Das Logo zeigt eine Grafik mit einem dunklen Kreis, in dem zwei Kinder in grün und orange nebeneinander mit ausgestreckten Armen hervorspringen. Daneben der Text: Kinder ohne Alkohol und Nikotin.

Initiative für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Alkohol- und Nikotin-Marketing

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Schild mit Aufschrift 'Kein Alkohol nach diesem Punkt konsumieren' vor Stadion

Männer waren traditionell das Bindeglied zwischen Sport und Schnaps, aber die Zeiten ändern sich.

Es sei eine große kulturelle Ironie, wenn Sportfans mit einem Bier in der Hand herumstehen und die Leistungen von Profisportlern kommentieren, schrieb der Wissenschaftler Lawrence Wenner vor 30 Jahren.

Von Siegesfeiern auf dem Podest mit Champagner bis hin zu Umkleidekabinen und Sportbars – Alkohol, Sport und eine bestimmte Interpretation von Männlichkeit werden seit langem gemeinsam als eine dreiteilige, voneinander abhängige Kultur gehandelt.

Am Sonnabend gab die FIFA bekannt, dass in den Stadien, in denen die Spiele der Herrenfußballweltmeisterschaft 2022 in Katar ausgetragen werden, kein Alkohol mehr erhältlich sein wird. Er wird in Katar während des Turniers zwar weiterhin erhältlich sein, aber nicht mehr so allgegenwärtig wie bei früheren Turnieren.

Warum die Welt des Sports sich um den Alkohol dreht

Doch wo liegen die Wurzeln dieses Zusammenhangs? Wie kam es dazu, dass sich die Welt des Sports um den Alkohol drehte?

Laut Professor Steve Jackson von der neuseeländischen Universität Otago geht das alles mindestens bis zu den Römern zurück.

Sie boten Brot und Spiele an – darunter Wein und verschiedene alkoholische Getränke –, um die Bürger zu besänftigen und soziale Unruhen zu verhindern,« so Jackson gegenüber Al Jazeera.

In jüngerer Zeit erkannten Werbetreibende in den Vereinigten Staaten in den Anfängen des populären Rundfunks bald die Macht der Identifizierung ihres Produkts mit einer Sportmannschaft. Regionale Brauereien sponserten lokale Baseballteams in der Hoffnung, eine übergreifende Loyalität aufzubauen, bei der die Loyalität und das Verhalten der Fans mit der Loyalität zu dem lokalen Bier in Verbindung gebracht werden, das »Ihnen das Spiel bringt«.

Sport, Bier und Männlichkeit bilden eine systematisch eingebürgerte »Heilige Dreifaltigkeit«, so Jackson, da sie mit dem Markt und einer erweiterten Darstellung von Geschlecht in der zeitgenössischen Kultur interagieren.

Screenshot des Tweets von Infantino
Football Tweet ⚽ (@Football__Tweet) auf Twitter, 19. November 2022
Wenn man drei Stunden lang kein Bier trinken kann, glaube ich, dass man überleben kann. Es gibt viele Länder, die Alkohol in Stadien verbieten, wie Frankreich, aber da es ein muslimisches Land ist, ist das ein Problem.« Gianni Infantino auf Twitter, 19. November 2022
 

Während in vielen Spitzensportarten traditionell Männer die Hauptakteure und ‑unterstützer sind, ist es seit langem bekannt, dass das, was heute oft als »toxische Männlichkeit« bezeichnet wird, es Männern schwer macht, offen über persönliche Angelegenheiten, Gefühle oder psychische Gesundheit zu sprechen.

Bier erleichtert die Interaktion zwischen Männern und zunehmend auch Frauen« , erklärte Paul Widdop, ein Wissenschaftler für die geopolitische Ökonomie des Sports an der Universität Manchester, gegenüber Al Jazeera. »Es ist Teil der Sportkultur, einer Kultur, die von Generationen von Fans geschaffen wird, die nicht nur mit Biermarken, sondern auch mit Kneipen eine symbolische Verbindung eingehen. Deshalb befinden sich die meisten viktorianischen Fußballplätze in der Nähe von Pubs.«

In diesem Sinne wirkt Alkohol wie ein soziales Schmiermittel.

Biergeld

Die Vermarktung von Sport und Alkohol ist der Schmelztiegel, in dem diese Beziehung geschmiedet wird. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Sportcal geben die 30 führenden alkoholischen Getränkemarken jedes Jahr mehr als 760 Millionen Dollar für mehr als 280 aktive Verträge aus, um die größten Wettbewerbe, Vereine und Athleten in der Sportbranche zu sponsern.

Heineken, das jährlich mehr als 118,3 Millionen Dollar für Sportsponsoring ausgibt, hat derzeit 25 aktive Verträge, darunter einen jährlichen Vertrag mit der Formel 1 über 21,4 Millionen Dollar und einen Vertrag mit der Major League Soccer über 10 Millionen Dollar. Bud Light ist mit einem jährlichen NFL-Sponsoring in Höhe von 230 Millionen Dollar bei Gesamtausgaben für den Sport in Höhe von 249,7 Millionen Dollar der größte Spender der Branche für Sportwerbung.

Eine Studie über die Rugby-Six-Nations-Meisterschaft 2020 ergab, dass während jedes Spiels im Durchschnitt alle 12 Sekunden ein Hinweis auf Alkohol erfolgte. Die große Mehrheit davon bezog sich auf den Hauptsponsor der Veranstaltung – Guinness. In Äthiopien, wo Alkoholwerbung verboten ist, wurde bei einer Untersuchung von im Fernsehen übertragenen Fußballspielen der englischen Premier League während durchschnittlich 10,8 Minuten eines 90-minütigen Spiels irgendeine Form von Alkoholwerbung auf dem Bildschirm gezeigt.

Da Fußball die beliebteste Sportart der Welt ist, wird sie auch von den Alkoholmarken am meisten angesprochen. Etwa 49 Prozent aller aktiven Alkohol-Sponsoringverträge beziehen sich auf Fußball. Davon zielen 59 Prozent auf europäische Verbraucher:innen ab. Der nächstgrößere Markt ist Nordamerika mit 20 Prozent.

Was heißt das konkret?

Während sich England auf das Halbfinale der Euro 2020 gegen Dänemark vorbereitete, bereiteten sich die Gastwirte darauf vor, am Spieltag voraussichtlich 10 Millionen Pints auszuschenken, schätzte die British Beer and Pub Association. Der Economist berichtete, dass während des Spiels selbst jede Minute etwa 50.000 Getränke gekauft würden.

Exzessiver Konsum wird mit gewalttätigem Verhalten in Verbindung gebracht. Alkohol ist auch ein nachgewiesener Zusammenhang zwischen Sportergebnissen und sexueller Gewalt. Laut einer Studie der Lancaster University aus dem Jahr 2014 steigt die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt um 38 Prozent, wenn England ein Fußballspiel verliert. Bei einem Sieg oder Unentschieden sind es »nur« 26 Prozent.

Mann schlägt Frau in schattenhafter Darstellung
Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 nimmt häusliche Gewalt in den Stunden nach einem Fußballspiel in England zu

Verankerung der Trinkkultur an der Basis

Aber nicht nur in den großen Ligen, die im Fernsehen übertragen werden, ist Alkohol allgegenwärtig. Breitensportvereine sind oft das Herzstück von Gemeinden auf der ganzen Welt. Sie betreiben Jugend- und Seniorenmannschaften, während das Vereinsheim einen weitgehend selbstregulierenden sozialen Raum darstellt, in dem in der Regel eine Bar für die notwendigen Einnahmen sorgt, um den Verein über Wasser zu halten.

Hier ist die Kultur des Sports und ihre Verbindung mit der Kultur des Bieres und des Trinkens eingebürgert,« sagt Wenner. »Es wird zu einem Zeichen oder einem Kodex für akzeptable Männlichkeit, ein Zeichen dafür, dass man ein ›echter Mann‹ ist und nicht einer, der nicht mitmacht und dessen Männlichkeit deshalb in Frage gestellt werden kann. Es handelt sich also um eine eingebettete Übung in der Sozialisierung dessen, was es bedeutet, ein Mann zu sein – ein Mann, natürlich unter den Bedingungen der ›guten alten Zeit‹, als ›Männer noch Männer waren‹. Ich nenne diese Art von Männlichkeitsideal ›rudimentäre Hypermaskulinität‹«.

Die Kultur des Sports und des Alkohols hat sich zweifellos auf die Entwicklung der männlichen Identität im 20. und 21. Jahrhundert ausgewirkt, und ihre Befürworter argumentieren, dass viele Möglichkeiten, Sport zu treiben, ohne die Einnahmen aus dem Sponsoring und dem Verkauf von Alkohol nicht existieren würden.

Schätzungen zufolge werden allein im Vereinigten Königreich 300 Millionen britische Pfund (350 Millionen Dollar) durch Alkoholsponsoring für den Sport erwirtschaftet, was etwa 12 % des gesamten Sportsponsorings des Landes ausmacht. Davon gehen etwa 50 Millionen Pfund (60 Millionen Dollar) direkt in den Breitensport. Dies führt zu Investitionen in Einrichtungen, Stadien, Spielerentwicklung, regionale Strukturen und Turniere, stellt die Portman Group fest, eine Interessengemeinschaft der Alkoholindustrie, die sich für »verantwortungsvollen« Alkoholkonsum einsetzt und »Kinder vor Alkoholmarketing schützen« will.

Screenshot des Tweets von Robert Carter
Robert Carter (@Bob_cart124) 18. November 2022
Um Fußball zu genießen, muss man keinen Alkohol trinken.

Alkohol ist ungesund.

Vor allem aber verstößt er gegen das islamische Recht.

Katar hat richtig gehandelt und den Verkauf von Alkohol im Einklang mit seiner Kultur und Religion verboten.
#Katar2022 #Weltmeisterschaft2022 «
Robert Carter am 18. November 2022 auf Twitter

»Unser Kodex verhindert, dass Sponsoring-Maßnahmen den Eindruck erwecken, es sei akzeptabel, vor oder während des Sports Alkohol zu konsumieren«, erklärte Portman-CEO Matt Lambert gegenüber Al Jazeera. »Etwa ein Zehntel des britischen Sportsponsorings stammt aus dem Alkoholbereich – und das unterstützt einen gesunden, ausgewogenen Lebensstil, indem es den Breitensport und kulturelle Veranstaltungen fördert. Sponsoring macht Aktivitäten zugänglicher und stellt Mittel für Ausrüstung und Einrichtungen bereit, um den Amateur- und Profisport durch Partnerschaften zu fördern.«

›Beerwashing‹

Selbst wenn es erwünscht wäre, ist es jetzt zu spät, Sport und Alkohol zu entkoppeln?

Es mag gesundheitliche und soziale Gründe dafür geben – aber der stärkste Katalysator für Veränderungen wird immer der Wunsch der Märkte sein. Wenn es Geld zu verdienen gibt, kann sich die Kultur ändern. Und in dem Maße, wie Sportvereine versuchen, ihre globale Reichweite auf neue geografische Märkte auszudehnen, tun dies auch ihre Sponsoren. Bei den Formel-1-Feierlichkeiten in Bahrain wird zum Beispiel prickelnder Traubensaft ausgeschenkt.

Für die unschuldigen Augen sieht es genauso aus wie ein Champagnerfest irgendwo anders auf der Welt.

Die Lösung der Alkoholindustrie, um die Verbraucher in islamischen oder muslimischen Ländern zu erreichen, besteht nicht darin, Trinkkultur und Sport zu entkoppeln, sondern eine lokal akzeptable Variante zu finden, sagt Jackson: »Viele Länder im Nahen Osten führen derzeit eine massive Kampagne durch – in Verbindung mit Sportswashing –, in der sie versuchen, ein Gleichgewicht zu finden. Wir sollten uns also nicht wundern, dass sie alkoholfreie Getränke einführen werden.

Es könnte einen Raum eröffnen, in dem männliche Verbraucher in diesen Ländern legal und ethisch korrekt an dieser Sporttrinkkultur teilnehmen können – und dann werden sie Teil von genau dem, was Budweiser und alle großen Unternehmen wollen. Das ist beer-washing.«

Angesichts der zunehmenden Popularität des Frauensports zögern die Werbetreibenden verständlicherweise, eine gewinnbringende Verbindung zu brechen und sich stattdessen anzupassen, indem sie mehr Frauen in der Alkoholwerbung zeigen – als Konsumentinnen und nicht als Ware, was in der Vergangenheit ein Kennzeichen der Alkoholwerbung war.

Nächstes Jahr findet in Neuseeland und Australien die FIFA-Frauen-Weltmeisterschaft statt, und die Alkoholindustrie will davon profitieren«, sagt Jackson. »Und oft ist es nicht nur Bier [für Frauen], sondern auch Spirituosen.«

Professorin Catherine Palmer von der Northumbria University legt eine neue Forschungsagenda vor, um die Beziehung zwischen Frauen, Sport und Alkohol als feministisches Thema zu definieren, und stellt fest, dass die Beziehung von Frauen zu Alkohol im Vergleich zum Alkoholkonsum von Männern immer als problematisch dargestellt wird.

Sportlicher Alkoholkonsum ist für Frauen genauso vergnüglich und problematisch wie für Männer, schrieb sie im Jahr 2019.

Es ist unwahrscheinlich, dass die jahrhundertealte gemeinsame Kultur von Alkohol und Sport in absehbarer Zeit ein Ende findet. Da es keine alternativen Finanzierungsmöglichkeiten für den Sport gibt, wird das Alkoholsponsoring auch weiterhin eine große Rolle bei Vereinen und Wettbewerben im Breiten- und Spitzensport spielen. Aber die Kultur verändert und erweitert sich, vor allem wenn es ein Gewinnmotiv gibt.

Und da sowohl die Welt des Alkohols als auch die Welt des Sports sich weiter anpassen, um nicht-traditionelle Märkte zu erreichen, werden wir vielleicht ein Gewinnmotiv in der Inklusivität und eine Entkopplung der »giftigeren« und gewalttätigen Elemente der Kultur sehen.

Und das ist etwas, auf das es sich lohnt, ein Glas zu erheben.

Quelle: Dies ist die Übersetzung eines Artikels, der zuerst auf www.Aljazeera.com erschienen ist. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Übersetzt mit www.DeepL.com