Diese alkoholpolitische Maßnahme, die sich EU-weit als am wirksamsten erwiesen hat, ist zugleich von allen alkoholpolitischen Maßnahmen die unpopulärste.
Wenn wir den Pro-Kopf-Konsum von Alkohol in Deutschland reduzieren wollen, dann brauchen wir jedoch höhere Preise. Eine Erhöhung des Preises für alkoholische Getränke hätte zur Folge, dass die Todesrate bei Leberzirrhose sinkt, dass die Zahl der Verkehrsunfälle und Todesfälle sinkt, dass es weniger vorsätzliche und unbeabsichtigte Verletzungen gibt. Es gäbe weniger Unfälle am Arbeitsplatz, weniger Übertragung von HIV, weniger Raub und Diebstahl, die Zahl der Selbstmorde würde sinken, genau wie Kriminalität, Kindesmissbrauch und Gewalt in der Ehe. All das sind Dinge, die sehr eng mit Alkoholkonsum verknüpft sind, und eben nicht nur bei fortgesetzter Alkoholabhängigkeit, sondern durchaus auch schon bei einmaligem Konsum.
Durch höhere Preise werden vor allem junge, starke und arme Trinker, nicht aber die Mittelschicht erreicht. Durch diese Maßnahmen, die höhere Besteuerung, erreicht man gerade die spezifischen Gruppen, die gefährdet sind. Es ist auf jeden Fall durch mehrere Studien europaweit erwiesen, dass diese Gruppen durch eine Preiserhöhung besonders erreicht werden können.
Am 1. Juli 1999 wurden in der Schweiz die Besteuerung und die Einfuhrpraxis von Spirituosen geändert. Daraus ergab sich ein beachtlicher Preisrückgang ausländischer Erzeugnisse im Kleinhandel. Die Schweizer Bevölkerung reagierte auf die Preissenkung bei ausländischen Spirituosen mit einer deutlichen Konsumsteigerung, dabei bewirkte der Mehrkonsum von Spirituosen keinen Mindergebrauch anderer alkoholischer Getränke. Jugendliche und junge Erwachsene reagierten besonders preisempfindlich, während ältere Personen ihren Spirituosenkonsum kaum veränderten. Sowohl junge Männer als auch junge Frauen erhöhten ihren Konsum.
Von besonderer Bedeutung ist der Befund, dass vor allem jene Personen ihren Spirituosenkonsum steigerten, die zuvor nur wenig starke Alkoholika getrunken hatten. In allen drei Sprachregionen ließ sich eine Erhöhung des Spirituosenkonsums feststellen, am deutlichsten in der Romandie. Eine Zusatzbefragung zum Kaufverhalten ergab, dass als Folge der Preissenkung die Inlandskäufe von Spirituosen beträchtlich zugenommen hatten, während sie im Ausland gesunken waren.
Für die Nachkriegszeit bestätigt sich die These von Babor et al. (2003), dass vermehrter Wohlstand bei annähernd gleichbleibenden oder sogar sinkenden Preisen einen Anstieg des durchschnittlichen Alkoholkonsums zur Folge hat.
Mindestpreise
Beim Konzept des Mindestpreises geht es um den Alkoholgehalt eines Getränks. Pro »Einheit« (d. h. pro 10 Gramm (g) oder 13 Milliliter (ml) reiner Alkohol, dem Alkoholgehalt eines Standardglases) wird ein Mindestpreis eingeführt. Je höher der Alkoholgehalt eines Getränkes ist, desto höher ist sein Preis.
Die Einführung eines Mindestpreises dient vor allem der Reduktion des Konsums von Billiggetränken. Billiggetränke, die im Einzelhandel erhältlich sind, werden vor allem von problematisch Konsumierenden gekauft und getrunken. Mit der Einführung eines Mindestpreises würde der Alkoholkonsum also vorwiegend bei den problematisch Konsumierenden gesenkt. Bei den moderat Konsumierenden bewirkt die Einführung eines Mindestpreises nur einen geringen Konsumrückgang. Dies belegt eine Studie der Universität Sheffield für England und Schottland.
Problematisch Konsumierende tendieren dazu, bei Preiserhöhungen auf andere alkoholische Getränke auszuweichen. Mit der Einführung von Mindestpreisen für alle alkoholischen Getränke kann dieser Tendenz entgegengewirkt und somit der gesamte Konsum reduziert werden.
Je nach Höhe des Mindestpreises sind die Auswirkungen auf die verschiedenen Konsumgruppen unterschiedlich. Neben der Option, einheitliche Mindestpreise für den Einzelhandel und die Gastronomie einzuführen, besteht auch die Möglichkeit, die Höhe des Mindestpreises in diesen beiden Bereichen unterschiedlich festzulegen.
Die zusätzlichen Ausgaben der Konsumierenden für alkoholische Getränke, die aus der Einführung von Mindestpreisen resultieren, fallen vorwiegend bei den problematisch Trinkenden an. Moderat Konsumierende sind davon weniger betroffen.
Mindestpreise reduzieren nicht nur den Konsum, sondern indirekt auch die Gesundheitskosten, den Rückgang der Arbeitsproduktivität und die alkoholbedingte Kriminalität.
Verbot von Flat-Rate-Preisen
Junge Konsumierende, Rauschtrinkende und problematisch Konsumierende bevorzugen billige Getränke. Studien belegen, dass Sonder- und Billigangebote den Alkoholkonsum insbesondere bei jungen Konsumierenden steigern und das Rauschtrinken fördern. In diesem Sinne sind Lockvogelangebote wie Happy Hours und flat rate-Angebote etc. für alle alkoholischen Getränke sowohl im Handel als auch in Gastgewerbebetrieben zu verbieten. Dieses Verbot sollte auch Billig- und Billigstangebote im Handel umfassen.