Titelseite des Factsheets des Deutschen Krebsforschungszentrums zu Tabakmarketing. Daneben der Text: Tabakmarketing. Tabak tötet. Werbung wirkt. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) fordert die Bundesregierung auf, den Koalitionsvertrag einzuhalten und Kinder und Jugendliche besser vor Tabakmarketing zu schützen.

Im Rahmen der Initiative »Kinder ohne Alkohol und Nikotin« fordert das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) die Bundesregierung auf, den Koalitionsvertrag einzuhalten und Kinder und Jugendliche besser vor Tabakmarketing zu schützen. Mit einem Policy Brief liefert es dafür wissenschaftlich fundierte Argumente.

Tabak tötet. Tabakkonsum führt zu zahlreichen Krankheiten, Abhängigkeit und vorzeitigem Tod. In Deutschland sterben jährlich über 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Bei Kindern und Jugendlichen beeinträchtigt Nikotinkonsum die Entwicklung des Gehirns, Rauchen stört die Entwicklung der Atemwege. Auch verwandte Produkte wie E-Zigaretten bergen gesundheitliche Risiken und können den Einstieg in den Tabakkonsum fördern.

Werbung wirkt. Die Werbung für Tabakerzeugnisse und verwandte Produkte erhöht den Wunsch von Kindern und Jugendlichen, diese auszuprobieren, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit dem Rauchen beginnen. Trotz bestehender Regelungen und Werbebeschränkungen ist das Marketing für diese Produkte nach wie vor allgegenwärtig, da Industrie und Handel uneingeschränkte Marketingformen nutzen und Verbote unzureichend kontrolliert und lückenhaft durchgesetzt werden.

Neun Gründe für ein umfassendes Verbot von Marketing für Tabak und verwandte Produkte

1. Marketing ist trotz bestehender Werbebeschränkungen allgegenwärtig

Definition: Tabakerzeugnisse und verwandte Produkte sind nicht-pharmazeutische Konsumgüter, zu denen neben tabakhaltigen Produkten auch tabak- und nikotinfreie Varianten (zum Beispiel nikotinfreie E-Zigaretten und Nachfüllbehälter) sowie die für den Konsum notwendigen Geräte (zum Beispiel Tabakerhitzer) gehören.

Zahlreiche Werbemaßnahmen für Tabak und verwandte Produkte sind nach wie vor erlaubt, darunter Werbung und Produktpräsentation am Verkaufsort, Werbung auf den Außenflächen des Fachhandels, Kinowerbung für Filme ab 18 Jahren, verkaufsfördernde Aktivitäten (Promotion) wie Gewinnspiele oder die direkte Ansprache potenzieller Kund*innen auf Veranstaltungen, Werbeformen im Lebensumfeld (Ambient Media) wie Sonnenschirme und das Sponsoring von Veranstaltungen, die nicht grenzüberschreitend sind. Zudem werden bestehende Verbote unzureichend durchgesetzt, zum Beispiel im Internet.

Marketing für Tabak und verwandte Produkte ist daher in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen allgegenwärtig – sei es beim Einkauf im Supermarkt, beim Besuch von Veranstaltungen oder bei der Nutzung sozialer Medien. Die permanente Präsenz der Werbung normalisiert die Produkte, regt zum Konsum an, fördert Impulskäufe, erschwert den Ausstieg und verleitet Kinder und Jugendliche zum Ausprobieren.

2. Werbung verführt junge Menschen zum Konsum

Zahlreiche Studien belegen, dass Tabakwerbung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Kinder und Jugendliche mit dem Rauchen beginnen. Andere Studien zeigen, dass Werbung für E-Zigaretten bei Jugendlichen die Neugier auf die Produkte weckt und die Bereitschaft zum Konsum fördert. Gleichzeitig führt die Werbung dazu, dass die Produkte als weniger schädlich wahrgenommen und das Suchtpotenzial unterschätzt wird.

3. Nur umfassende Marketingverbote wirken

Nur ein umfassendes Tabakwerbeverbot, das alle Werbeformen einschließt, reduziert den Konsum wirksam, während partielle Werbeverbote kaum oder gar nicht wirken.

In Ländern mit einem umfassenden Werbeverbot geht der Tabakkonsum deutlich stärker zurück als in Ländern ohne umfassendes Werbeverbot.

Partielle Werbeverbote sind wirkungslos, da die Hersteller ihre Marketingaktivitäten in die erlaubten Bereiche verlagern und rechtliche Schlupflöcher ausnutzen, so dass die Werbung weiterhin präsent ist und den Konsum fördert.

Ein umfassendes Marketingverbot für Tabak und verwandte Produkte muss alle Werbe- und Sponsoringaktivitäten beinhalten. Dazu gehören:

  • Jegliche direkte Werbung für Tabak und verwandte Produkte – einschließlich aller neuen Medien sowie Werbung am Verkaufsort
  • Indirekte Verkaufsförderung, wie Brand Stretching und Brand Sharing, Produktplatzierung in Film und Fernsehen sowie Programme zur »sozialen Verantwortung der Unternehmen« (Corporate Social Responsibility)
  • Produktpräsentation in Verkaufsstellen
  • finanzielle Beiträge oder Sachspenden, die Unternehmen an Organisationen, öffentliche Einrichtungen und Parteien leisten, oder die Veranstaltungen, Tätigkeiten oder Personen unterstützen (Sponsoring)

4. Standardisierte Verpackungen wirken

Verpackungen von Tabak und verwandten Produkten sind mobile Werbeflächen, die durch ihre Gestaltung die Attraktivität der Produkte erhöhen und deren Schädlichkeit verharmlosen.

Standardisierte Verpackungen (Plain Packaging) mit einheitlicher Farbe, Schriftart und Schriftgröße sowie großen, bildlichen Warnhinweisen verhindern diese Werbefläche. Sie verringern die Attraktivität der Produkte und erhöhen die Wirkung der Warnhinweise.

5. Kinder haben ein Recht auf eine Umgebung ohne Marketing für gesundheitsschädliche Produkte

Nach der UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder ein Recht auf Leben und Gesundheit (Artikel 6 und 24). Die Konvention ist für Deutschland völkerrechtlich verbindlich.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes betont die Notwendigkeit, junge Menschen vor Informationen zu schützen, die ihre Gesundheit und Entwicklung gefährden, und fordert die Regierungen ausdrücklich auf, das Marketing für Alkohol und Tabak zu regulieren oder zu verbieten. Der Ausschuss hat 2022 Defizite bei der Umsetzung der Konvention in Deutschland festgestellt und Deutschland unter anderem aufgefordert, »die Vermarktung von Tabakerzeugnissen an Kinder zu regulieren« und weitere Maßnahmen zur Prävention des Substanzmissbrauchs bei Jugendlichen zu ergreifen.

6. Deutschland ist völkerrechtlich verpflichtet, ein umfassendes Marketingverbot einzuführen

Deutschland hat sich bereits 2004 mit der Ratifizierung des völkerrechtlich verbindlichen WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (WHO Framework Convention on Tobacco Control, FCTC) zu einem umfassenden Verbot aller Formen der Tabakwerbung verpflichtet (Artikel 13). Die Leitlinien zu Artikel 13 sollen die Vertragsparteien bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen unterstützen. Sie wurden 2024 durch spezifische Leitlinien zu grenzüberschreitender Tabakwerbung, Verkaufsförderung und Sponsoring sowie zur Darstellung von Tabak in Unterhaltungsmedien ergänzt, um insbesondere darauf hinzuweisen, dass ein umfassendes Marketingverbot auch digitale Medien sowie neuartige Produkte einschließlich der für ihren Konsum benutzten Geräte umfasst.

Ein umfassendes Tabakwerbeverbot ist auch mit dem Grundgesetz vereinbar, wie mehrere Gutachten bestätigen.

Darstellung der Wirkung unterschiedlicher Werbebeschränkungen für Tabakprodukte und verwandte Produkte.
Wirkung von Werbebeschränkungen für Tabakprodukte und verwandte Produkte

7. Marketing für nikotinhaltige Produkte widerspricht gesundheitspolitischen Zielen

Nikotin ist eine toxische, psychoaktive und süchtig machende Substanz, die insbesondere in der sensiblen Phase des Heranwachsens krankheitsfördernd wirkt: Bei Kindern und Jugendlichen beeinträchtigt es die Entwicklung des Gehirns. Wird es während der Schwangerschaft konsumiert, schädigt es die Gehirn- und Lungenentwicklung des ungeborenen Kindes und kann zu Früh- und Totgeburten führen. Außerdem ist ein ursächlicher Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen wie Atherosklerose und Typ-2-Diabetes sowie Krebs wahrscheinlich.

8. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Tabakindustrie sind unwirksam

Die Tabakindustrie verspricht immer wieder, Kinder und Jugendliche durch selbst auferlegte Regeln zu schützen. Tatsächlich nutzt sie die Selbstregulierung in erster Linie, um wirksame gesetzliche Regelungen zu vermeiden. Vage Formulierungen, Schlupflöcher und die Möglichkeit, auf andere Werbemaßnahmen auszuweichen, sowie die Eigenkontrolle bieten der Tabakindustrie die Möglichkeit, ihre eigenen Richtlinien zu umgehen.

9. Die Mehrheit der Deutschen will ein umfassendes Werbe- und Sponsoringverbot

Eine bundesweite Umfrage im Auftrag des Deutschen Krebsforschungszentrums zeigt, dass mehr als die Hälfte der Befragten ein Werbe- und Sponsoringverbot für Tabakprodukte und E-Zigaretten befürworten, das alle Werbeformen umfasst. Diesem Wunsch sollte die Bundesregierung Rechnung tragen.