In Deutschland wird zu viel Alkohol getrunken. Mit 10,6 Litern Reinalkohol pro Kopf liegt der Alkoholkonsum hierzulande zwei Liter über dem Durchschnitt der OECD-Länder. Das hohe Konsumniveau belastet die Gesundheit des Einzelnen und die der gesamten Bevölkerung. Mehr als 200 Krankheiten werden durch Alkoholkonsum mitverursacht, jedes Glas zu viel erhöht die Risiken. In Deutschland weisen 9 Millionen Menschen einen problematischen Konsum auf. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 62.000 Todesfälle gezählt, die ausschließlich auf Alkohol zurückzuführen waren.
Alkohol schädigt nicht nur die Menschen, die ihn trinken, sondern auch ihr soziales Umfeld und die Gesellschaft insgesamt. Betroffene finden sich in fast allen Lebensbereichen, zum Beispiel in der Familie, am Arbeitsplatz, im Straßenverkehr oder bei Freizeitaktivitäten. Die direkten und indirekten Kosten des Alkoholkonsums in Deutschland belaufen sich auf über 57 Milliarden Euro.
Alkohol ist schlecht für die Gesundheit, das Zusammenleben und die Wirtschaft
Darauf weisen die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und die DG-Sucht in einer heute veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme hin. Sie fordern eine entschlossene Politik, die nachweislich wirksame und nachhaltige Maßnahmen der Verhältnisprävention im Bereich Alkohol umsetzt.
Gesundheitspolitik und Gesundheitssystem sowie relevante gesellschaftliche Akteur*innen müssen mehr tun, um den Alkoholkonsum insgesamt und die mit ihm verbundenen Folgen für Konsumierende, das soziale Umfeld und die Gesellschaft zu verringern.«
Verhältnisprävention wirkt! Aber sie wird in Deutschland nicht ausreichend umgesetzt
Wirksame Alkoholprävention will gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden vorbeugen. Sie zielt darauf ab, den Einstieg in den Alkoholkonsum zu vermeiden oder möglichst hinauszuzögern, riskante Konsummuster frühzeitig zu erkennen und zu reduzieren sowie substanzbezogene Störungen zu verhindern oder deren Folgen zu mildern. Hierzu ist ein Zusammenspiel von verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen erforderlich: Verhaltensprävention beeinflusst das individuelle Verhalten von Menschen. Verhältnisprävention verändert die strukturellen Rahmenbedingungen, die Konsum und Konsumfolgen beeinflussen.
Im Bereich der Verhältnisprävention wird in Deutschland bislang deutlich zu wenig getan: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zählen Deutschland zu den Ländern, die dringend verhältnispräventive Maßnahmen zur Verringerung des riskanten Alkoholkonsums ausbauen sollten.
Forderung nach wirksamer Verhältnisprävention
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) und ihre Mitgliedsverbände sowie die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und die Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht) fordern eine entschlossene Politik, die nachweislich wirksame und nachhaltige Maßnahmen der Verhältnisprävention im Bereich Alkohol umsetzt.
Die unterzeichnenden Organisationen fordern politisches Handeln in drei zentralen Handlungsfeldern, um alkoholbedingte Schäden kosteneffizient zu reduzieren.
Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Verschärfung der Regelungen zu Marketing und Sponsoring für Alkohol und auch für Nikotin lässt auf sich warten.«
Politiker*innen sind verantwortlich
Die Rahmenbedingungen für den Alkoholkonsum in Deutschland sind im internationalen Vergleich extrem konsumfördernd. Die Maximierung der individuellen Konsumverantwortung ohne gesundheitspolitische Strategie kostet die Gesellschaft Gesundheit, Menschenleben und Milliarden. Im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung heißt es: »Wir messen Regelungen immer wieder an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und richten daran Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aus.« (SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP, 2021, Seite 68). Die Erkenntnisse über sinnvolle Maßnahmen in der Alkoholprävention sind nicht neu – im Gegenteil. Während in den 2000er und 2010er Jahren die Wirksamkeit von Verhaltens- und Verhältnisprävention breit diskutiert und wissenschaftlich belegt wurde, hat es die Politik konsequent versäumt, nach diesen Erkenntnissen zu handeln. DHS, BÄK, BPtK, DGPPN und DG-Sucht fordern, dies endlich nachzuholen und werden die jetzige und auch die künftige Regierung daran messen. Es gibt wirksame und kostengünstige Präventionsmaßnahmen, die Gesundheit und Leben Hunderttausender schützen und die sozialen Folgen des Alkoholkonsums reduzieren. Die drei oben beschriebenen Maßnahmen sind Teil eines wirksamen Maßnahmenkatalogs. Das Gesundheitsinteresse der Bevölkerung sollte Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Marktteilnehmer haben. Deutschland sollte aus eigenen Fehlern lernen und sich an erfolgreichen Maßnahmen anderer Länder orientieren. Die Potenziale der Verhältnisprävention müssen genutzt werden.
Neue Initiative fordert Gesetz zum Schutz von Kindern vor Alkohol- und Nikotin-Marketing
Kinder haben ein Recht auf den bestmöglichen Schutz ihrer Gesundheit. Doch die allgegenwärtige Werbung für Alkohol und Nikotin verführt sie zum Konsum dieser gesundheitsschädlichen Produkte. Werbung erhöht die Attraktivität der beworbenen Produkte und normalisiert den Umgang mit Alkohol und Nikotin in der Gesellschaft.
Der Koalitionsvertrag 2021 – 2025 sieht vor, die »Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis« zu verschärfen.
Neue Bundesregierung plant Verbesserung von Vorschriften für Alkoholwerbung
Sozialdemokrat:innen (SPD), die Grünen und die Freien Demokrat:innen (FDP) haben ihre Koalitionsgespräche abgeschlossen, wie die Parteispitzen mitteilten.
Mit dieser Ankündigung wurde auch der neue Koalitionsvertrag veröffentlicht. Darin verpflichtet sich die neue Regierung in mehreren Punkten, die Alkoholpolitik zu verbessern, wobei die eindeutigste Verpflichtung darin besteht, die Vorschriften für Alkoholwerbung im Einklang mit den neuesten Erkenntnissen zu verschärfen.
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