
Schnittstellen gemeinsam gestalten« – dieses Motto zog sich wie ein roter Faden durch die 64. Fachkonferenz SUCHT der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Potsdam: 233 Teilnehmende nutzten die hochkarätig besetzten Vorträge, Foren und Podiumsgespräche, um sich miteinander zu vernetzen und sektorenübergreifend in einen regen Austausch zu kommen. Die vom 27. bis 29. Oktober 2025 im Kongresshotel Potsdam stattfindende Veranstaltung war bereits Wochen vor Beginn ausgebucht.
Mit dem deutlichen Appell, die Arbeit an den Schnittstellen zu optimieren, eröffnete der Vorstandsvorsitzende der DHS, Prof. Dr. Norbert Scherbaum, die 64. DHS-Fachkonferenz SUCHT. Anschließend wurde der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Prof. Dr. Hendrik Streeck, live aus Bonn zugeschaltet. In seinem Grußwort ermutigte er die Teilnehmenden, gemeinsam neue Wege zu gehen. Er bekräftigte seinen Anspruch, sich sowohl aus seiner Rolle als Arzt und Wissenschaftler als auch als Politiker heraus sachlich und evidenzbasiert einzubringen. In dieser Legislaturperiode wolle er ein Katalysator für Lösungen sein, so Streeck.
Schnittstellen gemeinsam gestalten
Anschließend spannten vier Impulsvorträge am ersten Veranstaltungstag einen weiten Bogen über zentrale Themen der Suchthilfe:
- Patricia Tollmann von der Hochschule Bochum ordnete das Konferenzthema disziplinenübergreifend ein. Sie stellte Prinzipien und Werkzeuge für gelingende Netzwerkarbeit dar. In diesem Kontext betonte die Gesundheitswissenschaftlerin insbesondere eine zielgerichtete, ergebnisbezogene und transparente Kommunikation als Erfolgsfaktor. Unter dem Motto »Nothing about us without us« (»Nichts über uns ohne uns«) rief sie dazu auf, Leitbilder zu entwickeln, aktiv aufeinander zuzugehen, Beziehungen zu gestalten und Erfolge gemeinsam nach außen zu tragen.
- Prof. Dr. Thomas Redecker skizzierte anhand seines beruflichen Werdegangs die Problematik der »Unentdeckten« im Versorgungssystem. Der Arzt und Psychologe entwarf dabei unterschiedliche Lösungswege für eine bessere Verzahnung zwischen medizinischer und psychotherapeutischer Versorgung.
- Prof. Dr. Anne Koopmann vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim thematisierte die Schnittstellen zwischen Suchthilfe und Angehörigen von Menschen mit Suchterkrankungen. Sie machte die starke Belastung der Angehörigen deutlich. Um ihre Situation nachhaltig zu verbessern, sei es wichtig, Querschnittsarbeit zu leisten und aktiv für die Entstigmatisierung einzutreten, so die Medizinerin. Sie rief zur Pflege und zum Ausbau der Zusammenarbeit auf und betonte die Notwendigkeit des (Wissens-)Austauschs zwischen den unterschiedlichen Fachrichtungen und Systemen.
- Dr. Wibke Voigt zeigte in ihrem Vortrag zum Thema »Frau. Trauma. Sucht« eindrucksvoll auf, dass es mehr frauenspezifische Angebote in der Suchthilfe braucht. Die Ärztin und Traumatherapeutin verdeutlichte den engen Zusammenhang zwischen traumatischen Erfahrungen und der Entstehung von Abhängigkeitserkrankungen. Sie plädierte dafür, Wissen über die Entwicklung von Traumata sowohl in die Aus- und Weiterbildung als auch in die Praxis einzubringen. Insbesondere an der Schnittstelle zwischen dem Suchthilfesystem und der Traumatherapie sei dafür ein fachübergreifender Austausch notwendig.
Die Referierenden brachten die unterschiedlichen Perspektiven aus ihren Vorträgen in das anschließende Podiumsgespräch zum Thema »Von der Suchthilfe zum Suchthilfesystem« ein. Unter der Moderation von Helga Meeßen-Hühne (Landesstelle für Suchtfragen im Land Sachsen-Anhalt) bereicherten Antje Herrmann vom Lotsennetzwerk Thüringen und der Politikwissenschaftler Philipp Kramme die fachlichen Impulse durch ihre individuellen Perspektiven als Betroffene beziehungsweise Angehörige. Deutlich wurde – auch durch Stimmen aus dem Plenum – dass eine übergreifende Zusammenarbeit sowie die Vermittlung von Wissen über Suchterkrankungen innerhalb der Fachwelt und in der Öffentlichkeit die Versorgung verbessern können.
Die aktuelle Suchtgefährdung der jungen Generation
Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus Hurrelmann eröffnete den zweiten Tag der DHS-Fachkonferenz SUCHT 2025. Charismatisch und engagiert referierte er über »Die aktuelle Suchtgefährdung der jungen Generation: Ergebnisse aktueller Jugendstudien – Herausforderungen für Hilfesysteme«. Der renommierte Soziologe, Erziehungs- und Gesundheitswissenschaftler betonte insbesondere die durch digitale Kommunikationsformen ausgelösten gesellschaftlichen Veränderungsprozesse und deren Auswirkungen auf Heranwachsende.
Anschließend tauschten sich die Teilnehmenden in insgesamt zwölf Foren zu unterschiedlichen Schnittstellenproblematiken aus. Dabei lieferten Kurzimpulse von Expert*innen aus der Suchthilfe-Praxis und der Forschung jeweils themenbezogene Anregungen zur Vernetzung und Zusammenarbeit. Die Diskussionsergebnisse wurden auf Postern dokumentiert. Festgehalten wurden:
- Verbesserungsbedarfe,
- Anstöße zur Pflege von Schnittstellen,
- konkrete Vorhaben der Teilnehmenden für ihren Arbeitsalltag.
Am dritten Konferenztag wurden die Ergebnisse der Foren allen Teilnehmenden auf Stellwänden im Plenum präsentiert.

Sucht- und Drogenpolitik in Deutschland
Unter kompetenter und sympathischer Tagemoderation von Andrea Hardeling (Brandenburgische Landesstelle für Suchtfragen), machte DHS-Geschäftsführer Dr. Peter Raiser mit einem Vortrag zur »Sucht- und Drogenpolitik in Deutschland« den Auftakt des dritten Fachkonferenztages.
Mit der bundespolitischen Perspektive auf aktuelle Sucht- und Drogenfragen knüpfte die Bundestagsabgeordnete Sylvia Rietenberg (Bündnis 90/Die Grünen) ideal an. Sie regte eine Diskussion darüber an, wie die Suchthilfe lauter werden könne, um den Herausforderungen der Zeit zu begegnen, und unterbreitete dazu konkrete Vorschläge.
Evelyn Popp (AWO Bezirksverband Weser-Ems) moderierte das anschließende Podiumsgespräch »Suchthilfe trifft Politik« fachlich fundiert. Bärbel Lörcher-Straßburg (Sucht- und Drogenbeauftragte des Landes Niedersachsen), Corinna Mäder-Linke (Bundesverband Suchthilfe), Sylvia Rietenberg und Dr. Peter Raiser gingen dabei in einen intensiven und praxisnahen Austausch mit dem Plenum. Dabei blickten sie auf Erfolgsfaktoren und fragten: »Was macht die Suchthilfe gut?« Sie benannten auch Möglichkeiten, wie sich die Suchthilfe stärker positionieren kann, etwa indem sie Herausforderungen adressiert, aber auch ihre Erfolge ausdrücklich benennt. Die Teilnehmenden verwiesen in diesem Zusammenhang unter anderem auf das Thema »Kinder aus suchtbelasteten Familien«, das mittlerweile auf der politischen Agenda steht. Es wurde auch angeregt, »neue Verbündete mit ins Boot zu nehmen«, beispielsweise öffentliche Körperschaften und Einrichtungen (Handwerkskammer, IHK) oder Arbeitgeberverbände.
Anschließend hielt der Glücksspielforscher Dr. Tobias Hayer einen pointierten und faktenreichen Vortrag zum Thema »It's all about the Money – Wie die Glücksspielindustrie ökonomische Interessen wahrt und effektive Suchtprävention verhindert«. In seinem Beitrag analysierte er, wie die Glücksspielindustrie aufgrund ihrer ökonomischen Interessen Forschung, öffentliche Wahrnehmung und Politik gezielt beeinflusst, um eigene Interessen durchzusetzen. Laut Hayer sind ein Paradigmenwechsel hin zu einem Public-Health-Ansatz sowie unabhängige Forschung entscheidend, um die Risiken von Glücksspielen zu begrenzen und gesundheitliche Schutzmaßnahmen durchzusetzen.

Mit einem klaren und motivierenden Call to Action setzte DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel den passenden Schlusspunkt.
Die DHS-Fachkonferenz SUCHT überzeugte insgesamt durch exzellente Referent*innen, ein engagiertes Publikum und eine inspirierende Atmosphäre. Zahlreiche Aussteller*innen bereicherten die Veranstaltung mit 13 Infoständen und boten einen weiteren Raum für Austausch und Vernetzung.

Die Guttempler präsentierten ihre neue SoberCircle-App.
Quelle und Bildnachweis: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen
