Circa 2,65 Millionen Kinder wachsen in Deutschland mit suchtkranken Eltern auf. Sie sind die größte bekannte Risikogruppe für eine eigene Suchterkrankung und lebenslang hochgefährdet, psychische Krankheiten sowie soziale Störungen zu entwickeln. Kinder aus Suchtfamilien sind noch immer vergessene Kinder, die durch die Maschen der bestehenden Hilfesysteme allzu oft hindurchrutschen.
Keine angemessene flächendeckende Versorgung für Kinder aus Suchtfamilien
Der aktuelle Bundes-Drogenbericht bilanziert nüchtern, dass diese Kinder und ihre Familien »… derzeit nicht flächendeckend angemessen versorgt bzw. unterstützt werden.« Mehr noch: Die wenigen passgenauen Angebote aus dem Bereich der Suchthilfe, die in Deutschland für Kinder suchtkranker Eltern existieren, sind meistens unterfinanziert, haben keine Bestandssicherheit und sind für ihre Arbeit oft auf Spenden angewiesen. In Schulen und Kindergärten, wo nahezu alle Kinder erreicht werden könnten, ist der Umgang mit Kindern suchtkranker Eltern häufig von Unsicherheit geprägt. Aus Angst, das Falsche zu tun, unterlassen die PädagogInnen oftmals das Mögliche.
Milliardenschwere Folgekosten
Nach Berechnungen der Universität Hamburg entstehen durch Alkoholkonsum jedes Jahr in Deutschland volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von mehr als 40 Milliarden Euro. Das ist mehr als das Zwölffache dessen, was der deutsche Fiskus pro Jahr an Alkoholsteuer einnimmt (3,2 Mrd. Euro). Hinter den Milliardenbeträgen verbirgt sich millionenfaches menschliches Leid: zerstörte Biografien, zerstörte Familien. Doch das Leid der durch elterliche Suchtprobleme mitbetroffenen Kinder und die Folgekosten sind in diesen Berechnungen der Uni Hamburg noch nicht einmal enthalten. Amerikanische Studien beziffern die langfristigen Folgekosten bei Kindern aus suchtbelasteten Familien in Form von Gesundheitskosten und Produktivitätsausfällen für die USA mit hohen dreistelligen Milliardenbeträgen. Das Leid der Kinder ist dasselbe, gleichgültig, in welchem Land sie leben. Auch in Deutschland schlägt sich dieses Leid in Form von sozialen Kosten nieder. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Bundesgesundheitsministerium bislang noch keinen hinreichenden Forschungsbedarf für die Ermittlung dieser Kosten sieht. Dies muss sich dringend ändern, zumal die Zahl der Alkoholkranken in Deutschland ansteigt.
Präventionsgesetz macht einen Bogen um die Alkoholproblematik
Der Alkohol ist immer noch die Volksdroge Nr. 1 in Deutschland. Vor dem Hintergrund der hohen Folgeschäden gerade auch in Bezug auf die heranwachsende Generation ist es unverständlich, dass die Reduzierung des Alkoholkonsums im Gesetzesentwurf des Bundes-Präventionsgesetzes nicht ausdrücklich in die Liste der zu erreichenden Gesundheitsziele aufgenommen wurde. Anlässlich des Beschlusses im Bundeskabinett im Dezember sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu den Zielen des Gesetzes: »Es geht darum, Krankheiten zu vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen.« Es ist hinreichend wissenschaftlich belegt, dass ca. ein Drittel der Kinder aus Suchtfamilien später selber stofflich abhängig wird und ein Drittel psychisch erkrankt. Wenn der Gesetzgeber diese absehbaren Erkrankungsrisiken für die 2,65 Millionen betroffenen Kinder vermeiden will, bevor diese tatsächlich erkranken, müssen die Zielsetzungen des geplanten Bundespräventionsgesetzes erweitert werden.
Die Initiatoren der Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien fordern deshalb:
- Unterstützungsangebote für Kinder aus Suchtfamilien müssen Teil der Regelversorgung werden. Sie sind flächendeckend auszubauen und angemessen zu finanzieren.
- Suchtprävention in Schule und Kindergarten muss flächendeckend gestärkt werden. Die MitarbeiterInnen müssen durch Aus- und Fortbildung befähigt werden, Kinder aus suchtbelasteten Familien erkennen, verstehen und unterstützen zu können.
- Die Reduzierung des Alkoholkonsums muss in die Liste der Gesundheitsziele im Bundes-Präventionsgesetz aufgenommen werden.
- Das Wissen um die Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder aus suchtbelasteten Familien muss verpflichtend Ausbildungsinhalt für die pädagogischen, medizinischen und sozialen Berufe werden.
- Die auf einer Fachtagung des Bundesgesundheitsministeriums im Jahre 2003 verabschiedeten »10 Eckpunkte zur Verbesserung der Situation von Kindern aus suchtbelasteten Familien« müssen nach über zehn Jahren Untätigkeit seitens der Politik endlich in Bund, Ländern und Gemeinden umgesetzt werden.
Um diese Forderungen zu unterstreichen, lenkt die Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien vom 8. bis 14. Februar 2015 die Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Medien auf diese Kinder. Veranstaltungen und Aktionen in ganz Deutschland sensibilisieren die Öffentlichkeit und Fachöffentlichkeit für die Problematik von Kindern aus Suchtfamilien und vermitteln Informationen. Das Programm der Aktionswoche sowie Tipps, wie jedermann und jedefrau aktiv daran teilnehmen kann, finden sich auf der Website www.coa-aktionswoche.de.
Die Aktionswoche läuft zeitgleich mit der »Children of Alcoholics Week« in den USA und in Großbritannien. Sie steht in Deutschland unter der Schirmherrschaft der Schauspielerin Katrin Sass. Die Aktionswoche wird gefördert von der BARMER GEK.
Quelle:
Pressemitteilung des Aktionsbündnisses von
NACOA Deutschland e. V.
Such(t)- und Wendepunkt e. V.
Kunst gegen Sucht e. V.