Zu sehen sind die Hände zweier Männer auf einem Schreibtisch. Der eine von ihnen legt Geldscheine zu einem unter einem Umschlag verborgenen Vertrag.

Die Gründung der WHO-Stiftung muss vor dem Hintergrund der gravierenden Finanzierungsprobleme der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den letzten vier Jahrzehnten verstanden und interpretiert werden. In Ermangelung einer politischen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihre Beiträge in einem Umfang zu erhöhen, der dem Arbeitsprogramm der WHO entspricht, sind die Bemühungen der WHO, alternative Finanzierungsmechanismen zu entwickeln, verständlich. Obwohl der derzeitige Generaldirektor der WHO bekräftigt hat, dass »Rechenschaftspflicht und Vorsorge im Mittelpunkt der Steuerung der wirtschaftlichen Determinanten von Gesundheit stehen müssen«, scheint sich dieser Ansatz nicht auf die Finanzierung der WHO ausgeweitet zu haben. Die Autor*innen dieses Artikels argumentieren, dass die Gründung der WHO-Stiftung dazu diente, die Philanthropie der Unternehmen zu entpolitisieren, indem sie »fiktive Erwartungen« in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Transparenz weckte.

Autor*innen: Rob Ralston, Tracey Wagner-Rizvi, May CI. von Schalkwyk, Nason Maani, Jeff Collin

Zitierung: Rob Ralston, Tracey Wagner-Rizvi, May CI. van Schalkwyk, Nason Maani, Jeff Collin, The WHO Foundation in global health governance: Depoliticizing corporate philanthropy, Social Science & Medicine, Volume 344, 2024, 116515, ISSN 0277-9536, https://doi.org/10.1016/j.socscimed.2023.116515.

Quelle: Social Science & Medicine

Datum der Veröffentlichung: 26. Februar 2024

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Die WHO-Stiftung in der globalen Gesundheitspolitik: Entpolitisierung der Unternehmensphilanthropie

Highlights

  • Die Gründung der WHO-Stiftung ist eine bedeutende Entwicklung im Bereich der globalen Gesundheit.
  • Die WHO-Stiftung hat die Aufgabe, die Finanzierung durch den kommerziellen Sektor zu maximieren.
  • Diese institutionelle Entwicklung hat die Philanthropie der Unternehmen entpolitisiert.
  • Die Analyse zeigt ein Abdriften in der Rechenschaftspraxis der Stiftung auf.
  • »Fiktive Erwartungen« an Rechenschaftspflicht und Transparenz gefährden die Legitimität der WHO.

Abstrakt

Die Gründung der WHO-Stiftung während der COVID-19-Pandemie stellt eine wichtige institutionelle Entwicklung in der Finanzierungspolitik der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dar. Vor dem Hintergrund eines seit langem bestehenden akuten Finanzdrucks ist es das Ziel der WHO-Stiftung, die Ressourcenbasis der WHO durch die Gewinnung philanthropischer Spenden aus dem privaten Sektor zu erweitern. Indem die WHO-Stiftung Finanzierungsentscheidungen »aus einer Hand« trifft, besteht die erklärte Erwartung, dass sie als Mittler fungiert und die WHO vor potenziellen Interessenkonflikten und Reputationsrisiken schützt, indem sie eine strategische Distanz zur WHO mit einer Nähe zu ihren Standards und Regeln für den Umgang mit nichtstaatlichen Akteuren verbindet.

Ob sich dieses Modell in der Praxis bewährt hat, ist jedoch noch wenig erforscht. In diesem Artikel konzentrieren sich die Autor*innen auf die sich abzeichnenden institutionellen Praktiken innerhalb der WHO-Stiftung und zeigen ein Abweichen von ihrem erklärten Governance-Modell auf. Auf der Grundlage einer Analyse von Dokumenten der WHO-Stiftung zeigen sie, wie die Praktiken der Sorgfaltspflicht und der Transparenz innerhalb der Stiftung in einer Weise umgestaltet wurden, die im Widerspruch zu den Behauptungen der Stiftung steht, sich an den Governance-Standards der WHO zu orientieren, insbesondere was ihre Zusammenarbeit mit gesundheitsschädlichen Industrien wie Alkohol- und Petrochemieunternehmen betrifft.

Obwohl diese Situation paradox erscheinen mag, argumentieren die Autor*innen, dass die Gründung der Stiftung, die Finanzierungsentscheidungen außerhalb der formalen Institutionen und Strukturen der WHO trifft, dazu beigetragen hat, das Thema in eine abgelegenere Arena zu verlagern, in der Abweichungen in der Praxis weniger der politischen Aufsicht und Kontrolle ausgesetzt sind. Die Autor*innen konzentrieren sich auf die diskursiven Aspekte dieses Entpolitisierungsprozesses und kommen zu dem Schluss, dass die Stiftung strategisch mit "fiktiven Erwartungen" an ein rechenschaftspflichtiges und transparentes Management umgegangen ist, um Bedenken hinsichtlich ihres Mandats und ihrer Funktionen zu zerstreuen. Diese Bewertung bietet neue und wichtige Einblicke in die entpolitisierenden Funktionen der WHO-Stiftung und die bedeutenden Auswirkungen, die dies auf die globale Gesundheitspolitik haben kann.

Vorgeschichte: der COVID-19-Solidaritätsfonds

Um die Logik der WHO-Stiftung zu verstehen, muss zunächst der COVID-19 Solidarity Response Fund (der Fonds) betrachtet werden. Der Fonds wurde im März 2020 von der WHO, der UN Foundation (einer unabhängigen Wohltätigkeitsorganisation, die die Vereinten Nationen unterstützt) und der Swiss Philanthropy Foundation (einer Dachstiftung, die verschiedene andere philanthropische Fonds verwaltet) als Plattform zur Unterstützung der WHO bei der Bekämpfung der Pandemie eingerichtet, und sollte es Privatpersonen, Unternehmen und Stiftungen ermöglichen, die Bekämpfung von COVID-19 zu unterstützen.

Der Fonds verfolgte einen Ansatz des »minimalen Bedauerns«, um ein Gleichgewicht zwischen Sorgfaltspflicht und schnellem Handeln herzustellen, und sammelte innerhalb von sechs Wochen 200 Millionen US-Dollar. Die Liste der Unternehmen, die den Fonds unterstützt haben, umfasst multinationale Lebensmittel- und Getränkehersteller wie PepsiCo, Nestlé und Mondelēz, die diese Spenden als Zeichen ihrer sozialen Verantwortung nutzten. So führte Mondelēz seine Spende an den Fonds als Beispiel für sein »globales Engagement zur Unterstützung von Hilfsmaßnahmen« an. Auch der Hersteller fossiler Brennstoffe, BP, kündigte eine Spende seiner Unternehmensstiftung in Höhe von 2 Millionen US-Dollar an und wurde von der UN Foundation für seine »echte Führungsrolle« gelobt, die es mit seinem Beitrag unter Beweis stelle.

In dem anschließend von der WHO, der UN Foundation und der Swiss Philanthropy Foundation veröffentlichten COVID-19 Solidarity Response Fund Playbook heißt es, der Fonds biete einen »skalierbaren Mechanismus zur Überwindung der Beschränkungen, die es der WHO bisher erschwert haben, direkte finanzielle Unterstützung von einem so breiten Spektrum nicht traditioneller Geber anzunehmen«. Das Playbook beschreibt den Fonds als ein Instrument, das »Einzelpersonen, Unternehmen, Stiftungen und anderen Organisationen weltweit die Möglichkeit bietet, die Arbeit der WHO direkt zu unterstützen«. Mit anderen Worten, der Fonds fungierte als Vermittler, der eine Distanz zwischen der WHO und Dritten schuf, die es der WHO ermöglichte, indirekt Spenden von Unternehmen anzunehmen. Das Playbook beschreibt den Fonds als »Enabler« (Ermöglicher):

Die WHO muss eine unabhängige Beziehung zu den Beitragszahlern aufrechterhalten […] während die Due-Diligence-Prüfung unter Berücksichtigung der dafür geschaffenen WHO-Kriterien durchgeführt wird, ist der Prozess letztlich Sache des Fonds und nicht der WHO. Außer in seltenen Fällen geht kein Geber des Fonds infolge seiner Beteiligung am Fonds direkt neue rechtliche oder administrative Vereinbarungen mit der WHO ein. Daher musste der Fonds nicht die gesamte Sorgfaltspflicht und den Prozess der Partnerzulassung gemäß dem WHO-Rahmen für die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren (FENSA) übernehmen.«

Bemerkenswerterweise wurde dieses Modell der unabhängigen Beteiligung im Playbook als »proof of concept« für die Stiftung bezeichnet, wobei der Solidaritätsfonds als »Zwischenlösung« während der Entwicklung der Stiftung diente. Angesichts der Effektivität des Fonds bei der Mittelbeschaffung ist es nicht überraschend, dass die Konzeption der WHO-Stiftung ihrem Governance-Modell bei der Vermittlung zwischen der WHO und »nicht-traditionellen« Gebern sehr ähnlich ist. Die Stiftung positioniert sich in ähnlicher Weise als Mechanismus für die Annahme finanzieller Unterstützung von Dritten, wobei sie ihre Aufgabe darin sieht, die »Netto-Finanzbeiträge« für die WHO zu maximieren. Die Stiftung unterscheidet sich jedoch erheblich vom Fonds in Bezug auf das Management von Reputationsrisiken für die WHO.

Ein zentraler Mechanismus, mit dem der Fonds versucht, diese Risiken zu mindern, besteht darin, dass er keine Zweckbindung von Beiträgen zulässt, da dies »als Mittel zur Kanalisierung der Unterstützung von Gebern für bestimmte Projekte wahrgenommen werden könnte, was zu einem unangemessenen Einfluss von nicht-traditionellen Gebern (einschließlich des privaten Sektors) führen könnte«. Es ist davon auszugehen, dass mit der Erweiterung des Mandats der Stiftung die Bedeutung dieser Risiken zunehmen wird. Obwohl die Stiftung anerkennt, dass »nicht zweckgebundene Mittel der Königsweg sind«, zeigen die folgenden Abschnitte, wie in der Praxis der Maximierung der Mittelzuflüsse offenbar Vorrang vor der Anwendung einer solchen Schutzmaßnahme eingeräumt wurde.

Aufbau einer »glaubwürdigen Firewall«: FENSA und das Stiftungsmodell

Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Governance-Modell der Stiftung, das in einem Affiliation Agreement zwischen der WHO und der Stiftung formalisiert und in einem FAQ-Dokument näher erläutert wurde. In diesen Dokumenten wird der Ansatz zum Schutz der WHO vor Reputationsrisiken beschrieben, was auf die Absicht hindeutet, eine »Firewall« zu errichten, indem die institutionelle Arena, in der Entscheidungen über Philanthropie getroffen werden, von der WHO getrennt wird. Es ist wichtig, dass diese Verlagerung der Zuständigkeiten mit der Schaffung einer gleichberechtigten Beziehung zwischen den Gebern und der WHO gerechtfertigt wird, während gleichzeitig die Übereinstimmung mit den Normen und Grundsätzen der WHO und den durch die Anwendung von FENSA kodifizierten Praktiken des Engagements gewährleistet werden soll.

So heißt es in der Vereinbarung, dass die Stiftung sich mit der WHO abstimmen wird, aber »jederzeit eine unabhängige Institution bleibt«, was der Logik des Solidaritätsfonds entspricht. Diese Distanz zur WHO spiegelt sich in dem politischen Ermessensspielraum wider, den die Stiftung bei der Gestaltung ihrer Sorgfaltspflicht und ihrer Arbeitsmethoden hat. In der Vereinbarung heißt es, dass die WHO zwar erwartet, bei der »Entwicklung und Umsetzung solcher Maßnahmen« konsultiert zu werden, dass aber die Gestaltung dieser Maßnahmen in der Verantwortung der Stiftung liegt. Dieses »arms length«-Governance-Modell wird im weiteren Verlauf des Abkommens bekräftigt, in dem es heißt, dass die Beziehung »keine gemeinsame Partnerschaft begründet oder als solche angesehen wird […] keine der Parteien ist für die Handlungen oder Unterlassungen der anderen Partei verantwortlich«.

Diese Unabhängigkeit von der WHO spiegelt sich in der Tatsache wider, dass Entscheidungen über die Mittelbeschaffung in die Zuständigkeit des Stiftungsrats der WHO fallen, der kollektiv befugt ist, organisatorische Ziele festzulegen, operative Verfahren zu überprüfen und Entscheidungen über die Mittelvergabe zu genehmigen. Der Exekutivdirektor ist für das Tagesgeschäft der Stiftung verantwortlich, obwohl aus den verfügbaren Dokumenten nicht eindeutig hervorgeht, ob Entscheidungen über die Annahme von Mitteln an den Exekutivdirektor delegiert werden oder in der kollektiven Verantwortung des Stiftungsrats verbleiben.

Die Rechtfertigung für diese unabhängige Beziehung wird im FAQ-Dokument dargelegt, in dem argumentiert wird, dass eine »innerhalb der WHO angesiedelte Einrichtung« nicht über die rechtliche Trennung verfügen würde, die eine »glaubwürdigere Firewall zum Schutz der WHO« darstellen würde. Diese Idee einer Firewall wird durch die indirekte Beziehung zwischen der WHO und den Gebern konstruiert, behauptet aber auch, dass die Interaktionen der Stiftung mit Dritten keine Gefahr für die Legitimität der WHO darstellen würden. Die Vereinbarung betont, dass die Stiftung »alle notwendigen Maßnahmen ergreifen wird, um den Namen und das Ansehen der WHO zu schützen«. Insbesondere wird sie es vermeiden, »Projekte, Aktivitäten oder Initiativen zu sponsern oder zu unterstützen, deren Durchführung zu Interessenkonflikten (einschließlich einer Verletzung der FENSA-Prinzipien) führen würde«. Dieser Anspruch auf Einhaltung der FENSA-Grundsätze wird in dem FAQ-Dokument wiederholt, in dem es auch heißt, dass die Stiftung die FENSA-Grundsätze bei der Annahme von Spenden und der Überprüfung von Spendern einhalten wird, um die WHO vor »Reputationsrisiken« zu schützen.

Mit ihrer Zustimmung zu FENSA hat sich die Stiftung zu einer Reihe von Prinzipien und Praktiken verpflichtet, die 2016 von der WHO verabschiedet wurden, um die Zusammenarbeit der Organisation mit nichtstaatlichen Akteuren zu erleichtern und zu steuern. FENSA wurde in einem oft kontroversen Verhandlungs- und Konsultationsprozess zwischen 2012 und 2016 entwickelt und stellt eine Reihe von Prinzipien dar, die in Richtlinien kodifiziert sind, welche die Wahrung der politischen Legitimität der WHO durch eine prozedurale Verpflichtung zu Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Interaktion mit nichtstaatlichen Akteuren betonen. FENSA bezieht sich direkt auf die Vermeidung von Konflikten zwischen dem Mandat der WHO zur Förderung der öffentlichen Gesundheit und den Interessen nichtstaatlicher Akteure, die als eine Situation beschrieben wird, in der die Interessen der WHO durch die gegensätzlichen Interessen eines nichtstaatlichen Akteurs in einer Weise unangemessen beeinflusst werden könnten, die die Unabhängigkeit und Objektivität der Arbeit der WHO beeinträchtigt oder als solche wahrgenommen werden könnte. Auch wenn Bedenken bestehen, ob und wie die FENSA-Prinzipien in der Praxis umgesetzt werden, zeigt ihre Verabschiedung, dass die WHO die Bedeutung des Umgangs mit Interessenkonflikten anerkennt.

Die Vereinbarung mit der Stiftung sieht vor, dass Richtlinien zur Sorgfaltspflicht in Übereinstimmung mit FENSA entwickelt werden. Obwohl in der Vereinbarung nicht näher erläutert wird, wie die operativen Verfahren der Stiftung entwickelt werden sollen, kann dies als Hinweis darauf gewertet werden, dass das Governance-Modell der Stiftung den FENSA-Grundsätzen entsprechen wird, wie sie in den WHO-Richtlinien dargelegt sind. Wichtig ist, dass die FENSA »besondere Vorsicht empfiehlt, insbesondere bei der Durchführung von Sorgfaltsprüfungen, Risikobewertungen oder Risikomanagement, wenn sie mit privaten Einrichtungen und anderen nichtstaatlichen Akteuren zusammenarbeitet, deren Politiken oder Aktivitäten negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben und nicht im Einklang mit den Politiken, Normen und Standards der WHO stehen, insbesondere im Zusammenhang mit nichtübertragbaren Krankheiten und ihren Determinanten«.

Die Zusammenarbeit der WHO mit nichtstaatlichen Akteuren orientiert sich unter anderem an den folgenden übergreifenden Grundsätzen

  • die WHO vor unzulässiger Einflussnahme zu schützen, insbesondere auf die Prozesse zur Festlegung und Anwendung von Politiken, Normen und Standards
  • die Integrität, Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit und den Ruf der WHO nicht gefährden
  • wirksam gehandhabt werden, unter anderem indem Interessenkonflikte und andere Formen von Risiken für die WHO nach Möglichkeit vermieden werden
  • auf der Grundlage von Transparenz, Offenheit, Einbeziehung, Verantwortlichkeit, Integrität und gegenseitigem Respekt durchgeführt werden

Die FENSA-Richtlinien empfehlen auch, »Vorsicht walten zu lassen bei der Annahme finanzieller Beiträge von privaten Einrichtungen, die auch nur ein indirektes Interesse am Ergebnis des Projekts haben«. Insbesondere weisen die Richtlinien darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit der Alkohol-, Lebensmittel- und Getränkeindustrie (einschließlich der Hersteller kommerzieller Säuglingsnahrung) mit dem Mandat der WHO in Konflikt geraten kann. In den Leitlinien wird betont, dass »institutionelle Interessenkonflikte vor allem dann auftreten können, wenn die Interessen nichtstaatlicher Akteure, insbesondere wirtschaftlicher, kommerzieller oder finanzieller Art, mit der Gesundheitspolitik, dem verfassungsmäßigen Auftrag und den Interessen der WHO kollidieren, insbesondere mit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Organisation bei der Festlegung von Strategien, Normen und Standards«.

Angesichts der ausdrücklichen Verpflichtung, sicherzustellen, dass »alle erhaltenen Mittel« den FENSA-Grundsätzen entsprechen, könnte man erwarten, dass die von der Stiftung angewandten Sorgfaltspflichtverfahren von ihren Beamt*innen zumindest verlangen, dass sie die Angemessenheit eines Engagements in gesundheitsschädlichen Industrien sorgfältig prüfen. Dies ist besonders wichtig für die Alkohol- und Lebensmittelindustrie, die in den FENSA-Richtlinien als spezifisches Risiko für das Ansehen und die Legitimität der WHO genannt werden. Die Entwicklung von Transparenzverfahren im Rahmen der Sorgfaltspflicht zeigt jedoch, dass die Entscheidungsfindung in der Praxis immer weiter von diesen vermeintlichen Standards und Prinzipien abweicht.

Abweichungen vom Modell: Sorgfaltspflicht und Transparenzpraxis

Die Entscheidung, die Stiftung nicht bei der WHO anzusiedeln, wurde mit einer Reihe von Vorteilen begründet. Zunächst würde die Gründung einer eigenen juristischen Person Steuerabzüge ermöglichen und damit die Attraktivität der Stiftung für »wohlhabende Spender*innen [und] den Privatsektor« erhöhen. Dieses Modell der Unabhängigkeit wurde auch damit begründet, dass es eine »flexible Führungsstruktur« biete, die eine »glaubwürdigere Firewall« darstelle. In diesem Abschnitt wird untersucht, wie sich diese Governance-Struktur entwickelt hat, indem das rhetorische Bekenntnis zu FENSA mit der Ausgestaltung der Rechenschaftsmechanismen verglichen wird. Insbesondere wird untersucht, wie sich die Sorgfalts- und Transparenzverfahren von den FENSA-Prinzipien entfernt haben, wodurch die Kontrolle über das Engagement der Stiftung in gesundheitsschädlichen Industrien eingeschränkt wird.

Neugestaltung der Sorgfaltspflichtverfahren

Obwohl die Stiftung im Mai 2020 ihre Arbeit aufnahm, veröffentlichte sie erst fast ein Jahr später Informationen über ihre Sorgfaltspflichtverfahren, wobei die erste öffentlich zugängliche Richtlinie zur Annahme von Spenden erst im März 2021 veröffentlicht wurde. Auch wenn dieser Mangel an Transparenz nicht unbedingt auf fehlende interne Verfahren hindeutet, bleibt dennoch unklar, ob Entscheidungen über die Annahme von Geldern improvisiert wurden oder durchdachten Systemen unterlagen. Diese informelle Herangehensweise an die Rechenschaftspflicht hat dazu geführt, dass die Sorgfaltspflicht innerhalb der Stiftung in einer kritischen Phase ihres Bestehens keiner externen Prüfung unterzogen werden konnte.

Die erstmals veröffentlichte Richtlinie zur Annahme von Geschenken wurde in verschiedene Kategorien von Unternehmensakteuren unterteilt, die nach Einschätzung der Stiftung ein unterschiedlich hohes Reputationsrisiko für die WHO darstellen. Unternehmen der Kategorie »rot« sind für die Stiftung »strikt tabu«, da finanzielle Zuwendungen oder Geschenke »die Integrität der Stiftung und ihr Engagement für die globale Gesundheit beeinträchtigen« würden. In der Version der Richtlinie zur Annahme von Geschenken vom März 2021 umfasste die rote Kategorie die Tabak-, Waffen- und Alkoholindustrie. Diese Version enthielt auch eine »orange« Kategorie von Akteuren, die die Stiftung ebenfalls als »ausgeschlossen« bezeichnete und die »von Fall zu Fall« beurteilt werden sollte. Sie umfasste unter anderem Industrien, die zum Klimawandel oder zur Umweltzerstörung und ‑verschlechterung beitragen (mit ausdrücklichem Verweis auf die petrochemische Industrie und die Öl- und Gasindustrie), sowie Industrien, die zur Verschlechterung der menschlichen Gesundheit beitragen.

Einen Monat später wurde eine überarbeitete Version des Dokuments veröffentlicht, in der die Alkoholindustrie von der roten »Tabu«-Kategorie in die mittlere »Orange«-Risikokategorie eingestuft wurde. In einer E-Mail an die Global Alcohol Policy Alliance (eine Nichtregierungsorganisation, die sich mit alkoholbedingten Schäden befasst) begründete der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Anil Soni, die Überarbeitung damit, dass in der Richtlinie zur Annahme von Geschenken »irrtümlich und inkonsistent auf die Alkoholindustrie Bezug genommen« worden sei. Diese Inkonsistenz wird in der Version vom April 2021 deutlich, in der es im Abschnitt über die Sorgfaltspflicht immer noch heißt, dass Geschenke, die mit der Alkoholindustrie in Verbindung stehen, »nicht angenommen werden dürfen und an den Spender zurückgegeben werden müssen«. Diese Bestimmung wurde dann in einer dritten Version der Richtlinie über die Annahme von Spenden, die einen Monat später, im Mai 2021, veröffentlicht wurde, gestrichen, und nur finanzielle Beiträge von Spendern, die mit der Tabak- oder Waffenindustrie in Verbindung stehen, wurden ausdrücklich abgelehnt. Die Richtlinie wurde im Dezember 2021 ein viertes Mal überarbeitet, wobei diesmal ein Unterabschnitt über die »gesundheitliche Integrität« der Stiftung gestrichen wurde. Diese Änderung beinhaltete insbesondere die Streichung des Verweises auf das »Engagement der Stiftung für globale Gesundheit« im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichtverfahren und die Streichung der Terminologie der roten und orangen Kategorien von Akteuren. In der Version vom Dezember 2021 wird zwar festgehalten, dass die Stiftung nicht mit der Tabak- oder Waffenindustrie zusammenarbeitet, aber die Terminologie der ausgeschlossenen Kategorien von Akteuren wird durch die Verpflichtung ersetzt, die Art der vom Geber durchgeführten Aktivitäten zu überprüfen. In dieser Version wurden alle Verweise auf die Alkoholindustrie gestrichen, und Diskurse über Klimawandel und Umweltzerstörung wurden durch vage Verweise auf »Umweltpolitik und ‑praxis« ersetzt. Außerdem wurde der explizite Verweis auf die Öl-, Gas- und petrochemische Industrie als potenziell ausgeschlossene Akteurskategorie gestrichen.

Diese Überarbeitungen zeigen, wie sich die formalen Definitionen von Interessenkonflikten verschoben haben, wobei die Sorgfaltsprozesse so umgestaltet wurden, dass finanzielle Beiträge von gesundheitsschädlichen Industrien, insbesondere von Unternehmen, die fossile Brennstoffe und Alkohol herstellen, weniger streng akzeptiert werden. Dies stellt eine Abkehr von den Sorgfaltsprüfungsverfahren der FENSA und des COVID-19-Solidaritätsfonds dar, die finanzielle Beiträge der Alkoholindustrie als »Verstoß gegen die Mission und Vision der Weltgesundheitsorganisation oder der Vereinten Nationen« betrachteten.

Begrenzte Transparenz von Spender*innen/Spenden

Im Gegensatz zu den sich wandelnden Prüfungsverfahren ist ein durchgehender Aspekt der Politik der Stiftung in Bezug auf die Annahme von Spenden die erklärte Verpflichtung, »in allen ihren Angelegenheiten die höchstmöglichen Standards der Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht aufrechtzuerhalten«. Dieses Governance-Modell wird durch den ausdrücklichen Verweis auf FENSA legitimiert und reproduziert den Diskurs über die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren auf der Grundlage von Transparenz, Offenheit und Rechenschaftspflicht. Zu diesem Zweck erklärt die Stiftung, dass sie »in Übereinstimmung mit ihren internen Stewardship-Richtlinien Beiträge und Gegenparteien öffentlich bekannt gibt, es sei denn, die Stiftungs-Leitung hat Anonymität beantragt und genehmigt«. Darüber hinaus heißt es im Unterabschnitt »Transparenz« der Richtlinien für die Annahme von Spenden: »In Ausnahmefällen kann ein Spender oder eine Gegenpartei darum bitten, anonym zu bleiben.«

Trotz dieser erklärten Verpflichtung zur Transparenz scheinen die Offenlegungspraktiken häufig die Anonymität der Spender*innen zu bevorzugen. Entgegen der Behauptung auf der Transparenzseite ihrer Website, dass »regelmäßig« Informationen über die Spender*innen sowie den Wert und den Zweck der Beiträge veröffentlicht würden, hat die Stiftung diese Informationen nur langsam der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zwei Jahre gebraucht, um Daten über die Beiträge der Spender*innen zu veröffentlichen. Die Daten, die schließlich für den Zeitraum Mai 2020 bis Juni 2022 veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Stiftung über 62 Millionen US-Dollar an Spenden erhalten hat, von denen 23,9 Millionen US-Dollar (38,2 %) anonym waren, einschließlich 20 Millionen US-Dollar anonymer Spenden (über 100.000 US-Dollar) für »operative Unterstützung«. Auch hier zeigt sich eine Diskrepanz zwischen Modell und Praxis, denn der Umfang der anonymen Spenden steht in krassem Gegensatz zu der Behauptung, dass den Spendern nur in Ausnahmefällen Anonymität gewährt wird.

Dieser Transparenzansatz unterscheidet sich deutlich von der Praxis innerhalb der WHO, die detaillierte Informationen über die Finanzierung ihres Allgemeinen Arbeitsprogramms durch interaktive Dashboards und Datenvisualisierungen zur Verfügung stellt. Das Programmbudget-Portal der WHO bietet detaillierte Informationen über die Finanzierung der Organisation über eine interaktive Schnittstelle, die es den Nutzer*innen ermöglicht, die Finanzierung von Mitgliedstaaten, zwischenstaatlichen Organisationen, UN-Organisationen und nichtstaatlichen Akteuren für bestimmte Programme und Arbeitsbereiche zu verfolgen. Der Dashboard-Ansatz des Portals erleichtert den Vergleich der Finanzierung durch bestimmte nichtstaatliche Akteure (zum Beispiel die Bill & Melinda Gates Foundation) und die Zuweisung von Mitteln für einzelne Programme in bestimmten Regionen und Ländern.

Im Vergleich dazu wurde innerhalb der WHO-Stiftung ein eher informeller Ansatz verfolgt, bei dem die Identität der Geber und die Zuweisung der Mittel relativ undurchsichtig blieben. Dieses Problem der begrenzten Transparenz hat zwei Dimensionen. Zum einen ist unklar, welchen Akteuren Anonymität gewährt wird und wie hoch ihr finanzieller Beitrag ist. Während die Stiftung in ihren Veröffentlichungen die Beträge von namentlich genannten Organisationen und Wirtschaftsakteuren angibt (zum Beispiel eine Spende der Bill and Melinda Gates Foundation in Höhe von 1 Million Dollar für »operative Unterstützung«), wurden anonyme Spenden bisher zusammengefasst. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Stiftung mindestens einem petrochemischen Unternehmen, INEOS, Anonymität gewährt hat, das im Jahresbericht 2021 der WHO-Stiftung als Unternehmenspartner aufgeführt ist, aber nicht in den Angaben zu finanziellen Beiträgen erscheint. Darüber hinaus wurde Unternehmen, die finanzielle Beiträge zum COVID-19-Solidaritätsfonds leisteten, der später auf die Stiftung übertragen wurde, möglicherweise nachträglich Anonymität gewährt. Beispielsweise bezeichnete BP eine Spende in Höhe von 2 Millionen US-Dollar, die über seine Stiftung geleistet wurde, als »Beitrag an die Weltgesundheitsorganisation«, obwohl dies aus den Angaben der WHO-Stiftung zu den vom Solidaritätsfonds überwiesenen Mitteln nicht hervorgeht. Dies deutet darauf hin, dass anderen Sektoren, die von der Stiftung als »orange« eingestuft wurden, Anonymität gewährt wurde.

Zweitens: Während die Richtlinien für die Annahme von Spenden besagen, dass die Stiftung regelmäßig über den Wert und den Zweck der Spenden informiert, bleiben sie oft vage, wenn es darum geht, wo und wie die Mittel verteilt werden. Im Gegensatz zu den spezifischen Transparenzdaten der WHO hat die Stiftung anonyme Spenden in Höhe von 20 Millionen Dollar als »operationelle Unterstützung« ausgewiesen, und es gibt nur wenige Informationen darüber, für welche Aspekte des Arbeitsprogramms der WHO diese Mittel bestimmt sind. Diese Unklarheit über den Zweck der Spenden wird durch die offensichtliche Bereitschaft der Stiftung, eine Zweckbindung der Mittel zuzulassen, noch komplizierter. Obwohl der Solidaritätsfonds die Möglichkeit von zweckgebundenen Beiträgen mit der Begründung abgelehnt hat, dass dies nichtstaatlichen Akteuren die Möglichkeit geben könnte, unverhältnismäßig großen politischen Einfluss auszuüben, scheint eine Musterbeitragsvereinbarung im Transparenzbereich der Website der Stiftung von zweckgebundenen Mitteln auszugehen:

IN DER ERWÄGUNG, dass die Spende für das [PROJEKTNAME] einen Beitrag zur Arbeit der Weltgesundheitsorganisation [BESCHREIBUNG DES PROJEKTES] leisten wird.«

Dieser offensichtliche Schwerpunkt auf der Maximierung der Finanzierung durch die Schaffung von Spielraum für zweckgebundene Spenden spiegelt sich im Jahresbericht 2021 der Stiftung wider, in dem 50,4 % der Spenden zweckgebunden waren. Die Anonymität der Spender*innen in Verbindung mit der Höhe der zweckgebundenen Mittel ist für ein Governance-Modell, das auf Transparenz und öffentlicher Rechenschaftspflicht bei der Finanzierung beruht, äußerst problematisch und unterstreicht einmal mehr die Diskrepanz zwischen Modell und Praxis.

Neuzuordnung der FENSA-Grundsätze

Abgesehen von dieser Verschiebung der Verantwortlichkeit und Transparenz ist es offensichtlich, dass die Verwendung von FENSA als Legitimationsinstrument in ein Instrument umgewandelt wurde, das die Stiftung vor unangemessener Einflussnahme und Reputationsrisiken schützen soll, im Gegensatz zur WHO. Diese Umdeutung zeigt sich in den scheinbar subtilen Überarbeitungen der vierten Version der Richtlinien für die Annahme von Geschenken, die die FENSA-Prinzipien auf die Interaktionen zwischen der Stiftung und den Spender*innen und nicht auf die Beziehung zur WHO beziehen. Tabelle 2 veranschaulicht diese Neuzuordnung der FENSA-Grundsätze und zeigt, wie sie so umgestaltet wurden, dass der Schutz der WHO vor Risiken in den Hintergrund trat und der Schwerpunkt auf dem eigenen Ansehen und der Unabhängigkeit der Stiftung lag. Unter der Überschrift »Normative Arbeitsgrundsätze der WHO« wird in der dritten Fassung der Richtlinien für die Annahme von Zuwendungen beispielsweise die Umsetzung der FENSA-Prinzipien als Mechanismus zum Schutz der WHO vor unzulässiger Einflussnahme und zur wirksamen Bewältigung oder Vermeidung von Interessenkonflikten, die die Legitimität der WHO gefährden, dargestellt. In der endgültigen Fassung der Richtlinien für die Annahme von Geschenken wird dieses Verhältnis umgekehrt, indem FENSA als Mittel zum Schutz der Unabhängigkeit und des Ansehens der Stiftung eingesetzt wird und alle Verweise auf die WHO gestrichen werden.

Umgestaltung der FENSA-Grundsätze in der Politik der WHO-Stiftung zur Annahme von Geschenken

Mai 2021

Schutz der WHO vor unzulässiger Einflussnahme, insbesondere auf die Prozesse zur Festlegung und Anwendung von Politiken, Normen und Standards

Dezember 2021

Die WHO-Stiftung vor unzulässiger Einflussnahme zu schützen

Die Integrität, Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit und den Ruf der WHO nicht gefährden

Die Integrität, Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit und den Ruf der WHO-Stiftung nicht zu gefährden

Wirksam gehandhabt werden, unter anderem indem Interessenkonflikte und andere Formen von Risiken für die WHO nach Möglichkeit vermieden werden

Wirksames Management, insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung von Interessenkonflikten und anderen Risiken für die WHO-Stiftung

Durch die Übertragung von FENSA auf ihre eigenen internen Entscheidungsprozesse haben sich die Praktiken innerhalb der Stiftung von einem Governance-Modell entfernt, das als Mechanismus zur Gewährleistung der Glaubwürdigkeit der WHO rationalisiert wurde. Dies deutet darauf hin, dass FENSA viel enger definiert und operationalisiert wurde, als ursprünglich behauptet, mit eingeschränkter Anwendung und einem scheinbar geringeren Fokus auf den Schutz der WHO.

All dies kann zu Spannungen zwischen dem Mandat der WHO und den Interessen der Unternehmensspender führen, zumal die meisten der bisher veröffentlichten Spenden an die Stiftung zweckgebunden waren.

Dies führt die Autor*innen zu den diskursiven Aspekten der institutionellen Entpolitisierung und der Frage, wie das Governance-Modell der Stiftungen als eine Übung im »Management fiktionaler Erwartungen« betrachtet werden kann. Dabei stützen sie sich auf die Erkenntnisse des Wirtschaftssoziologen Jens Beckert (2013), der argumentiert, dass »fiktionale Erwartungen« die Form von Narrativen und Diskursen annehmen, die von Akteur*innen als »Vorstellungen über zukünftige Situationen, die Orientierung bei der Entscheidungsfindung bieten«, genutzt werden. Beckert charakterisiert »Fiktionen« als Vorstellungen, die »nicht wahr, aber überzeugend sein müssen«, solange sie »scheinbar gute Gründe für bestimmte Entscheidungen« liefern. Obwohl sie oft notwendig sind, um mit Unsicherheiten in institutionellen Kontexten umzugehen, ist es klar, dass Akteur*innen fiktive Erwartungen oft strategischer einsetzen können, um andere von der Zweckmäßigkeit einer bevorzugten Vorgehensweise zu überzeugen.

Die Autor*innen vertreten hier die Auffassung, dass die Gründung der Stiftung als eine Übung im Umgang mit fiktiven Erwartungen betrachtet werden kann, bei der das Stiftungsmodell eine Vorstellung von einer zukünftigen Situation darstellt, in der die WHO Zugang zu Ressourcen von kommerziellen Akteur*innen hat und gleichzeitig vor Interessenkonflikten und politischer Einflussnahme geschützt ist. Entscheidend ist, dass solche Behauptungen lediglich plausibel erscheinen müssen, ohne dass die damit verbundenen Verpflichtungen eingegangen werden. Wie bereits erwähnt, wird behauptet, dass FENSA als normativer Rahmen dieses Modells fungiert und Erwartungen hinsichtlich der Koordination und Kohärenz mit der WHO weckt. Dies scheint dazu beigetragen zu haben, Bedenken hinsichtlich des Mandats und der Funktionen der Stiftung unter den Mitgliedstaaten und bestimmten Teilen der Zivilgesellschaft herunterzuspielen und zu zerstreuen, indem fiktive Erwartungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Transparenz geweckt wurden. Diese Erwartungen basieren auf einer imaginären Brandmauer, die eine institutionelle Distanz zwischen der WHO und den Gebern konstruiert, während gleichzeitig die Nähe zum Rahmen der Zusammenarbeit der WHO mit nichtstaatlichen Akteuren dargestellt wird. Die Daten deuten darauf hin, dass dieses Governance-Modell nicht ohne weiteres in die Praxis umgesetzt wurde, da die Stiftung ihre Einhaltung der FENSA-Prinzipien abgeschwächt hat, um die Zusammenarbeit mit den Gebern, einschließlich der gesundheitsschädlichen Industrie, zu maximieren.