Die Alkoholindustrie ist seit Jahrzehnten in den EU-Institutionen stark vertreten und verfolgt dabei ein einziges Ziel: ihre eigenen Profite zu steigern, oft auf Kosten einer Politik, die Menschen und die Gesellschaft schützen würde. Während die Tabakindustrie lange Zeit unter die Lupe genommen und weitgehend von der Politik ausgeschlossen wurde, hat sich die Alkoholindustrie mit ähnlichen Zielen und Taktiken in den Korridoren in Brüssel gehalten. Aber was steckt hinter der Alkoholindustrie und wie ist sie organisiert?
Dieser von IOGT-NTO (Schweden) verfasste Bericht stellt die Akteure und Praktiken der Alkoholindustrie im europäischen Raum dar. Er soll beschreiben, wer sie sind, wie ihre Lobbyarbeit in Zahlen aussieht und wie sie arbeiten.
Der erste Teil des Berichts stellt die verschiedenen Arten von Lobbyorganisationen der Alkoholindustrie vor, die auf EU-Ebene aktiv sind. Der zweite Teil beschreibt die Aktivitäten der Industrie in Brüssel in Zahlen. Er nennt die Anzahl der Treffen der Industrie mit hochrangigen EU-Beamten in der EU-Kommission, die umfangreichen Mittel, die die Industrie für die Lobbyarbeit aufwendet, sowie die Anzahl der Mitarbeiter_innen, die sie für die Lobbyarbeit in der EU-Politik beschäftigt. Der letzte Teil des Berichts geht näher darauf ein, wie die Alkoholindustrie bei jeder Gelegenheit versucht, die Bedeutung der öffentlichen Gesundheitspolitik zu untergraben, um ihre Gewinne zu schützen.
Dieser Bericht beleuchtet, wie eine globale Multimilliarden-Dollar-Industrie, die schädliche Produkte herstellt, ihre wirtschaftliche Macht und alle verfügbaren Mittel nutzt, um die Politik zu beeinflussen. Dies geschieht, wie der Bericht zeigt, nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch in Bezug auf die Gesundheitspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten.
In einer Europäischen Union, die auf demokratischen Grundsätzen beruhend, eine faktengestützte Politik betreiben und die Interessen ihrer Bürger_innen im Auge behalten sollte, ist es zutiefst besorgniserregend, dass schädliche Industrien, die nicht zum Wohle der Menschen handeln, immer noch einen entscheidenden Einfluss auf die Politik haben können.
Dies ist ein ernstes demokratisches Problem – die Gesundheitspolitik und insbesondere die Alkoholpolitik sollte darauf abzielen, die Gesundheit der Menschen zu schützen und nicht die Profite schädlicher Industrien.
Die Daten für diese Studie stammen aus dem EU-Transparenzregister. Auch wenn es sich bei den veröffentlichten Informationen häufig um Schätzungen der Unternehmen oder Organisationen selbst handelt, so ist es doch das beste verfügbare Instrument, um die von den verschiedenen Akteuren ausgegebenen Beträge zu untersuchen.
Durch stark finanzierte Lobbyarbeit auf EU-Ebene arbeiten die Akteure der Alkoholindustrie aktiv daran, eine evidenzbasierte öffentliche Gesundheitspolitik zu untergraben. Ihre Präsenz auf der EU-Arena ist wesentlich größer als die ihrer NRO-Kollegen, und die Industrie hält eine viel größere Anzahl von Treffen mit hochrangigen EU-Beamten ab. Dieses Ungleichgewicht lässt sich anhand der folgenden Zahlen verdeutlichen:
- Die Alkoholindustrie hatte in den letzten sechs Jahren 270 Treffen mit der Europäischen Kommission, während die Nichtregierungsorganisationen im Bereich der öffentlichen Gesundheit nur 14 hatten.
- Nach eigenen Schätzungen wendet die Industrie jährlich über 9 Millionen Euro für Lobbyarbeit in der EU auf.
- Die Alkoholindustrie verfügt über eine beträchtliche Anzahl von Vollzeit-Lobbyist_innen in Brüssel (insgesamt 95), die ihre Ziele verfolgen. Dem stehen 14,5 Vertreter_innen von NRO aus dem Bereich der öffentlichen Gesundheit gegenüber.
Treffen auf höchster Ebene mit der Europäischen Kommission 2014 – 2022, insgesamt
Die Industrie ist bestrebt, in der alkoholpolitischen Debatte so viel Raum wie möglich einzunehmen und die Agenda dafür zu bestimmen, was und wie es diskutiert wird. In ihrem Diskurs gegen die Bedenken der öffentlichen Gesundheit in Bezug auf Alkohol setzt sie weiche Taktiken ein, wie zum Beispiel das Schüren von Zweifeln an bestehenden Forschungsergebnissen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die Behauptung, dass spezifische Bemühungen zur Verringerung von Alkoholschäden unverhältnismäßig sind, oder den Versuch, die Debatte von den schädlichen Auswirkungen des Alkohols abzulenken.
Trotz eines offensichtlichen Interessenkonflikts aufgrund ihrer Profitinteressen wird die Industrie immer noch zu Fragen der öffentlichen Gesundheit konsultiert. Die Alkoholindustrie hat einen realen Einfluss auf die Alkoholpolitik in der EU, was lange Zeit ein massives Hindernis für eine wirksame europäische Alkoholpolitik war und ist.
Quelle: IOGT-NTO
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