Blick in den Nationalratssaal im Berner Bundeshaus. Darüber gelegt der Text: Das Parlament schützt die Tabakindustrie statt die Jugend. Hashtag Tobacco Exposed.

Anlässlich des Weltnichtrauchertags am 31. Mai zeigt Sucht Schweiz auf, dass das Thema des Welttags gerade in der Schweiz hochaktuell ist. Als eines der letzten Länder der Welt hat die Schweiz die WHO-Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle noch nicht ratifiziert, die eine deutlich stärkere Einschränkung der Tabakwerbung vorsieht. Dies ist auf die starke Stellung der großen Tabakkonzerne und das für Lobbying extrem durchlässige politische System zurückzuführen.

Gemäß dem globalen Tabakindustrie-Lobbyindex (Global Tobacco Industry Lobby Index) mischt sich die Tabakindustrie weltweit nur in einem Land stärker in die Tabakpolitik ein als in der Schweiz. So erstaunt es nicht, dass die Schweiz in der aktuellen Rangliste der europäischen Länder bezüglich Tabakpolitik auf dem vorletzten und beim Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Tabakmarketing sogar auf dem letzten Platz liegt. Und nun widersetzt sich das nationale Parlament sogar der Umsetzung der Initiative »Kinder ohne Tabak«, also dem Volkswillen und der Verfassung. Sucht Schweiz fordert, diese Einmischung zu beenden und die Kinder endlich zu schützen.

Der große Einfluss der Tabakindustrie

Drei der weltweit größten Tabakkonzerne haben wichtige oder sogar ihre Hauptsitze in der Schweiz und setzen beträchtliche Ressourcen für das Lobbying im Parlament und in der Verwaltung ein. Rund 30 Mitglieder des nationalen Parlaments haben mehrheitlich indirekte, einige auch direkte Verbindungen zur Tabakindustrie. Das Lobbying läuft heute zu einem großen Teil über Verbände (zum Beispiel Gewerbeverband) oder über Economiesuisse, wo die Tabakindustrie eine starke Stellung hat und Netzwerke unterhält. Zudem werden Parteien mit großzügigen Spenden bedacht, so erhielten FDP und SVP für den Wahlkampf 2023 je 35.000 Franken. Solche Spenden schaffen (moralische) Abhängigkeit.

Tabakindustrie stoppen und Kinder endlich schützen!

Die Tabakindustrie hat nur ihre eigene Gewinnmaximierung im Sinn und wehrt sich gegen Einschränkungen bei der Rekrutierung von Jugendlichen. Denn nach dem 21. Lebensjahr fängt kaum noch jemand mit dem Nikotinkonsum an. Solche Partikularinteressen haben aber keine Legitimation im Gesetzgebungsprozess, wenn sie auf Kosten der öffentlichen Gesundheit gehen und dem Willen der Bevölkerung widersprechen. Tania Severin, Geschäftsführerin der Stiftung Sucht Schweiz, fordert: »Der Einfluss der Tabakindustrie auf die Gesundheitspolitik muss zurückgedrängt werden, indem sie von Konsultationen ausgeschlossen wird, wie dies in den meisten Ländern längst der Fall ist.« Auch Treffen von Behördenmitgliedern mit der Industrie sind zu verbieten oder zumindest für die Öffentlichkeit zu protokollieren. Spenden an Parteien und Politiker*innen sind nicht mehr tolerierbar, ebenso wenig die Zusammenarbeit von Universitäten mit der Tabakindustrie.

Der Einfluss der Tabakindustrie auf die Gesundheitspolitik muss zurückgedrängt werden, indem sie von Konsultationen ausgeschlossen wird, wie dies in den meisten Ländern längst der Fall ist.«
Tania Severin, Sucht Schweiz

Gleichzeitig muss die Initiative »Kinder ohne Tabak« nun unverzüglich und vollständig umgesetzt werden. Der angenommene Verfassungstext hält klar fest, dass »alle Formen der Werbung«, die sich an Kinder und Jugendliche richten, verboten sind. Das Parlament hat keine Legitimation, Ausnahmen zu machen oder gar vom Souverän Kompromisse zu verlangen.

Trügerische Positionierung als Wissenschafts- und Gesundheitsakteur

Der Tabakkonzern Philip Morris (PMI) versucht sich in den letzten Jahren als Gesundheitsakteur zu positionieren und findet dabei sogar offene Türen vor. Am Kongress »Future Health Basel« war »PMI Science« als Hauptsponsor eingeladen. Die Tabakindustrie ist aber kein Gesundheitsakteur, sondern nach wie vor Teil des Problems. Heute gibt sie vor, an einer rauchfreien Zukunft interessiert zu sein, aber gleichzeitig

  • will sie die Nichtraucher*innen in der Schweiz mit neuen Produkten süchtig machen; ein internes Dokument zeigt zum Beispiel, dass es PMI nicht darum geht, das Rauchen aufzugeben, sondern den Nikotinkonsum zu renormalisieren,
  • kämpft die Tabakindustrie weltweit gegen jeden Fortschritt in der Tabakpolitik; so gibt zum Beispiel PMI vor, den Verkauf von Zigaretten einstellen zu wollen, treibt aber in vielen anderen Ländern die Vermarktung von Zigaretten aggressiv voran.

Parlament versucht sich am Volkswillen vorbeizumogeln

Text 'Initiative Kinder ohne Tabak richtig umsetzen!' in weiß und rot auf schwarzem Hintergrund.

Auf den Tag genau vor zwei Jahren haben Volk und Kantone die Initiative »Kinder ohne Tabak« an der Urne angenommen. Doch nun droht die verfassungskonforme Umsetzung am neu gewählten Parlament zu scheitern. Insbesondere bei Promotion und Sponsoring will die Gesundheitskommission des Nationalrats Ausnahmen machen, die laut Rechtsexpert*innen klar verfassungswidrig sind.

Das Parlament hält mit dem Volkswillen nicht Schritt

Vier Exemplare des Schweizer Suchtpanoramas 2023 gefächert aufgestapelt vor hellblauem Hintergrund.

Mit dem deutlichen Ja zur Initiative »Kinder ohne Tabak« hat die Schweizer Bevölkerung gezeigt, dass sie genug hat von der Tabakwerbung, die Jugendliche in die Sucht treibt. Ebenso deutlich war das Nein der Genossenschafter*innen zum Alkoholverkauf in der Migros.

Quelle: Medienmitteilung von Sucht Schweiz