Demonstrant*innen mit Plakaten zu Klimaschutzforderungen.

Diese Übersichtsarbeit soll die Wissenslücken darüber schließen, wie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf kommerzielle Praktiken abzielen, indem sie erstens bekannte Strategien von NGOs identifiziert, die auf kommerzielle Determinanten von Gesundheit abzielen, und zweitens untersucht, wie die Wirkung von NGOs in dieser Literatur konzeptualisiert wird.

Autor*innen: Belinda Townsend (E-Mail: ), Timothy D. Johnson, Rob Ralston, Katherine Cullerton, Jane Martin, Jeff Collin, Fran Baum, Liz Arnanz, Rodney Holmes & Sharon Friel

Zitierung: Townsend, B., Johnson, T.D., Ralston, R. et al. A framework of NGO inside and outside strategies in the commercial determinants of health: findings from a narrative review. Global Health 19, 74 (2023). https://doi.org/10.1186/s12992-023-00978-x

Quelle: Globalization and Health

Datum der Veröffentlichung: 10. Oktober 2023

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Ein Rahmen für NGO-Strategien innerhalb und außerhalb kommerzieller Gesundheitsfaktoren: Ergebnisse eines narrativen Reviews

Abstrakt

Hintergrund

Die Public-Health-Forschung hat ein breites Spektrum von Strategien aufgedeckt, mit denen die Industrie ihre Produkte fördert und die staatliche Regulierung beeinflusst. Weniger bekannt sind die Strategien, mit denen Nichtregierungsorganisationen versuchen, Einfluss auf die Geschäftspraktiken zu nehmen.

In diesem narrativen Überblick wird eine politikwissenschaftliche Typologie verwendet, um eine Reihe von »internen« und »externen« Strategien zu identifizieren, mit denen Nichtregierungsorganisationen versuchen, die kommerziellen Determinanten von Gesundheit zu beeinflussen.

Methodik

Die Forscher*innen führten eine systematische Suche in Web of Science, ProQuest und Scopus durch. Artikel kamen für die Aufnahme in Frage, wenn sie eine empirische Studie enthielten, sich explizit mit »NGOs« befassten, in englischer Sprache verfasst waren und mindestens eine NGO-Strategie aufwiesen, die auf kommerzielle und/oder staatliche Politik und Praxis abzielte.

Ergebnisse

144

Studien zu NGO-Strategien im Kampf gegen gesundheits­schädliche Industrien

144 Studien erfüllten die Einschlusskriterien.

Es wurden acht Industriezweige ermittelt:

  1. Bergbau,
  2. Tabakindustrie,
  3. Lebensmittel,
  4. Alkohol,
  5. Arzneimittel,
  6. Waffen,
  7. Textilien und Asbest, sowie
  8. eine kleine Anzahl von allgemeinen Studien.

Die Forscher*innen identifizierten 18 Arten von NGO-Strategien, die nach dem Ziel (das heißt kommerzieller oder staatlicher Akteur) und der Art der Interaktion mit dem Ziel (das heißt intern oder extern) kategorisiert wurden.

Davon richteten sich fünf interne NGO-Strategien direkt an kommerzielle Akteur*innen:

  1. Beteiligung an Partnerschaften und Initiativen mit mehreren Beteiligten;
  2. private Treffen und runde Tische;
  3. Einbindung in die Hauptversammlungen der Unternehmen und der Aktionär*innen;
  4. andere Kooperationen als Partnerschaften; und
  5. Rechtsstreitigkeiten.

Zu den vier internen NGO-Strategien, die sich direkt an staatliche Akteur*innen richten, gehören:

  1. Lobbyarbeit;
  2. Ausarbeitung von Gesetzen, Politiken und Normen;
  3. Bereitstellung von technischer Unterstützung und Schulungen sowie
  4. Rechtsstreitigkeiten.

Zu den externen Strategien, die durch Mobilisierung der öffentlichen Meinung auf kommerzielle Akteur*innen abzielen, gehören:

  1. Beobachtung und Berichterstattung;
  2. Proteste an den Standorten der Industrie;
  3. Boykotte;
  4. direkte Einbindung der Öffentlichkeit; und
  5. kreative Nutzung alternativer Räume.

Zu den externen NGO-Strategien, die auf die Regierung abzielen, gehören:

  1. Proteste und öffentliche Kampagnen;
  2. Beobachtung und Berichterstattung;
  3. Verlagerung des Forums; und
  4. das Vorschlagen und Initiieren alternativer Lösungen.

Die Forscher*innen identifizierten drei Arten der Wirkung von NGOs: inhaltliche, prozedurale und normative.

Schlussfolgerung

Die Analyse präsentiert eine Matrix von NGO-Strategien, die verwendet werden, um kommerzielle und staatliche Akteur*innen in einer Reihe von Industriesektoren anzusprechen. Anhand dieses Rahmens kann untersucht werden, welche NGO-Strategien effektiv und angemessen sind und welche Bedingungen den Einfluss von NGOs ermöglichen.

Hintergrund und Kontext

Die Public-Health-Forschung, die sich mit den kommerziellen Determinanten von Gesundheit befasst, hat ein breites Spektrum von Strategien aufgedeckt, die von kommerziellen Akteur*innen eingesetzt werden, um den Absatz ihrer Produkte zu fördern und die staatliche Regulierung zu beeinflussen.

Zu den dokumentierten Strategien gehören Lobbyarbeit und politische Spenden, Partnerschaften mit Regierungen, die Beteiligung an Multi-Stakeholder-Plattformen, die Finanzierung von Forschung, die zugunsten der Industrie verzerrt ist, die Einflussnahme auf Angehörige der Gesundheitsberufe und politische Entscheidungsträger*innen, um die Ziele der Industrie zu fördern, die Einschüchterung von Kritiker*innen, die Untergrabung legitimer wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Neuausrichtung der Debatte sowie die Förderung von Initiativen zur sozialen Verantwortung von Unternehmen.

In der kürzlich erschienenen Lancet-Serie über die kommerziellen Determinanten von Gesundheit (CDoH) werden kommerzielle Determinanten definiert als »die Systeme, Praktiken und Wege, durch die kommerzielle Akteure Gesundheit und Gerechtigkeit beeinflussen«.

Konzeptualisierung kommerzieller Einheiten im Bereich der öffentlichen Gesundheit: jenseits ungesunder Waren und transnationaler Konzerne

Chemiewerk, Mähdrescher, Tante-Emma-Laden und Supermarkt stehen für unterschiedliche Wirtschaftssubjekte

Die meisten Forschungsarbeiten im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens zu den kommerziellen Determinanten der Gesundheit (CDOH) haben sich bisher auf ein enges Segment von kommerziellen Akteuren konzentriert. Bei diesen Akteuren handelt es sich in der Regel um transnationale Konzerne, die so genannte ungesunde Waren wie Tabak, Alkohol und extrem verarbeitete Lebensmittel herstellen. Darüber hinaus verwenden wir als Forscher*innen im Bereich der öffentlichen Gesundheit bei der Erörterung der CDOH häufig pauschale Begriffe wie Privatsektor, Industrie oder Unternehmen, die verschiedene Einheiten in einen Topf werfen, deren einziges gemeinsames Merkmal ihr Engagement im Handel ist. Das Fehlen eines klaren Rahmens für die Unterscheidung zwischen kommerziellen Unternehmen und für das Verständnis, wie sie die Gesundheit fördern oder schädigen können, behindert die Steuerung kommerzieller Interessen in der öffentlichen Gesundheit.

Die Forderung nach einem »Drehbuch für die öffentliche Gesundheit« weist auf die Notwendigkeit hin, dass die Akteur*innen der öffentlichen Gesundheit eine Reihe von Strategien entwickeln, um der Macht und dem Einfluss der Industrie zu begegnen. Zu diesen Akteur*innen gehören Expert*innen, Think Tanks und Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die eine wichtige Rolle im politischen Prozess spielen können.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind eine besonders wichtige, aber wenig untersuchte Gruppe von Akteur*innen, die einen großen Teil der Zivilgesellschaft ausmachen und eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, Regierung und Industrie zur Rechenschaft zu ziehen. In der CDoH-Literatur heben drei neuere Studien die Rolle von NGOs beim Agenda-Setting und als »Wachhunde« hervor, die staatliche und kommerzielle Praktiken beobachten und darüber berichten.

Andere Studien haben die Rolle der NGOs bei der Lobbyarbeit gegenüber staatlichen und zwischenstaatlichen Akteur*innen hervorgehoben.

Das Spektrum der von NGOs angewandten Strategien ist jedoch nicht gut dokumentiert, insbesondere jene, die direkt auf kommerzielle Praktiken abzielen.

Die Taktiken der NGOs werden in der Regel in Fallstudien oder Themenbereichen (zum Beispiel Tabak) und nicht bereichsübergreifend dargestellt. Aus den Strategien der NGOs in allen Bereichen der CDoH kann viel gelernt werden.

Wichtigste Ergebnisse und Erkenntnisse in Bezug auf Alkohol

Von den 144 untersuchten Studien befassten sich weniger als zehn mit Alkohol. Studien auf Alkoholebene konzentrierten sich auf Australien (n = 1), Litauen (n = 1) und Schweden (n = 1). In Litauen beispielsweise haben NGOs eine Website eingerichtet, die sich an Abgeordnete richtet, die für die Aufhebung eines vorgeschlagenen Alkoholwerbeverbots gestimmt haben.

Ein weiteres Beispiel ist die schwedische Studie, in der der Erfolg von internen und externen Strategien von NGOs, die auf einen kommerziellen Akteur abzielen, bewertet und verglichen wird. In diesem Fall ging es um Lebensmittelhändler*innen in Schweden, die den Verkauf von Alkohol an Minderjährige einschränken sollten. Die Studie ergab, dass die externe Taktik – die öffentliche Anprangerung des Lebensmittelhändlers – viermal wirksamer bei der Reduzierung des Alkoholverkaufs an Minderjährige war als die interne Taktik des Dialogs.

Im Rahmen dieser Studie war es nicht möglich, die Wirkung bestimmter Strategien von NGOs zu evaluieren, da die meisten Literaturquellen dazu keine Angaben machen.

Die Forscher*innen stellten jedoch fest, dass in der Literatur (in 43 der Studien, das heißt in 30 % der Studien) die Auswirkungen der NGOs auf dreierlei Weise untersucht wurden:

  1. Substanzielle Auswirkungen
    • wie zum Beipiel ein signifikanter Einfluss auf Geschäftspraktiken oder Politik und Regulierung durch Regierung/zwischenstaatliche Stellen,
    • oder partielle Auswirkungen, wie zum Beispiel ein vorübergehender Einfluss von NGOs auf die Politik, zum Beispiel die Aussetzung von Bergbaulizenzen, oder die Reaktion der Industrie durch freiwillige Maßnahmen,
  2. Verfahrensbezogene Auswirkungen
    • wie die Beeinflussung von Prozessen und Verfahren, zum Beispiel die Sicherung der Vertretung in Ausschüssen, die Erhöhung der Transparenz oder die Verhinderung der Vertretung der Industrie, und
  3. Normative Auswirkungen
    • zum Beispiel in Fällen, in denen festgestellt wurde, dass NGOs ihr spezifisches Framing erfolgreich in der Politik, den Medien oder im Unternehmensdiskurs verbreitet haben.
Substanzielle Wirkung
Verfahrensbezogene Wirkung
Normative Wirkung
Die Zusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen mit Regierungsvertreter*innen auf subnationaler Ebene in Indien war ausschlaggebend dafür, dass mehrere indische Bundesstaaten die Umsetzung von Artikel 5.3 des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) gemeldet haben.
Im Libanon haben NGOs das FCTC erfolgreich genutzt, um zu erreichen, dass Akteur*innen aus der Industrie nicht mehr in die formellen Beratungen der Parlamentsausschüsse einbezogen werden.
In einer anderen Studie wurde festgestellt, dass transnationale NGO-Netzwerke zwar nicht in der Lage sind, Bergbauprojekte zu stoppen, dass sie aber die Menschenrechte und die Rechte indigener Völker im Zusammenhang mit den Praktiken der Bergbauindustrie auf globaler Ebene stärker in den Vordergrund rücken.
NGOs haben erfolgreich Druck auf ein Zeitungsunternehmen in den USA ausgeübt, Anzeigen für bestimmte Waffen zu verbieten, und auf Banken, keine neuen Projekte der Rohstoffindustrie in Australien zu finanzieren.
In Kerala, Indien, schlossen die lokalen Behörden eine Abfüllanlage für Coca-Cola, nachdem eine Nichtregierungsorganisation darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Anlage das lokale Wasser verunreinigte.
Eine Studie über NGO-Kampagnen zum Thema Steuergerechtigkeit in Australien ergab, dass die NGO-Kampagne die öffentliche Meinung erfolgreich beeinflusst hat, indem sie die Steuervermeidung von Unternehmen als »Einnahmenproblem« darstellte, was von der Regierung und den Medien aufgegriffen wurde.
NGO hat Gesetzesänderungen im Parlament durchgesetzt, die Entschädigungen für vom Bergbau betroffene Gemeinden vorsehen.
 
 

Überlegungen zu den eingesetzten Strategien

Die Forscher*innen identifizierten 18 Arten von NGO-Strategien, die nach dem Ziel (das heißt kommerzieller oder staatlicher Akteur) und der Art der Interaktion mit dem Ziel (das heißt intern oder extern) kategorisiert wurden.

Diese internen Strategien schienen sich auf einem Spektrum von Kooperation bis Konflikt zu bewegen, wobei ein gemeinsames Thema die direkte Konfrontation mit dem kommerziellen Akteur war, um eine Änderung der Praktiken zu erreichen.

Unter den internen Strategien der NGOs, die sich an die Regierung richten, war die Lobbyarbeit am weitesten verbreitet, gefolgt von der Entwicklung von Gesetzen, Politiken und Standards, der Bereitstellung von technischer Unterstützung und Schulungen sowie Rechtsstreitigkeiten.

Von besonderem Interesse für regierungsorientierte externe NGO-Strategien war der Einsatz von Forum-Shifting, bei dem NGOs die Debatte strategisch von einem politischen Forum auf ein anderes verlagern, um so einen günstigen Einfluss zu erlangen. Die meisten Studien untersuchten die Verlagerung von NGO-Foren in vertikaler Richtung – von der nationalen auf die regionale und globale Ebene. Dies unterstützt den »Bumerang-Effekt«, der beschreibt, wie NGOs, die mit staatlichen Blockaden konfrontiert sind, auf globale Foren ausweichen können, um auf alternativen Wegen Druck auf Staaten auszuüben.

Quelle: MOVENDI International

Übersetzt mit www.DeepL.com