Wer sich nur etwas mit den Fragen einer vorbeugenden Alkoholpolitik beschäftigt, der weiß: Der Preis für alkoholische Getränke hat einen enormen Einfluss auf den Konsum. Das betrifft insbesondere den Preis von Niedrigpreis-Gebinden. Da war es schon eine interessante Nachricht, dass ALDI in seiner Werbung für diese Woche Schultenbräu-Pilsener zu einem absoluten Niedrigpreis anbietet. Die Dose für 0,29 Euro, also kostet der Liter 0,58 Euro. Aber das war – zumindest in unserer Region Ostwestfalen – noch nicht das billigste Bier.
Real bietet eine Kiste Paderborner Bier zum Literpreis von 0,55 Euro an, und Rewe setzt mit – wieder Paderborner Bier – noch einen drauf: Der Liter für 0,50 Euro. Nun bin ich mir ziemlich sicher, dass die Konsumenten sich über diese Entwicklung freuen. Aber dennoch sollte es uns Sorgen machen. Auf der einen Seite trinken 10 % der Konsumenten allein die Hälfte allen Bieres, und je mehr in Deutschland getrunken wird, desto größer sind die Schäden.
Alkoholpolitik.de fordert schon seit einiger Zeit Mindestpreise für alkoholische Getränke, wie es bereits in Schottland beschlossen wurde. In einer großen Untersuchung »Alcohol – Price, Policy and Public Health« kamen die Experten von SHAAP (Scottish Health Action on Alcohol Problems) zu dem Ergebnis, dass ein Rückgang des Alkoholkonsums am wirksamsten durch Preiserhöhungen bei den billigsten Getränken zu erreichen sei.
Während eine Steuererhöhung bei den hochpreisigen Getränken noch eher zu einer Nachfragesteigerung führt, führt eine gleichmäßige Preiserhöhung bei allen Getränken zu einem Umsatzrückgang von 1,7 %, bei einer Verteuerung der Billigprodukte würde der Rückgang im Konsum 4,15 % betragen.
Diese Rechnung kann noch genauer geschildert werden. Bei einer generellen Anhebung der Preise um 10 % würden Normalkonsumenten ca. 3,5 % weniger konsumieren, problematischer Konsum würde um knapp 5 % und gefährlicher Konsum um ca. 4,5 % zurück gehen. Die gleichen Konsumentengruppen würden bei einer Preisanhebung der billigsten Gebinde um 45 Pence (das würde die oben beschriebenen Billigangebote im Preis verdoppeln) 2 % weniger bei Normalkonsumenten, 3,5 % weniger bei problematischem Konsum und 7 % bei gefährlichem Konsum. Das bedeutet, dass gerade Abhängige und Gefährdete weniger konsumieren würden.
Nun kann man sagen, dass das alles reine Theorie sei. Fakt ist aber, dass der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland zu hoch ist, dass die sozialen Kosten den wirtschaftlichen Nutzen bei weitem übersteigen, dass der Preis, den die Menschen mit gefährlichen Konsummustern zahlen, hoch ist. Da ist es unmoralisch, Menschen erst einmal Bier zu einem Kampfpreis anzubieten, und dann die Konsequenzen zu ignorieren. Wie sagte der Geschäftsführer einer dieser Billigabfüller? »Meine Aufgabe ist es, Bier zu verkaufen. Für die Folgen sind in unserer Gesellschaft andere zuständig.« So kann man es sehen. Aber es ist nicht in Ordnung.
Rolf Hüllinghorst
Bielefeld