KI-generiertes Bild einer Weinflasche, aus der Rotwein auf eine Europakarte gegossen wird, wodurch die Karte teilweise rot gefärbt wird.
Foto KI-generiert

Trotz jahrzehntelanger Forschung ist die Wahrheit erschreckend: Die Gesundheitsrisiken von Alkohol werden sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit weitgehend missverstanden oder heruntergespielt. Alkohol ist eine der führenden Ursachen für vermeidbare Todesfälle in der Europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und fordert jährlich fast 800.000 Menschenleben.

Die Folgen gehen weit über die einzelnen Konsument*innen hinaus und verursachen enorme gesellschaftliche Kosten: In Ländern mit hohem Einkommen werden jährlich bis zu 2,6 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Gesundheitskosten, Produktivitätsverluste und Justizaufwendungen aufgrund von Alkoholkonsum aufgewendet. Damit ist Alkohol nicht nur ein öffentliches Gesundheitsproblem, sondern auch ein wirtschaftliches Problem und eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, schreiben Hans P. Kluge, Gauden Galea, Carina Ferreira-Borges und Catherine Paradis vom WHO-Regionalbüro Europa in ihrem Kommentar zum Lancet-Artikel »Warum ist Alkohol in Europa so normalisiert?«

Das Problem: Mangelnde Aufklärung und Industrie-Einfluss

Das Hauptproblem liegt darin, dass die Öffentlichkeit die Risiken von Alkohol nicht ausreichend versteht. In der Europäischen Union weiß beispielsweise weniger als die Hälfte der Bevölkerung, dass Alkoholkonsum das Krebsrisiko erhöht – obwohl dies durch jahrzehntelange Forschung zweifelsfrei belegt ist. Schon zwei alkoholische Getränke pro Tag erhöhen das Brustkrebsrisiko bei Frauen, und es gibt kein als sicher geltendes Maß an Alkoholkonsum im Hinblick auf das Krebsrisiko.

Diese Unwissenheit wird durch Narrative der Alkoholindustrie verschlimmert, die Alkohol als harmlos in Maßen oder sogar als gesundheitsfördernd darstellt. Solche – aus Profitgründen lancierten – Botschaften haben die öffentlichen Gesundheitsbemühungen erfolgreich behindert und die Menschen über die tatsächlichen Risiken im Unklaren gelassen.

Die Alkoholindustrie hat sich als vertrauenswürdige Autorität in Sachen Alkohol positioniert und beeinflusst sowohl die öffentliche Meinung als auch politische Entscheidungen. Mit massiven Lobby-Strategien hat sie wirksame Alkohol-Politiken blockiert, abgeschwächt oder verzögert – ähnlich wie einst die Tabakindustrie im 20. Jahrhundert: Sie stellt die Fakten in Frage, kompliziert die Risiken und sät gezielt Zweifel.

Im Gegensatz dazu verfügt der öffentliche Gesundheitssektor nur über einen Bruchteil der Mittel und des Einflusses, um industriefreundliche Fehlinformationen zu korrigieren.

Lösung: Evidenzbasierte Politik mit dem »Alcohol Policy Playbook«

Titelseite 'Alcohol Policy Playbook'.

Um dieses Ungleichgewicht zu korrigieren, wurde kürzlich das »Alcohol Policy Playbook« veröffentlicht. Es stattet Politiker*innen und Gesundheitsaktivist*innen mit faktenbasierten, allgemeinverständlichen Informationen aus und stellt industriefreundlichen Darstellungen die wissenschaftliche Evidenz entgegen. Das Handbuch ist kein ideologisches Manifest, sondern füllt eine wichtige Lücke: Es ist ein Aufruf zum Handeln und mahnt Politiker*innen, industriebesteuerte Darstellungen zu erkennen und stattdessen evidenzbasierte Gesundheitspolitik zu betreiben.

Die Wirksamkeit bestimmter Alkoholpolitiken ist wissenschaftlich erwiesen:

  1. Preispolitiken (Alkoholsteuern, Mindestpreise) reduzieren den Konsum und die daraus folgenden Schäden. Beispiel Schottland: Nach Einführung von Mindestpreisen sanken die alkoholbedingten Todesfälle innerhalb von 32 Monaten um 13 %.
  2. Begrenzung der Alkoholverkaufsstellen reduziert Gewalt, Notfallaufnahmen und andere alkoholassoziierte Schäden.
  3. Warnhinweise auf Alkoholverpackungen (ähnlich wie bei Tabak) erhöhen das Problembewusstsein und senken den Konsum – während freiwillige Industrie-Lösungen (zum Beispiel QR-Codes) unzureichend sind und die Verbraucher*innen im Unklaren lassen.

Forderung: Evidenz statt Profit – Vorbild Tabakkontrolle

Um die Alkoholkrise in der Europäischen Region zu bewältigen, braucht es eine koordinierte Gesundheitspolitik, die Evidenz über Profit stellt. Man muss anerkennen, dass die Interessen der Alkoholindustrie nicht mit denen der öffentlichen Gesundheit übereinstimmen – und ihrem Einfluss widerstehen. Vorbild kann die Tabakkontrolle sein: Dort führte klare Evidenz zu lebensrettenden Maßnahmen und einem globalen Rahmenübereinkommen (FCTC). Das »Alcohol Policy Playbook« ruft Politiker*innen auf, ähnlich entschlossen gegen den Alkohol vorzugehen – mit bevölkerungsweiten Maßnahmen, die nachweislich Schaden reduzieren.

Fazit: Informierte Entscheidungen statt Industrie-Meinung

Wir müssen das Recht der Menschen auf informierte Gesundheitsentscheidungen betonen. Dazu gehört eine transparente Darstellung der Fakten und die Weigerung, industriefreundliche Narrative zu dulden. Mit starken, evidenzbasierten Politiken können wir den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Tribut des Alkohols senken. Das »Alcohol Policy Playbook« ist kein Schlusspunkt, sondern ein unverzichtbarer Leitfaden auf dem Weg zu gesünderen, besser informierten Gesellschaften.

Titel: Confronting alcohol’s costly toll: why the European region needs clearer, evidence-based policy

Autor*innen: Hans P. Kluge, Gauden Galea, Carina Ferreira-Borges, Catherine Paradis

Zitierung: Hans P. Kluge, Gauden Galea, Carina Ferreira-Borges, Catherine Paradis, Confronting alcohol’s costly toll: why the European region needs clearer, evidence-based policy, The Lancet Regional Health – Europe, Volume 48, 2025, 101179, ISSN 2666-7762, https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2024.101179.

Quelle: The Lancet Regional Health – Europe

Datum der Veröffentlichung: 12. Dezember 2024

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Jubel oder Tränen? WHO-Handbuch verdeutlicht wahre Kosten des Alkoholkonsums für die Gesundheit

Porträt eines glücklichen bärtigen Mannes, der die Fäuste ballt. Erfolgreiche, aufgeregte Person, die fröhlich und zufrieden ist. Freistehend auf gelbem Hintergrund. Davor das Titelbild des WHO-Handbuchs Alkoholpolitik. Darunter der Text: Handbuch Alkoholpolitik. Das Handbuch der Weltgesundheitsorganisation WHO verdeutlicht die wahren gesundheitlichen Kosten des Alkoholkonsums.

Der Alkoholkonsum belastet die Volkswirtschaften in der Europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich mit Kosten in Milliardenhöhe: im Gesundheitswesen, aber auch in Form von vorzeitigen Todesfällen, Produktivitätsverlusten und sozialen Schäden. Die alkoholbedingten Schäden betreffen alle Bevölkerungsgruppen, sowohl die Alkoholkonsument*innen als auch die Nicht-Konsument*innen. Im Jahr 2019 war Alkoholkonsum für fast ein Drittel aller verletzungsbedingten Todesfälle in der Europäischen Region verantwortlich, und zwar für 42 % aller Tötungsdelikte, 37 % aller Suizide und 35 % aller Verkehrstoten.

Warnhinweise zu Alkohol wirken

Die Etiketten, wie sie den Teilnehmer*innen für die sechs Versuchsbedingungen präsentiert wurden.
Diese sechs verschiedenen Etiketten wurden getestet

Der Alkoholkonsum stellt weltweit ein erhebliches Gesundheitsproblem dar, doch viele Verbraucher*innen sind sich der damit verbundenen Risiken nicht bewusst. Gesundheitswarnungen auf Alkoholetiketten haben sich als vielversprechender Ansatz erwiesen, um das Bewusstsein für die Gefahren des Alkoholkonsums zu schärfen und möglicherweise Verhaltensänderungen zu erleichtern.

Quelle: The Lancet

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