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Die Alkoholindustrie hat eine der tödlichsten je gesehenen Kampagnen ins Leben gerufen, und es ist wichtiger denn je, dass wir deren Schema erkennen und dies nicht als harmlose Taktik Unternehmerischer Sozialverantwortung unbemerkt geschehen lassen. ABInBev ist verantwortlich für die Kampagne »Smart Drinking« (Schlaues Trinken).

 

Ein Video zeigt mehrere gut aussehende und glückliche junge Erwachsene bei Dinnerparties, Club-Besuchen und Karaoke – das allein könnte schon eine sehr gute Werbung für die Verherrlichung von Alkoholkonsum unter jungen Menschen sein. Dann beginnt sich etwas zu ändern:

Der Rest des Films entwickelt sich so, wie man es sich vorstellen kann: die Person findet ihren Ausweis, der Fahrer bringt das Mädchen sicher nach Hause, eine Gruppe von Menschen isst Pizza, und dann erscheint plötzlich die klar geschriebene Nachricht: »Feiere morgen, trinke heute abend schlau«. Der offizielle Hashtag für die Kampagne lautet #celebratetomorrow. Ich werde darauf zurückkommen, warum dies wichtig ist.

Auf den ersten Blick könnte man sagen, dass dies eine harmlose Nachricht ist, vielleicht sogar eine gute, denn was spräche schon gegen einen verantwortlichen Alkoholkonsum? Allerdings steckt hier ein Muster dahinter, wenn auch in großartiger Verkleidung, nämlich die Alkoholindustrie.

Um zu verstehen warum, müssen wir die Sprache untersuchen und über die vordergründigen Wörter versuchen, die hinter ihnen versteckte Botschaft zu erkennen – also »zwischen den Zeilen lesen«.

Die Botschaft von Verantwortung und Mäßigkeit

Aber zunächst: was ist »schlaues Trinken«? Nach ABInBev ist es »der Begriff der Verantwortung und Respekt für die Gesundheit, das Wohl und die Sicherheit für sich selbst und andere – nicht nur im Moment, sondern in der Zukunft«. Nicht jetzt, aber in der Zukunft. Ihre Zukunft. Seien Sie verantwortungsvoll. Denken Sie an morgen. »Feiern« Sie morgen.

Es kommt nicht von ungefähr, dass die Alkoholindustrie diesen Ansatz der Verantwortung seit Jahren im Einsatz hat. In der Tat zeigt eine Markenanalyse von ABInBev, dass sie das »Mäßigkeit«-Konzept seit den 1930er Jahren verwenden. Die Autoren von AdBrands.net schreiben:

»Der Schlüssel zum Budweiser-Erfolg war immer das innovative Marketing. Am Ende des 19. Jahrhunderts lancierte Anheuser-Busch eine Reihe von innovativen Aktionen für seine Biere mit Taschenmessern und kostenlosen Lithographien. ›König des Flaschenbiers‹ war eigentlich der erste Slogan des Unternehmens, im Jahr 1899 eingeführt (und in der Tat direkt vom deutschen ›Kaiserbräu‹ entliehen). In den 1930er und 1940er Jahren war Budweiser ›Amerikas geselliger Begleiter‹ oder ›Ein Getränk der Mäßigkeit‹. Später in den 1940er Jahren war Anheuser-Busch der erste Brauer in der Fernsehwerbung.«

Die Ansätze »Verantwortung« oder »Mäßigkeit« scheinen die Schäden von Alkohol anzuerkennen, während gleichzeitig für Alkohol als unverzichtbare Notwendigkeit für alle sozialen Interaktionen geworben wird. Der neueste ABInBev-Slogan vom »Schlauen Trinken« ist eine recycelte Mäßigkeits-Botschaft aus den 1930er Jahren – die den Verbrauchern in einer innovativen Art und Weise verkauft wird.

Zum Beispiel wissen wir – und auch die Alkoholindustrie weiß es –, dass Alkohol Krebs verursacht, dass Alkohol giftig ist, süchtig macht, Missbildungen verursacht und dass Alkohol sehr viele Menschen tötet. Die Alkoholindustrie hat (keine) Angst dies zuzugeben (obwohl sie noch das Mantra vom »maßvollen« Alkoholkonsum und Gesundheit wiederholt) – denn ihr Joker ist Spaß.

Alkohol ist Spaß. Alkohol ist toll. Alkohol ist alles, wovon Sie jemals geträumt haben: Freunde, Sex, Abenteuer, Sex-Abenteuer. Der Sexismus, den die Alkoholindustrie notorisch gebraucht, ist absolut ekelhaft aber wirkungsvoll. Das weiß auch die Kampagne »FAKE FREE« (fälschungsfrei). Deshalb sprechen ihre Macher auch nicht über die Schäden von Alkohol, weil sie wissen, dass junge Menschen Parties und Sex attraktiver finden als Tod und Verzweiflung.

Falsche Gegensätze entlarven

Zwei Worte: falsche Gegensätze. Wir wissen es und die Alkoholindustrie weiß es: Wenn man Menschen vor die Wahl zwischen der Begeisterung jetzt und der Besonnenheit morgen stellt, wählen die meisten das Jetzt – vor allem in unserer individualistischen, konsumorientierten Kultur.

ABInBev zahlte auch Millionen von Dollar für diese Super-Bowl-Werbung. Sie endet mit dem Slogan »Jetzt einen heben«. Kann eine Unternehmerische-Sozialverantwortungsnachricht nicht in krasserem Widerspruch zu einer teueren, von Stars besetzten, an die Jugend gerichteten und die Allgegenwart von Alkohol in der Gesellschaft verherrlichenden Botschaft stehen?

Aber auch wenn die Menschen sich nicht entscheiden zwischen heute oder morgen – und das ist wichtig sich daran zu erinnern –, sind sie immer noch dem ewigen Mythos des falschen Gegensatzes zwischen Gesundheit und Spaß ausgeliefert. Eine trügerische Wahl zwischen jetzt und morgen. Darum möchte die Alkoholindustrie, dass Sie morgen feiern, damit Sie glauben sollen das Leben aufzugeben, sobald Sie ein alkoholfreies wählen.

Kontraproduktive Kampagne als Unternehmerische Sozialverantwortung

AbInBev-Screenshot vom 12.02.2016

»Was immer wir tun, es wird nie genug für Sie sein – erwarten Sie, dass wir uns einfach in Luft auflösen?« Solch eine Antwort könnten wir von der Alkoholindustrie erwarten, wenn wir ihre Kampagnen und Kundenkommunikation in Frage stellen. Und wir sollten nichts anderes erwarten – ihre einzige Verantwortung gilt ihren Aktionären, nicht mir, nicht meinen Freunden oder meiner Familie und nicht Ihnen.

ABInBev sagt, sie wollen die Verbraucher befähigen intelligente Entscheidungen zu treffen und gesellschaftliche Alkoholnormen zu ändern. Nach dieser Definition haben ABInBev und FAKE FREE viel gemeinsam. Aber: Wenn man Normen ändern möchte, warum wiederholt man den Mythos vom Alkohol als sozialem Schmiermittel? Wenn Menschen »intelligente« Alkohol-Entscheidungen treffen sollen, warum wird dann nicht ein alkoholfreies Leben zur Norm erklärt?

Warum geben Sie mir die Wahl heute oder morgen zu feiern?
Zeigen Sie mir lieber das Leben jeden Tag zu feiern.

Über den Autor

Viktor Watz

Viktor Watz ist begeistert von der öffentlichen Gesundheit, Politik und geistigem Fortschritt. »Der Grund, warum ich die IOGT-Bewegung liebe, ist ein einfaches Wort: Solidarität. Und es geht nicht nur um Solidarität mit Menschen auf der ganzen Welt, es ist die Solidarität in unserem täglichen Leben, mit den Menschen, mit denen wir uns umgeben.

Ich glaube an eine Gesellschaft, die auf Altruismus, Nachhaltigkeit und Mitgefühl für andere baut. Die Werte, die wir teilen, machen diese Welt möglich. Rechtmäßige Veränderung ist real – lassen Sie sie einfach geschehen.«