Kinder überqueren eine städtische Straße auf einem Zebrastreifen.

Eine Studie von Sucht Schweiz hat die Anreize für Alkohol, Tabak und Nikotinprodukte auf den Wegen von 16- bis 18-jährigen Jugendlichen in der Stadt Genf nachgezeichnet. Auf dem Weg von zu Hause zur Schule oder zum Ausbildungsplatz begegnen sie durchschnittlich alle 65 Meter einem Konsumanreiz. Im digitalen Raum sind es an einem Wochentag durchschnittlich 10 Anreize. Die von der Gesundheitsdirektion des Kantons Genf in Auftrag gegebene Studie zeigt die erschreckende Normalität von Alkohol, Tabak und Nikotinprodukten im Alltag der Jugendlichen.

Genfer Jugendliche werden auf ihren Wegen durch die Stadt und im digitalen Raum ständig an Alkohol-, Tabak- und Nikotinprodukte erinnert. Dies, obwohl im Kanton Genf strenge Werbebeschränkungen für diese Produkte gelten (betrifft Plakat- und Kinowerbung). Markennamen auf Gegenständen (zum Beispiel Aschenbecher) oder Sonderangebote und Beschriftungen in Verkaufsstellen sind jedoch möglich. Darüber hinaus bieten soziale Netzwerke weitere Marketingmöglichkeiten, unter anderem mit Influencer*innen. Hier werden auch Jugendliche unter 18 Jahren erreicht.

Auf dem Weg von zu Hause zur Schule oder zum Ausbildungsplatz begegnen 16- bis 18-Jährige durchschnittlich 15 Reizen pro Kilometer. Sie werden also gut alle 65 Meter an diese Stoffe erinnert. Im digitalen Raum sind es an einem Wochentag etwa 10 und an einem Wochenendtag 15 Reize, wobei es große individuelle Unterschiede gibt. Herumliegende Flaschen und leere Zigarettenschachteln, Personen, die gerade Alkohol trinken, rauchen oder dampfen.

All diese Anreize widerspiegeln die Normalisierung des Konsums und können diesen für Jugendliche als akzeptierbar darstellen«, erklärt Nicole Egli Anthonioz, Studienleiterin bei Sucht Schweiz.

Hotspots mit Konsumanreizen

Ein Drittel der Anreize für Tabak- oder Nikotinprodukte findet sich auf der Straße oder in Parks, gut ein Drittel in Verkaufsstellen. Der Rest verteilt sich auf Gastronomiebetriebe sowie öffentliche Verkehrsmittel und Haltestellen. Alkoholbezogene Anreize sind am häufigsten in Gastronomiebetrieben (knapp die Hälfte) und Verkaufsstellen (ein Drittel) anzutreffen.

Häufig sind es Gleichaltrige, die in sozialen Netzwerken Konsumanreize vermitteln. Jugendliche tauschen Bilder von Partys oder anderen Aktivitäten aus, bei denen Substanzen konsumiert werden. Influencer sind die zweitwichtigste Quelle für Konsumanreize. Im Gegensatz zur physischen Welt werden Botschaften, die vor dem Konsum warnen oder Abstinenz empfehlen, als mindestens ebenso eindringlich empfunden wie Anreize, die den Konsum eher positiv bewerten. Dies zeigt, dass die sozialen Netzwerke auch eine Chance für die Sensibilisierung und Prävention darstellen.

Die konsumverharmlosende Gesellschaft schützt ihre Jugend nicht ausreichend

Jugendliche leben in einem Umfeld, in dem Suchtmittel allgegenwärtig sind und der Konsum dazugehört. Die Gesellschaft muss Kinder und Jugendliche deshalb besser schützen. Alkohol-, Tabak- und Nikotinprodukte sind für Kinder und Jugendliche besonders schädlich.

  • Die Studie macht deutlich, dass bereits heute in sozialen Netzwerken Botschaften zur Risikosensibilisierung ausgetauscht werden. Hier sollten jugendgerechte Präventionsbotschaften verstärkt platziert werden, um der Flut von Konsumanreizen und der Normalisierung des Substanzkonsums sowohl in der realen Welt als auch im digitalen Raum verstärkt entgegenzuwirken.
  • Der Kanton Genf kennt zusätzlich zu den gesamtschweizerischen Einschränkungen weitere Werbebeschränkungen für Alkohol-, Tabak- und Nikotinprodukte. Dies ist nicht überall der Fall. Beim Alkohol sollten gesamtschweizerische Massnahmen diskutiert werden, damit die Werbung die Jugendlichen nicht mehr erreicht. Bei Tabak- und Nikotinprodukten steht nach dem Erfolg an der Urne die konsequente Umsetzung der Volksinitiative »Kinder ohne Tabak« an.

Konsumanreize kennen unterschiedliche Formen

Neben gezielten Marketingbotschaften sind Jugendliche in ihrem Alltag weiteren Reizen ausgesetzt, zum Beispiel in Form von herumliegenden Zigarettenschachteln oder leeren Flaschen und Dosen. Die Forschung zeigt, dass eine wiederholte und unbewusste Exposition eine positive Einstellung zu einem Produkt hervorrufen kann.

Was die Werbung betrifft, so sind sich die Fachleute über deren Wirkung einig. So zeigen das Standardwerk zur Tabakwerbung, der Literaturüberblick des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums (Surgeon General) sowie neuere Arbeiten den Zusammenhang klar auf. Die Studien zeigen insbesondere, dass Jugendliche, die der Tabakwerbung stärker ausgesetzt sind, eher mit dem Rauchen beginnen.


Deutsche Zusammenfassung auf Seite 15 der PDF.

Quelle: Medienmitteilung von Sucht Schweiz