In den Ländern der OECD, EU und G20 könnten in den kommenden 30 Jahren jährlich etwa 1,1 Millionen Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsums sterben. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen OECD-Studie. Die Studie zeigt auch: Gegenstrategien retten nicht nur Menschenleben, sie lohnen sich auch wirtschaftlich.
In ihrem Bericht »Preventing Harmful Alcohol Use« schätzen die Autor*innen, dass jeder Euro, der in Maßnahmen gegen schädliche Formen von Alkoholkonsum investiert wird, sich wirtschaftlich bis zu sechzehnfach bezahlt macht. Mögliche Auswirkungen auf die Alkoholindustrie sind darin nicht berücksichtigt.
Als Schwelle für schädlichen Alkoholkonsum definiert die Studie mehr als zwölf Gramm reinen Alkohol am Tag bei Frauen und mehr als 18 Gramm reinen Alkohol am Tag bei Männern. Zwölf Gramm entsprechen ungefähr einem kleinen Bier. Aus solch erhöhtem Konsum entstehen jedes Jahr enorme Schäden – einerseits für die Gesundheit der Betroffenen, andererseits durch gefährliche Folgen wie Verkehrsunfälle oder Gewalttaten.
Die Auswirkungen auf die Lebenserwartung sind deutlich. Im Schnitt der 52 untersuchten Länder gehen aufgrund des Alkoholkonsums bis 2050 den Schätzungen zufolge 0,9 Jahre der Lebenserwartung verloren. Für Deutschland und Österreich, die zu den Ländern mit dem höchsten Alkoholkonsum gehören, geht die Studie sogar von einem Lebenszeitverlust von durchschnittlich 1,06 Jahren aus, für die Schweiz von 0,7 Jahren. Bereits jetzt ergibt sich aus den Folgen des Alkoholkonsums für die Gesundheitssysteme eine jährliche Belastung von 138 Milliarden US-Dollar – das entspricht 2,4 Prozent der gesamten jährlichen Gesundheitsausgaben. In Deutschland und Österreich liegt der Anteil mit 3,5 Prozent beziehungsweise knapp 3,7 Prozent noch höher.
Die Studie zeigt auch, wo extreme Konsummuster besonders verbreitet sind. Exzessives Trinken (mindestens 60 Gramm purer Alkohol, entspricht 80 Prozent einer Flasche Wein oder 1,5 Litern Bier) oder Komasaufen kommen bei fast jeder beziehungsweise jedem dritten Erwachsenen im Schnitt einmal im Monat vor. Dabei neigen Frauen mit hohem Bildungsniveau und Personen in den niedrigsten und höchsten Einkommensgruppen überdurchschnittlich häufig zu exzessivem Alkoholkonsum. Eine Analyse in sechs Ländern legt nahe, dass ein Großteil des Alkohols (31 bis 51 Prozent) von einem kleinen Teil der Bevölkerung (4 bis 14 Prozent) getrunken wird.
Die Studie beleuchtet auch, wie sich die Coronakrise auf den Alkoholkonsum ausgewirkt hat. So gaben 43 Prozent der Befragten in elf OECD-Ländern während des ersten Lockdowns an, häufiger zu trinken als vor der Krise. 26 Prozent gaben an, seltener zu trinken. Den höchsten Zuwachs gab es bei Frauen, Eltern von Kleinkindern, Besserverdienenden sowie Personen mit Angstzuständen und Depressionssymptomen. Notrufe wegen häuslicher Gewalt sind in den EU-Ländern um 60 Prozent gestiegen.
Außerdem berechnet die Studie die wirtschaftlichen Schäden, die durch den alkoholbedingen Produktivitätsverlust entstehen. Mit Bezug auf 48 der untersuchten Länder geht die Studie zwischen 2020 und 2050 von einem wirtschaftlichen Schaden von jährlich 1,6 Billionen US-Dollar aus. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt ergibt sich für Österreich ein durchschnittlicher jährlicher Rückgang um knapp zwei Prozent, für Deutschland um 1,7 Prozent und für die Schweiz um 1,3 Prozent.
Maßnahmen, die schädlichen Alkoholkonsum reduzieren, machen sich bezahlt. In vielen Ländern mangelt es jedoch an entsprechenden Investitionen oder einer effizienten Umsetzung. Besonders vielversprechend ist der Studie zufolge ein umfassender Ansatz. Dazu gehört, Alkoholwerbung von Kindern fernzuhalten, verstärkt im Straßenverkehr auf Alkohol zu testen, die Beratungsangebote für Personen mit schwerem Alkoholkonsum auszuweiten sowie eine Preispolitik, die Alkohol weniger erschwinglich macht.
Download des Materials:
- Vollständige Studie:
- Ländernotizen:
- Themenpapier zu den Auswirkungen der Coronakrise auf den Alkoholkonsum:
Quelle: OECD-Pressemitteilung