Weinflaschen auf Euroscheinen

Jedes Jahr könnten in der Europäischen Region der WHO durch eine Erhöhung der Alkoholsteuern in den Mitgliedstaaten Tausende Menschenleben gerettet werden. In allen Teilen der Region wird Alkohol niedriger besteuert als Tabakprodukte. Um das unausgeschöpfte Potenzial von Gesundheitssteuern zu erhöhen, hat der Fachliche Beirat des WHO-Regionaldirektors für Europa für Innovationen im Bereich der nichtübertragbaren Krankheiten eine neue Schlüssel-Initiative zum Thema Steuern vorgeschlagen, die in der Steuerpolitik der Länder Berücksichtigung finden könnte.

In der gesamten Europäischen Region führt Alkoholkonsum zu nahezu 1 Mio. Todesfällen pro Jahr, bedingt durch vielfältige Ursachen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen und andere nichtübertragbare Krankheiten, aber auch Infektionskrankheiten und Verletzungen. Jeden Tag sterben in der Region ungefähr 2500 Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum.

Jahrzehntelange Forschung und Erfahrungen aus Ländern auf der ganzen Welt haben gezeigt, dass die Erhöhung der Preise für alkoholische Getränke durch eine entsprechende Besteuerung eines der kostengünstigsten Konzepte ist, um den Alkoholkonsum und die dadurch verursachten Schäden in der Bevölkerung zu senken. Dies wurde auch von der WHO als eine der vielversprechendsten (»best buy«) Interventionen anerkannt, die größere gesundheitliche Auswirkungen im Hinblick auf die Reduzierung von Krankheit, Behinderung und vorzeitigem Tod erzielt als andere Handlungsoptionen.

Dennoch ist die Besteuerung von Alkohol nach wie vor eine der am seltensten umgesetzten Maßnahmen, in erster Linie aufgrund von Widerständen bei Wirtschaftsakteuren und der Tatsache, dass Preiserhöhungen generell in der Bevölkerung unbeliebt sind.

Aus diesem Grund hat der Fachliche Beirat für nichtübertragbare Krankheiten diese Schlüssel-Initiative ins Leben gerufen, bei der fünf zentrale Bereiche in den Mittelpunkt gerückt werden, die das unausgeschöpfte Potenzial von Gesundheitssteuern auf Alkohol in der Europäischen Region auf beispiellose Weise steigern sollen.

Besteuerung von Alkohol: eine wirksame aber vernachlässigte Gesundheitsmaßnahme

Im Kontext von Alkohol sollte die Besteuerung als eine Gesundheitsmaßnahme betrachtet werden, und nicht als rein wirtschaftliches Instrument. Heutzutage besteht unter den Mitgliedstaaten ein wichtiger Konsens darüber, der Empfehlung der WHO eines Steueranteils von mindestens 75% am Einzelhandelspreis für Tabakprodukte zu folgen – ein Ziel, das bereits von über der Hälfte der 53 Mitgliedstaaten in der Region erreicht wurde. Doch beim Alkoholkonsum werden die gleichen Maßnahmen leider viel zu selten genutzt«, erklärt Dr. Carina Ferreira-Borges, kommissarische Direktorin für nichtübertragbare Krankheiten und Leiterin des Programms für Alkohol und illegale Drogen bei WHO/Europa.
Wir haben errechnet, inwiefern sich eine Erhöhung der Alkoholsteuern auf die Sterblichkeit in der Europäischen Region der WHO auswirken würde. Und die Daten zeigen deutlich, wie vorteilhaft diese Maßnahme für die Gesundheit der Menschen wäre«, fügt Dr. Jürgen Rehm hinzu, Mitglied des Fachlichen Beirats für nichtübertragbare Krankheiten und Leitender Wissenschaftler am Institute for Mental Health Policy Research und dem Campbell Family Mental Health Research Institute im Zentrum für Suchterkrankungen und psychische Gesundheit in Toronto.

Mindeststeuer auf Alkoholprodukte würde jährlich über 130.000 Menschenleben retten

Einer Studie zufolge, die von der Arbeitsgruppe des Fachlichen Beirats für nichtübertragbare Krankheiten zur Schlüssel-Initiative durchgeführt wurde, könnten durch die Einführung einer Mindeststeuer von 15 % auf den Einzelhandelspreis pro Einheit Alkohol unabhängig von der Art des Getränks in der Europäischen Region der WHO jährlich 133.000 Menschenleben gerettet werden.

Diese Zahl könnte mit Einführung eines höheren Steuersatzes erheblich ansteigen. Das bedeutet, dass die Erhöhung der Verbrauchssteuern auf Alkoholprodukte als vorrangige Maßnahme für die öffentliche Gesundheit angesehen werden sollte.

Was zählt, ist der Endpreis für Alkohol

Die Kosten pro Mengeneinheit reinen Alkohols sollten unabhängig von der Art des Getränks gleich hoch sein – so das Fazit der Arbeitsgruppe zur Schlüssel-Initiative.

Wir müssen bedenken, dass es auf den vom Verbraucher zu zahlenden Endpreis pro Flasche ankommt. Verbraucher kaufen nicht etwa 10 Gramm reinen Alkohol. Sie kaufen eine Flasche Bier oder Wein oder Spirituosen – der Preis für jedes Getränk sollte sich also nach der Alkoholmenge richten«, erläutert Dr. Jürgen Rehm.

Der Fachliche Beirat für nichtübertragbare Krankheiten trägt das beste Fachwissen zum Thema Prävention nichtübertragbarer Krankheiten zusammen und will die Mitgliedstaaten dazu inspirieren, die Ziele für nachhaltige Entwicklung mit Bezug zu nichtübertragbaren Krankheiten zu verwirklichen.

Mit der Förderung der weiteren Umsetzung von Maßnahmen zur Eindämmung des Alkoholkonsums stehen die Aktivitäten des Beirats im Einklang mit dem Europäischen Arbeitsprogramm 2020 – 2025 der WHO – »Gemeinsam für mehr Gesundheit in Europa«.

Quelle: WHO Regionalbüro Europa