Konsument*innen abzielen, wobei letzterer auf weibliche »Session Drinkers« ausgerichtet ist.

Mechanismen der Werbung

Diese Analysen der Werbekampagnen bieten auch Einblicke in die kausalen Pfade und Mechanismen, über die Werbung wirkt (zusammengefasst in Tabelle 3). Es ist klar, dass Werbung darauf abzielt, eine breite Palette von Einstellungen, Emotionen, zwischenmenschlichen und anderen Mechanismen auf individueller Ebene zu beeinflussen, und dass sie dies auch indirekt tun kann, indem sie das weitere Umfeld beeinflusst – zum Beispiel im Fall von Magners Cider, indem sie einflussreiche Konsument*innen und Bars anspricht:

Wir haben uns an einflussreiche Konsument*innen gewandt, die ein hohes Maß an Interesse hatten und gut vernetzt waren … die Horeca-Teams haben einflussreiche Bars für den Erstvertrieb ausgewählt, und wir haben eine umfangreiche Sampling-Kampagne durchgeführt, um den Prozess zu beschleunigen.«

Die Ergebnisse stellen auch das Argument der Alkoholindustrie in Frage, wonach die Werbung den Verbrauchern helfen soll, rationale, informierte Entscheidungen zu treffen, da einige der Wege dies umgehen, indem sie direkt an die Emotionen appellieren und sogar bestehende Präferenzen außer Kraft setzen, wie in dem für Stella Artois beschriebenen Blindverkostungsexperiment gezeigt wurde. Die Existenz solcher Mechanismen ist gut dokumentiert – insbesondere im Bereich der Verhaltensökonomie – und sie wurden auf Werbe- und Marketingpraktiken angewandt.

Tabelle 3 und andere Daten zu den Mechanismen in diesen Fallstudien (beispielsweise Halo-Effekte) können einen nützlichen Ausgangspunkt für den Aufbau eines Modells der Alkoholwerbung auf Systemebene bieten, das über das lineare Rational-Choice-Modell hinausgeht, das die Industrie als Norm behauptet und verwendet, um jegliche kausale Beziehung zu bestreiten (siehe Kasten 1 für ein Beispiel).

9

Stufen

Werbung ist ein Prozess, der verschiedene Stufen durchläuft. Die Beeinflussung des Verhaltens durch die Werbung steht am Ende eines neunstufigen Prozesses, der mit der Exposition gegenüber der Werbung beginnt und über die Aufmerksamkeit, die positive Reaktion, das Verstehen, die Zustimmung, die Sortierung und das Behalten des Inhalts, die Erinnerung, die Entscheidung und das Verhalten gemäß dieser Entscheidung verläuft. Bei jedem Schritt dieses zarten Prozesses kann die Kausalkette unterbrochen werden. Die meiste verfügbare Literatur ist nicht in der Lage, eine direkte Kausalität über diese 9 Schritte hinweg nachzuweisen.

Die Ergebnisse zu den verzögerten Auswirkungen der Werbung sind besonders wichtig. Sie haben erhebliche Auswirkungen auf die Bewertung von Werbebeschränkungen, da sie bedeuten, dass Null-Ergebnisse aus solchen Studien möglicherweise dadurch erklärt werden können, dass die Werbung den Verbrauch noch eine beträchtliche Zeit nach ihrer Einstellung beeinflusst. Daraus folgt, dass die Dauer der Nachbeobachtung, die für Bewertungsstudien erforderlich ist, viel länger sein kann als erwartet, wenn eine Auswirkung von Werbebeschränkungen auf den Konsum festgestellt werden soll. Zum Vergleich: Die Dauer der Nachbeobachtung in früheren derartigen Bewertungen lag zwischen 1 und 3,5 Jahren. Der jüngste Cochrane-Bericht über die Auswirkungen von Alkoholwerbebeschränkungen stellte fest, dass der Zeitraum, der erforderlich ist, um festzustellen, ob ein Verbot wirksam war oder nicht, derzeit unklar ist, dass es jedoch einen längeren Zeitraum dauern kann, bis die Auswirkungen der Werbung nachlassen. Obwohl es wahrscheinlich kontextabhängige Unterschiede gibt, erscheint es sinnvoll, die Auswirkungen eines länderspezifischen Verbots mindestens 18 Monate lang zu beobachten. Die Ergebnisse der Überprüfung legen nahe, dass in Wirklichkeit viel längere Zeiträume erforderlich sein könnten. Dies ist ein wichtiger Bereich für weitere Forschung.

Stärken und Schwächen

Eine wesentliche Stärke der Studie besteht darin, dass sie eine bisher übersehene Quelle von Erkenntnissen der Industrie nutzt, die gut mit den aktuellen wissenschaftlichen Fakten übereinstimmen, insbesondere mit den jüngsten Übersichten, die die Auswirkungen der Alkoholwerbung auf den Konsum zeigen. Die wichtigste Einschränkung besteht darin, dass diese Fallstudien keine repräsentative Stichprobe von Evaluierungen der Werbeindustrie darstellen, das heißt die Art der Stichprobe bedeutet, dass sie keine Evaluierungen von unwirksamen Werbekampagnen enthält. Es ist auch unwahrscheinlich, dass die Fallstudien Beispiele für Werbung enthalten, die eindeutig schädlich ist, zum Beispiel die gezielte Ansprache von minderjährigen Konsument*innen, obwohl die Rolle des Alkoholmarketings beim Alkoholkonsum von Jugendlichen an anderer Stelle gut dokumentiert ist. Darüber hinaus ist es im Allgemeinen schwierig, aus den Daten zu erkennen, ob die Kampagnen wirklich um Marktanteile konkurrieren oder neue Kund*innen gewinnen – die Bedeutung von Begriffen wie »neue Kund*innen« ist unklar. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass die veröffentlichten Fallstudien oft nur begrenzte methodische Informationen enthalten, und es ist auch nicht ganz klar, welcher Art von Peer Review sie vor der Veröffentlichung unterzogen wurden. Nichtsdestotrotz stellen sie eine geeignete zusätzliche Beweisgrundlage aus dem wirklichen Leben dar, die auf sekundären Daten der Industrie selbst basiert, um die Behauptungen der Industrie über die Auswirkungen der Werbung zu bewerten, und die Forscher*innen schlagen vor, dass diese Fallstudien für die Einbeziehung in künftige systematische Überprüfungen in Betracht gezogen werden sollten, da es sich hauptsächlich um Bewertungen von vollständig ausgerollten nationalen Kampagnen handelt.

Es ist auch zu beachten, dass die Fallstudien einen langen Zeitraum umfassen. Ein möglicher Kritikpunkt an den Ergebnissen ist, dass es sich um alte Kampagnen handelt, die nicht die aktuelle Praxis widerspiegeln. Es gibt nur wenige Alkohol-Fallstudien aus der Zeit nach der Verschärfung der Ofcom-Vorschriften (britische Regulierungsbehörde für den Kommunikationssektor) in den Jahren 2004/2005: nur 2 von 39 Fallstudien stammen aus der Zeit nach 2005. Es ist nicht möglich, allein anhand dieser Daten festzustellen, ob sich die später geänderten Ofcom-Vorschriften auf die Werbung ausgewirkt haben oder ob sie dazu geführt haben, dass die werbenden Unternehmen nach 2005 mit geringerer Wahrscheinlichkeit Fallstudien zum Thema Alkohol einreichten und/oder weniger häufig über die Förderung von schädlichem/schwerem Alkoholkonsum nach diesem Zeitpunkt berichteten. Bei der Analyse der Bedeutung starker Alkoholkonsument*innen für die Alkoholindustrie wurden jedoch Daten aus den Jahren 2013/14 verwendet, so dass diese Abhängigkeit eindeutig weiter besteht. Darüber hinaus sind auch Daten aus älteren Fallstudien für die Bewertung einiger der wichtigsten Behauptungen geeignet – so hängt beispielsweise die Beurteilung des kausalen Zusammenhangs zwischen Werbung und Konsumergebnissen nicht vom Alter der Fallstudien ab, und dasselbe gilt für die Beurteilung von Behauptungen über die Auswirkungen der Werbung auf den Markenanteil. Im letzteren Fall gibt es aus allen Zeiträumen Belege dafür, dass dies eine beträchtliche Übervereinfachung ist.

Schlussfolgerungen

Diese Ergebnisse zeigen, welche Rolle die Alkoholwerbung bei der Förderung von Alkoholkonsum und starkem Alkoholkonsum spielt. Dies scheint weit über die Auswirkungen auf den Marktanteil hinauszugehen – was die Industrie als ihre »primäre« Wirkung behauptet – und legt nahe, dass künftige Evaluierungen und systematische Überprüfungen Nachweise über die umfassenderen psychologischen, verhaltensbezogenen und sozialen und gesellschaftlichen Mechanismen und Auswirkungen der Alkoholwerbung enthalten müssen – zum Beispiel, indem sichergestellt wird, dass alle Evaluierungen diese Prozesse und Mechanismen (sowie die Ergebnisse des Konsums) untersuchen.

Schließlich werden die von den Forscher*innen untersuchten Behauptungen von der Alkoholindustrie benutzt, um zu argumentieren, dass eine strengere Beschränkung der Werbung unnötig sei, weil die Werbung nicht »funktioniert«, um den Konsum zu fördern, und selbst wenn sie es täte, würde sie keinen schädlichen Konsum fördern. Die Ergebnisse der Studie stützen diese Interpretation eindeutig nicht. Die Studie liefert auf der Grundlage von Branchendaten eindeutige Belege für die Mechanismen, durch die die Werbung den Konsum beeinflusst, und zeigt, dass der Schwerpunkt auf der Anwerbung von Konsument*innen, insbesondere von jüngeren Konsument*innen, liegt, sowie auf der Förderung von mehr Trinkanlässen und in einigen Fällen auf der Ansprache von starken Konsument*innen. Die Abhängigkeit von starken Alkoholkonsument*innen erfordert auch eine ständige Suche nach neuen Gruppen von stärkeren Verbraucher*innen, um diejenigen zu ersetzen, die nicht zuletzt aufgrund dieses Konsums sterben. Wie ein Whiskyhersteller es ausdrückte: »Teile des Marktes sterben buchstäblich aus, Whisky-Tumbler in der Hand «. Diese Ergebnisse sollten für künftige Bewertungen und systematische Überprüfungen der Auswirkungen von Alkoholwerbung sowie für künftige Bewertungen der potenziellen Auswirkungen von Regulierungsmaßnahmen herangezogen werden.

Quelle: MDPI

Übersetzt mit www.DeepL.com