Wie einfach gelangen Kinder und Jugendliche in Fußballstadien an Alkohol? Mit dieser Frage beauftragte der Arbeitskreis Alkoholpolitik die Firma Skopos Next, die mit Jugendlichen Scheinkäufe durchführen lässt. In zwei von drei Stadien waren die Kids »erfolgreich«. Dieses Ergebnis sowie die vorausgegangene Aktionswoche Alkohol veranlassten den Arbeitskreis zusammen mit den Guttemplern in Berlin-Brandenburg am 3. Juni zu einer politischen Diskussionsrunde mit Bundestagsabgeordneten ins Guttemplerhaus einzuladen.

Von links: Rolf Hüllinghorst, Stefanie Vogelsang, Thomas Starsetzki, Sandra Weckbecker, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Prof. Dr. Gerd Glaeske, Dr. Harald Terpe

Stefanie Vogelsang (CDU), Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) sowie Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Grüne) waren der Einladung gefolgt und beantworteten vor rund 80 Zuschauern Rolf Hüllinghorsts Fragen zu den wichtigsten alkoholpolitischen Forderungen der Guttempler: Alkoholwerbeverbot und Kontrolle der Jugendschutzbestimmungen durch Testkaufaktionen.

Stefanie Vogelsang, die ihre politische Karriere im Stadtteil des Guttemplerhauses, Neukölln, begann, setzte sich für ein einheitliches Mindestalter von 18 Jahren für den Kauf aller alkoholischen Getränke ein. Regelmäßige Kontrollen des Handels durch Testkäufe gefielen ihr jedoch nicht, sie setzte mehr auf freiwillige Einsicht und Appelle an die Betroffenen. Dabei stellte sie eine Neuköllner Initiative »Kafka – Kein Alkohol für Kinder-Aktion« vor, der dies bereits gelungen sei. Skopos Next warf sie finanzielle Interessen an ihren Testkäufen vor, was eine bisher unbekannte Kapitalismus-Kritik in der CDU erkennen ließ und die Frage aufwarf, ob denn die kontrollierten Händler den Alkohol aus purer Nächstenliebe abgäben …

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, frühere Bundesdrogenbeauftragte, hielt dagegen Testverkäufe für notwendig, um die Händler an ihre Pflicht zu erinnern, das Alter von jugendlichen Käufern zu überprüfen. Auch für ein Werbeverbot war sie zu haben und besonders gefiel ihr die Guttempler-Forderung nach »Punktnüchternheit«: Autofahren, Berufsleben und Schwangerschaft müssen alkoholfrei sein. Mit Blick auf die jüngste Diskussion der Promillegrenzen bei Radfahrern stellte sie fest: »Mit 1,6 Promille kann ich mein Fahrrad nicht mal mehr halten«.

Dr. Harald Terpe, drogenpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, hielt Testverkäufe und Werbeverbot ebenfalls für unverzichtbare Maßnahmen zur Senkung des zu hohen Alkoholkonsums in Deutschland. Und er wollte Deutschland nicht länger als Bremser auf europäischer Ebene erleben, wenn es um die Umsetzung der von der Weltgesundheitsorganisation vorgeschlagenen alkoholpolitischen Maßnahmen gehe.

Prof. Dr. Gerd Glaeske, eher bekannt als regelmäßiger Pharmakritiker im »Jahrbuch Sucht«, stellte seine in Bremen mit Kollegen gegründete Initiative gegen Alkoholwerbung im Sport vor, die bereits erste Erfolge zeige. So unterstützte der Bremer Gesundheitsenator inzwischen diese Forderung, und auch Werder Bremen-Manager begännen über mögliche andere Sponsoren als die heimische Brauerei nachzudenken. Er hielt es für wichtig, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in dem Händler, die sich um den Jugendschutz bemühen, ein positives Image bekämen – das wäre viel wertvoller als ihnen mit Kontrollen und Sanktionen zu drohen.

Sandra Weckbecker von Skopos Next stellte überraschende Ergebnisse einer Online-Umfrage zu Alkoholtestkäufen vor, bei der 97 % aller Befragten sich positiv zu diesen Kontrollen äußerten. Wichtig war besonders den Eltern der jugendlichen Testkäufer der Datenschutz, eine pädagogische Begleitung und dass deren Alter nicht unter 16 Jahren liegen sollte. Auch der Geschäftsführer des Unternehmens, Thomas Starsetzki, bekräftigte den Erfolg von Testkäufen: bei den kontrollierten Händlern sei die Quote von 40 % auf 25 % zurückgegangen, bei denen die Testkäufer »erfolgreich« Alkohol hätten kaufen können – was natürlich immer noch zu viel sei. Hier helfe nur eine andauernde Fortsetzung der Kontrollen.

In der Abschlussrunde gab es eine überraschend große Koalition von CDU, SPD und Grünen: alle Abgeordneten hielten Preiserhöhungen, Werbeverbote und verminderte »Griffnähe« für notwendige alkoholpolitische Maßnahmen, um die gesundheitlichen Schäden des Alkoholverbrauchs zu senken.