Titelseite des Jahrbuchs Sucht 2024 vor unscharfer Menschenmenge.

Das Jahrbuch der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) gibt einen umfassenden Überblick über den Konsum legaler und illegaler Substanzen, die Entwicklung von Abhängigkeitserkrankungen und Behandlungsformen. Inhaltlich wurde das Jahrbuch Sucht 2024 aufgrund der Cannabisregulierung um ein Kapitel zu Cannabis erweitert.

Erstmals liegt das DHS-Jahrbuch Sucht als frei zugängliche Open Access Online-Publikation vor.

Alkohol

Deutschland ist nach wie vor ein Land mit hohem Alkoholkonsum: Durchschnittlich 10,6 Liter reinen Alkohols trinkt jede Person der Bevölkerung ab 15 Jahren. Damit liegt der Alkoholkonsum in Deutschland zwei Liter über dem Durchschnitt der Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, 2023).

Alkoholkonsum ist gesundheitsschädlich.

Das Kuratorium und der Vorstand der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) haben im Herbst 2023 neue Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol veröffentlicht. Sie wurden auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes erarbeitet. Für die Praxis sind sie als Botschaft an alle Menschen gedacht:

Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie Ihren Konsum, egal wie viel Sie trinken! Wenn Sie keinen Alkohol trinken, bleiben Sie dabei!«

»Wer keinen Alkohol (mehr) trinkt, ist klar im Vorteil. Es gibt körperliche und psychische Vorteile: Weniger Infektionen, geringeres Krebsrisiko, geringeres Unfallrisiko, weniger Konflikte in sozialen Beziehungen, ein gesünderes Herz, besserer Schlaf, besserer Blutdruck«, erklärt Christina Rummel, Geschäftsführerin der DHS.

Die neuen Empfehlungen sind unvereinbar mit jeglicher Form von Werbung für Alkoholkonsum. Der sogenannte moderate Konsum wird mit positiven Attributen wie Lebensfreude und Genuss beworben. Dies ist mit den Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol nicht zu rechtfertigen. Alkoholwerbung ist vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse über alkoholbedingte Gesundheitsschäden unethisch.

Werbung für Alkohol ist vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Befunde zu alkoholbedingten Gesundheitsschäden unethisch.«

Neue Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol

Gruppe junger Menschen im Freien beim Anstoßen mit Bierflaschen.

Das Wissenschaftliche Kuratorium der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat neue Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol herausgegeben. Bisher galt für gesunde Menschen eine maximale Trinkmenge von 24 Gramm Reinalkohol pro Tag bei Männern und 12 Gramm bei Frauen als »risikoarmer Konsum«.

Bei den Todesfällen im Zusammenhang mit dem Konsum von Suchtmitteln stehen vor allem die Konsument*innen illegaler Drogen im Mittelpunkt. Nicht zuletzt weil die Zahl der »Drogentoten« in den letzten Jahren angestiegen ist.

Insgesamt stellt die Zahl der Drogentoten nur einen Teil der Todesfälle durch Substanzkonsum dar. Die Zahl der Tabak- und Alkoholtoten übersteigt die Zahl der Drogentoten um ein Vielfaches. Bei der Berichterstattung über Todesfälle im Zusammenhang mit Substanzkonsum sollten deshalb auch Alkohol und Tabak berücksichtigt werden.

Alkoholtote

Für das Jahr 2016 hat eine Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Alkoholkonsum weltweit als einen der sieben wichtigsten Risikofaktoren für die Sterblichkeit eingestuft. Bei den 15- bis 49-Jährigen wurde der Alkoholkonsum weltweit als wichtigster Risikofaktor ermittelt. Die Auswertung von Daten zu 23 alkoholbedingten Todesursachen durch die WHO-Arbeitsgruppe umfasste fünf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sieben Krebserkrankungen, zwei sonstige Erkrankungen innerer Organe, Diabetes, zwei Erkrankungen der Atemwege, eine Erkrankung des Zentralnervensystems, eine Gruppe psychiatrischer Erkrankungen sowie vier Todesursachen durch Gewalteinwirkung. In Deutschland starben im Jahr 2016 19.000 Frauen und 43.000 Männer an einer dieser ausschließlich alkoholbedingten Todesursachen, das sind 4,0 % aller Sterbefälle bei Frauen und 9,9 % aller Sterbefälle bei Männern.

Tabak

In Deutschland raucht etwa ein Drittel der Erwachsenen. Bei den Männern sind es 38,2 Prozent, bei den Frauen 31,3 Prozent. Mit 7 % ist der Anteil der Raucher*innen bei den 12- bis 17-Jährigen deutlich geringer als bei den Erwachsenen (Alkoholsurvey 2021, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung).

Tendenziell rauchen insgesamt weniger Erwachsene und Jugendliche. Die Entwicklung in den letzten Jahren ist jedoch je nach Datenquelle unterschiedlich. Dies hängt mit den unterschiedlichen Erhebungsmethoden, Stichprobenziehungen und Befragungsinstrumenten der bundesweit repräsentativen Studien zur Verbreitung des Rauchens in der Bevölkerung zusammen. Insgesamt bilden die vorliegenden Studien das Rauchverhalten in Deutschland sehr gut ab. Eine weitere Beobachtung und Einordnung der Trends ist jedoch erforderlich.

Der Pro-Kopf-Konsum liegt derzeit bei 764 Zigaretten. Dies ist der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung. Auch der Absatz von Feinschnitt und Zigarren/Zigarillos ging zurück. Gestiegen ist dagegen der Absatz von Pfeifentabak: Er lag bei 398 Tonnen. Höher war der Absatz von Wasserpfeifentabak (728 Tonnen).

1,9 % der Personen ab 14 Jahren konsumieren E-Zigaretten (DEBRA-Studie, 2023). Betrachtet man nur Jugendliche und junge Erwachsene, liegt der Anteil höher: Bei den 14- bis 17-Jährigen sind es derzeit 2,4 %, bei den 18- bis 24-Jährigen 3,5 %.

DHS fordert wirksame Tabakprävention und ‑kontrolle

Um den Tabakkonsum in Deutschland nachhaltig zu reduzieren, brauchen wir verstärkte Maßnahmen der Tabakprävention und eine wirksame Tabakkontrollpolitik«, fordert Rummel.

Platz 34 von 37 auf der Tabakkontrollskala ist beschämend.«

»Deutschland gehört im internationalen Vergleich nach wie vor zu den Schlusslichtern bei den Bemühungen um eine wirksame Tabakprävention und ‑kontrolle. Platz 34 von 37 auf der Tabakkontrollskala ist beschämend. Von den hinteren Plätzen kommen wir nicht weg. Auch angesichts der geschätzten gesamtwirtschaftlichen Kosten des Rauchens in Höhe von 97,2 Milliarden Euro pro Jahr ist die Reduzierung des Tabakkonsums ein wichtiges gesundheitspolitisches Ziel.«

Darüber hinaus hat die Produktions- und Konsumkette von Tabak erhebliche negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Deshalb ist die Reduzierung des Tabakkonsums ein aktiver Beitrag zu Klima- und Umweltschutz. Die ökologischen Schäden entstehen vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen beim Anbau und der Trocknung des Tabaks, so das Jahrbuch Sucht 2024.

Cannabis

In den letzten drei Jahrzehnten ist eine insgesamt steigende Tendenz des Cannabiskonsums einschließlich des problematischen Konsums zu beobachten. 4,5 Millionen erwachsene Deutsche (8,8 %) geben an, in den letzten zwölf Monaten Cannabis konsumiert zu haben. Männer tun dies etwas häufiger als Frauen. Auch von einem problematischen Cannabiskonsum sind sie fast doppelt so häufig betroffen (3,4 %) wie Frauen (1,6 %). Problematischer Konsum zeichnet sich beispielsweise durch Schwierigkeiten aus, den Konsum zu kontrollieren oder zu beenden, oder dadurch, dass bereits psychosoziale Folgen spürbar sind.

9,3 % der Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren geben an, schon einmal in ihrem Leben Cannabis probiert zu haben. Von den 12- bis 17-Jährigen haben 7,6 % im letzten Jahr Cannabis konsumiert. In allen Altersgruppen konsumieren mehr Jungen als Mädchen Cannabis (Jahr 2021).

Cannabiskonsum erhöht das Risiko körperlicher und vor allem psychischer Störungen. Er kann die Hirnleistung beeinträchtigen und die Fahrtüchtigkeit einschränken. Vor allem für Kinder und Jugendliche kann Cannabis gefährlich sein. Ein frühes Einstiegsalter, intensiver Konsum und der gleichzeitige Konsum von Tabak wurden als besondere Risikofaktoren identifiziert.

Cannabis ist legal und birgt Risiken.«

Als psychosoziale Risiken des häufigen Cannabiskonsums sind unter anderem Einbußen im Bildungserfolg (zum Beispiel vorzeitiger Schulabbruch, seltenere akademische Abschlüsse) belegt. »Cannabis ist legal und birgt Risiken. Diese Kernbotschaft ist wichtig für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Intensive Aufklärung und Prävention sind notwendig. Dafür brauchen wir deutlich mehr Ressourcen als bisher«, betont Prof. Dr. Eva Hoch, Autorin des Beitrags zu Cannabis im DHS-Jahrbuch Sucht 2024 und Institutsleiterin des IFT München.

Der Anteil der Betreuungen aufgrund cannabinoidbezogener Störungen im ambulanten Bereich der Suchthilfe hat sich seit der Jahrtausendwende verdreifacht. Im stationären Bereich kam es zu einer Verzehnfachung: Nach den alkoholbezogenen Störungen sind cannabinoidbezogene Störungen aktuell der zweithäufigste Grund für den Zugang zu Suchthilfeangeboten (2022: ambulant: 18,5 %, stationär: 9,9 %).

DHS fordert Ausbau der Cannabisprävention und Sicherung der Finanzierung

Parallel zu diesem Anstieg der Betreuungszahlen wurden in der Suchthilfe zielgruppenspezifische Beratungs- und Behandlungsangebote entwickelt. Um diese auch flächendeckend und allen Hilfesuchenden anbieten zu können, bedarf es eines Ausbaus der wohnortnahen Suchthilfe«, fordert Dr. Peter Raiser, Geschäftsführer der DHS. »Zwar gibt es gute Angebote zur Prävention des problematischen Cannabiskonsums. Es erscheint jedoch dringend erforderlich, auch diese deutlich auszubauen und weiterzuentwickeln. Um dem bestehenden und voraussichtlich weiter steigenden Bedarf an lokalen Angeboten der Suchtberatung, Frühintervention und Prävention gerecht werden zu können, muss eine ausreichende und nachhaltig gesicherte Finanzierung dieser Angebote gewährleistet werden.«

 

Das DHS-Jahrbuch Sucht 2024

  • präsentiert die aktuellen Themen
    • Neue Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol – Vorzüge und Herausforderungen für die Gesundheit in einem Hochkonsumland
    • Wie die Tabakindustrie der Umwelt und dem Klima schadet
    • Substitutionsgestützte Behandlung von Menschen mit Opioidabhängigkeit
  • fasst die neuesten Statistiken zum Konsum von Tabak sowie zu Glücksspiel, Essstörungen, Delikten unter Alkoholeinfluss, Suchtmitteln im Straßenverkehr und zur Rauschgiftlage zusammen
  • informiert über Zahlen und Fakten zum Cannabiskonsum und über Varianten Internetbezogener Störungen
  • gibt die wichtigsten aktuellen Ergebnisse der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS) konzentriert wieder
  • informiert über die Rehabilitation substanzbezogener Abhängigkeitserkrankungen durch die Deutsche Rentenversicherung
  • liefert ein umfangreiches Adressverzeichnis deutscher und europäischer Einrichtungen im Suchtbereich
Titelseite des Jahrbuchs Sucht 2024.

Das Jahrbuch Sucht 2024 steht zum kostenlosen Download auf der DHS-Website zur Verfügung.

Die Printversion ist beim Verlag Pabst Science Publishers kostenpflichtig erhältlich.

Quelle: Pressemeldung der DHS